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10.10.2025

"ver.di fühlt sich für Friseurbeschäftigte nicht verantwortlich"

„Ohne ordentlichen Tarifvertrag bleibt die Branche im Billiglohn stecken“ – Oliver Kühl fordert allgemeinverbindliche Regelung für Schleswig-Holstein. Fachkräftemangel, geringe Bezahlung, fehlender Nachwuchs – die Friseurbranche steht unter Druck.

Obwohl Arbeitgeber verhandlungsbereit sind, blockiert ausgerechnet die Gewerkschaft den nächsten Schritt. Oliver Kühl erklärt im Interview, warum ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag für Schleswig-Holstein jetzt entscheidend ist, weshalb ein bundesweiter Vertrag wünschenswert wäre – und wie unverständlich es ist, dass ver.di scheitert, obwohl es in anderen Bundesländern längst Tarifverträge gibt.

imSalon: Herr Kühl, Sie setzen sich auf Arbeitnehmerseite für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in Schleswig-Holstein ein. Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?
Oliver Kühl:
Weil die Friseurbranche schon heute unter akutem Fachkräftemangel leidet – und ohne faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen werden wir die Lage nicht verbessern. Ich selbst bin nicht Friseur, aber ich sehe jeden Tag, wie viel Engagement, Kreativität und Können in diesem Beruf stecken. Das muss angemessen honoriert werden. Mein aktueller Fokus liegt auf Schleswig-Holstein, weil wir hier überhaupt keinen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag haben. Ein bundesweiter Vertrag wäre wünschenswert – aber wenn ver.di es schon in unserem Bundesland nicht hinbekommt, obwohl es in anderen Bundesländern längst Tarifverträge gibt, dann läuft etwas grundsätzlich falsch.

Wie läuft der Weg zu so einem Vertrag?
OK:
Zunächst muss eine Tarifkommission gebildet werden. Dafür braucht es auf Arbeitnehmerseite in der Regel drei bis fünf gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte, die bereit sind, mitzuarbeiten. Auf Arbeitgeberseite muss es dieselbe Anzahl tarifwilliger Betriebe geben. Erst dann kann die Gewerkschaft in Verhandlungen eintreten. Genau das wollten wir erreichen – die Arbeitgeberseite in Schleswig-Holstein hat bereits signalisiert, dass sie verhandlungsbereit ist.

Und wo hakt es?
OK:
Leider bei der Gewerkschaft ver.di. Ich habe mehrfach Kontakt aufgenommen, aber es hieß nur, es gebe zu wenige Mitglieder – ohne genaue Zahlen zu nennen. Es gibt bis heute keinen Termin für eine Mitgliederversammlung und keinen erkennbaren Plan, wie wir vorankommen. Das ist enttäuschend, weil viele Kolleginnen und Kollegen genau darauf warten, dass endlich etwas passiert. Und das, obwohl in anderen Bundesländern längst Tarifverträge existieren.

Hast du Erfahrung mit ver.di?
OK:
 Verdi sollte sich ja normalerweise für uns Arbeitnehmer einsetzen. Das haben wir alles mal in der Schule gelernt. Da war ich ganz schockiert, dass das nicht stattgefunden hat. Also habe ich da angerufen. Ver.di meinte, wir sind viel zu wenige für einen Tarifvertrag. Ich sage, wie viele sind wir denn? Das konnte bei ver.di niemand beantworten. 

Was wünschen Sie sich von ver.di?
OK:
Ganz einfach: Aktiv werden. Die nötigen Strukturen schaffen, um eine Tarifkommission einzusetzen, und gemeinsam mit uns für einen Tarifvertrag kämpfen. Wir brauchen keine endlosen Vorbehalte, sondern konkrete Schritte. Gerade in Schleswig-Holstein könnten wir zeigen, dass es geht – und damit den Weg für einen bundesweiten Tarifvertrag ebnen.

Und was sagen Sie den Friseuren, die bisher noch nicht gewerkschaftlich organisiert
sind?
OK:
Wer möchte, dass sich in unserer Branche etwas ändert, sollte Mitglied werden – nicht, weil man es „muss“, sondern weil es der einzige Weg ist, verhandlungsfähig zu werden. Ohne Mitglieder kann ver.di keinen Tarifvertrag aushandeln. Ich glaube, viele wissen das gar nicht.

Was steht für Sie auf dem Spiel, wenn es nicht bald zu einem Tarifvertrag
kommt?
OK
: Dann verlieren wir weiter Fachkräfte – und zwar an andere Branchen, die bessere Löhne und Arbeitsbedingungen bieten. Nachwuchs bleibt aus, weil die Perspektive fehlt. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag für Schleswig-Holstein würde ein Signal senden: Dieser Beruf lohnt sich – finanziell und in der Wertschätzung.