Credit: Klaus Dieter Schäfer, imSalon Grafik KI erweitert

08.10.2025

„Wir wollen nicht länger als Billigheimer abgestempelt werden“

Klaus-Dieter Schäfer ist Landesinnungsmeister für Friseure und Kosmetik in Schleswig-Holstein und setzt sich für höhere Tariflöhne ein. Aus seiner Sicht blockiert vor allem ver.di den Weg dorthin.

Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Herr Schäfer, der Tarifvertrag für das Friseurhandwerk in Schleswig-Holstein wurde seit dem 01.08.2021 nicht mehr aktualisiert. Azubis im ersten Lehrjahr liegen darin noch immer unter dem Mindestentgelt bei 650 € im ersten Lehrjahr. Weshalb wird das nicht geändert?
Klaus-Dieter Schäfer:
Richtig, bis 2021 hatten wir einen gültigen Tarifvertrag. Dieser ist mittlerweile massiv veraltet und wurde vom Mindestlohn sowie vom Ausbildungsmindestentgelt längst überholt. Wir würden das gerne ändern und kämpfen seit 2021 dafür, sind dafür aber auf ver.di als Arbeitnehmervertretung angewiesen.

Das sollte doch auch im Interesse von ver.di sein: höhere Löhne durchzusetzen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?
KDS: Schleppend bis gar nicht. Ver.di hat offenbar kein Interesse an Verhandlungen mit dem Friseurhandwerk, weil es zu wenige Friseurbeschäftigte als zahlende Mitglieder gibt. Das lohnt sich für ver.di schlichtweg nicht so sehr wie andere Branchen.

Wie viele Mitglieder aus dem Friseurhandwerk hat ver.di denn?
KDS: Das weiß ich nicht, und man sagt es uns auch nicht – man hält sich sehr bedeckt. Bei unserem letzten Treffen Ende August kam heraus, dass es weniger als 1 % aller beschäftigten Friseurinnen und Friseure in Schleswig-Holstein sein sollen.

Aber auch wenige können doch für die Arbeitnehmerseite sprechen, oder?
KDS: Ver.di teilte uns mit, man habe mehrfach Beschäftigte eingeladen, um eine Tarifkommission zu bilden – angeblich kam aber niemand. Um in Verhandlungen treten zu können, sind wir auf diese Kommission angewiesen.

Also Stillstand? Es muss doch Kompromissmöglichkeiten geben.
KDS: Es ist zwar nicht unsere Aufgabe, aber wir haben schon überlegt, unsere Mitgliedsbetriebe anzuhalten, ihre Mitarbeitenden bei ver.di zu melden. Es ist jedoch schwierig: Friseurbetriebe haben in der Regel keinen Betriebsrat und nur wenige Mitarbeitende – die zudem freizustellen, ist kompliziert.

Welches Entgeltziel verfolgen Sie für Schleswig-Holstein?
KDS: Wir wollten uns im vergangenen Jahr den Zahlen aus Nordrhein-Westfalen anschließen und deutlich über dem Mindestlohn liegen. Langfristig möchten wir einen gültigen, allgemeinverbindlichen Tarifvertrag erreichen. Friseure werden nie zu den Spitzenverdienern gehören. Dennoch wollen wir vernünftige, faire Löhne zahlen. Friseure sollen nicht immer als Billigheimer abgestempelt werden.

Wie schwierig ist das für Salonunternehmer in Schleswig-Holstein?
KDS: Natürlich gibt es Kolleginnen und Kollegen, die die Gehälter kleinhalten. Leider vertreten zu viele die Haltung, nicht mehr zahlen zu wollen als gefordert. Aber wir müssen aus dieser Spirale heraus. Dazu gehört parallel auch ein Anstieg der Preise. Ich erhöhe in meinem Salon derzeit ebenfalls die Preise deutlich.

Können Sie nicht einfach einen progressiven Entwurf vorlegen und sagen: Wir wollen, dass Mitarbeitende mehr erhalten – bitte helft uns dabei?
KDS: Laut ver.di geht das nicht ohne eine anwesende Vertretung der Arbeitnehmerseite, die dem zustimmt.

Also ohne ver.di kein neuer Tarifvertrag?
KDS: Nein, das geht nur partnerschaftlich.

Wie viele Friseurbetriebe gibt es in Schleswig-Holstein?
KDS: Es gibt ungefähr 2.400 Salonbetriebe, davon sind rund 300 Innungsmitglieder.

Kann die Handwerkskammer hier unterstützen?
KDS: Das müssten wir prüfen.

Bei Ausbildungsvergütungen liegt das Friseurhandwerk weit unter Vorgaben und Marktdurchschnitt.
KDS: Ich finde die Mindestausbildungsvergütung grundsätzlich gut. Aber abgesehen von der hohen Abbrecherquote kann kaum ein Friseurbetrieb 1.000 € netto im ersten Ausbildungsjahr bezahlen. Und dann sagt der Azubi nach drei Jahren: „Das war’s.“ Die Lehrabbruchquote ist sehr hoch. Gleichzeitig sinkt deshalb auch die für Unternehmen kostenintensive Ausbildungsbereitschaft. Es muss sich bald etwas ändern.

Was sind Ihre Vorschläge für die Ausbildung?
KDS: Azubis müssen weg von Hilfsarbeiten und sollten so schnell wie möglich mitarbeiten dürfen. Das ist meine Maxime.

Noch einmal zu ver.di: Was kostet die Mitgliedschaft für Mitarbeitende?
KDS: Die ver.di-Mitgliedschaft kostet 1 % des regelmäßigen Bruttoverdienstes bzw. der Ausbildungsvergütung. Für eine Friseurin ist das viel, auch wenn es „nur“ um 15 € monatlich geht. Zumal viele Beschäftigte nicht wissen, was ver.di konkret für sie tut.

Angenommen, ver.di stellt sich weiterhin quer – gibt es dann auch in fünf Jahren keinen neuen Tarifvertrag? Kann man sich nicht an die Presse wenden?
KDS: Es gibt einen Mitarbeiter, der bei ver.di seit Längerem dranbleibt. Er ist Gewerkschaftsmitglied, möchte aber anonym bleiben. Der hat auch schon bis nach Berlin telefoniert. Aber auch dort scheint man am Friseurhandwerk kein wirkliches Interesse zu haben.

Das ist schade, denn solange in öffentlichen Statistiken auf die Angaben in Tarifverträgen verwiesen wird, bleibt der Friseur medial der Niedriglöhner der Nation. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg.