Credit: Martin Steiger

22.10.2021

Wenn FriseurInnen auf KollegInnen losgehen, ist das befremdlich

Ein Post, viel Polemik und unglaublich persönlich, übergriffige Kommentare, die Aussehen, Herkunft, Alter angehen und nichts Konstruktives beitragen – eine traurige Social Media (SM) Wochenend-Bilanz

Kommentar von Raphaela Kirschnick

Es irritiert mich, wenn ich in den Sozialen Netzwerken Kommentare lese, die weder der Sache noch konstruktivem Austausch gewidmet sind. Stattdessen wird einzig und allein das Ziel verfolgt, einen anderen Menschen zu diffamieren, andere aufzuhetzen und mit polemischer Manier Inhalte zu verzerren.

So schockiert mich der ausufernde SM-Angriff zum Post „Lehrlinge müssen jederzeit kündbar sein“ (►Link) am vergangenen Wochenende.

Eine von mir hochgeschätzte, sehr erfolgreiche Friseurunternehmerin, die in den vergangenen Jahrzehnten dutzende Lehrlinge ausgebildet hat, noch immer ausbildet und einiges mehr für die Branche bewirkt hat, spricht im Interview aus, was viele KollegInnen längst fordern. Natürlich ist nicht jeder derselben Meinung, recht so!

Nachwuchsmangel: Wir müssen umdenken

Die Gründe der aktuellen Mitarbeiter- und Nachwuchs-Problematik sind nicht in einem Satz zusammenzufassen. Die Ursachen für Nachwuchsmangel liegen nicht alleine daran, dass einige Salons nicht mehr ausbilden, sondern und vor allem daran, dass viele junge Menschen das Handwerk, respektive den Ausbildungsberuf Friseur, meiden. „Unkündbarkeit“ ist sicher nicht relevant für die Ausbildungs-Entscheidung. Durch Umfragen belegt, liegen die Gründe in Image, Bezahlung und dem Drang studieren zu wollen.

Warum einige Salons nicht mehr ausbilden? Weil sie keine Lust mehr haben, zumeist aufgrund sehr schlechter Erfahrungen oder weil sich schlichtweg keine Azubis finden. Seit Längerem boomt es „AssistentInnen“ einzustellen, aus besagten Gründen für viele Unternehmen eine rettende Entscheidung. Und ja, die Generationen wandeln sich. Es ist, wie es ist, damit werden UnternehmerInnen lernen müssen umzugehen. Generationen werden sich im Arbeitsleben neu treffen, das haben sie immer schon getan. Dies bedarf eines offenen Austausches von neuen Modellen, neuen Wegen, neuen Ideen. Manche werden gut, manche idiotisch sein, gerade deshalb wird ein konstruktiver Diskurs unerlässlich. Gar nicht diskutieren, keine Ideen zu durchdenken, das ist keine Option, das bedeutet Stillstand.

Wer den Gedanken nicht angreifen kann, greift den Denker an
Paul Valéry

Da schießen nun einige auf Instagram mit bösen Verbalbandagen verantwortungslos um sich. Von „Sch… Österreicherin“, „meidet diesen …Salon“ bis hin zu „die hatte eine armselige Jugend“ und „ihre Haarfarbe sagt alles aus“...

Ist es wirklich das, was wir öffentlich mit unseren Kolleginnen und Kollegen machen wollen? Sie geifernd fertigmachen? Das soll unsere Branche retten? Bei einigen Meldungen wurde es mir übel. Konstruktiver Input, der die Branche weiterbringt gleich null.

Im Übrigen war die Bestätigung auf Facebook Österreich enorm. Auf Instagram jedoch wurde ein Personenkrieg gezielt gefüttert und in Eigeninteressen-dominierte Bahnen gelenkt, mit besserwisserischer Polemik. Dies führte zu wüsten Beschimpfungen eines Menschen, den die Beteiligten überhaupt nicht kennen, aber aufgrund von Haarfarbe, Herkunft und Alter beleidigten. Und dann applaudieren dem noch einige zu. Wie traurig das doch ist!

Wir brauchen neue Gedanken

Wir müssen nicht einer Meinung sein, im Gegenteil, aber ein respektvoller Umgang mit diversen Gedankengängen ist erstrebenswert. Seit 10 Jahren gehen die Ausbildungszahlen jährlich massiv zurück. Keiner weiß, was das Zaubermittel ist damit die Branche zukunftsfähig ist und bleibt. Jedoch tut sich reichlich wenig und das, was passiert, ändert offensichtlich zu wenig. Es braucht neue Gesetze, bessere, andere, revolutionäre Aktionen, wahrscheinlich ein radikales Umdenken. Das gilt für Unternehmen, Berufsschulen, Innungen, Industrie, Friseure, Medien, uns alle gleichermaßen.

Lasst uns Ideen diskutieren, nicht im Keim ersticken! Lasst uns Out of the Box denken, ohne zu verurteilen! Lasst uns gemeinsam mit dem Blick nach vorn Optionen abwägen, nur so sind wir zum Mond gekommen und fotografieren heute mit dem Handy beim Musikhören.

Ich werde weiterhin Interviews zu interessanten Ideen und anderen Wegen führen, Gedanken teilen, die die Branche weiterbringen können und zeigen, wie man sein Unternehmen, auch mit anderen Ansätzen, wirtschaftlich gut durch schwierige Zeiten führt. Ich bin da auch nicht immer einer Meinung, wäre ja fad.

Was mir leidtut

Ich möchte mich bei meiner Gesprächspartnerin entschuldigen! Entschuldigen für die Anfeindungen, die ihr von einigen unserer Follower zuteilwurde. Ich distanziere mich von solchen Menschen. Besonders böse und persönlich übergriffige Kommentare zensieren und löschen wir.

Ein besonderes DANKE gilt all jenen, die uns aufmerksam darauf hingewiesen haben und mitgefühlt haben – Ihr seid spitze!

In diesem Sinne, auf einen achtsamen Austausch, denn ich werde nicht aufhören weiterhin polarisierende, spannende Gedankengänge zu veröffentlichen mit GesprächspartnerInnen, die in diesem Markt etwas bewegen und ändern wollen.

Eure Raphaela Kirschnick

PS: Headlines wählt im Übrigen die Redaktion aus, nicht der Interviewpartner / die Interviewpartnerin.