04.05.2022
Rene Krombholz: Unvermeidbar, Friseurpreise werden deutlich steigen
Haltet Euer Wort! Fordert Rene Krombholz und listet akribisch auf, welche Änderungen nachträglich an den ursprünglich vorgestellten Paketen gemacht wurden. Unfair geht nicht – ein Aufruf...
Kommentar von Rene Krombholz
Verbraucher wundern sich über die unterschiedlichen Friseurpreise. Warum kostet der Haarschnitt für die Frau hier 9,50 Euro und eine Ecke weiter um die 60 Euro?
Die Preisspannen sind gewaltig, aber manchmal auch recht einfach erklärbar. Die Unterschiede liegen oft schon in der Art des Angebots: ein Cut & Go Haarschnitt *1 beispielsweise ist in 30 Minuten gefertigt, für den gleichen Haarschnitt mit Fönfrisur ist aber die doppelte Arbeitszeit erforderlich. „Im Friseurhandwerk müssen heute zwischen 50 Euro und 60 Euro pro Mitarbeiter/in und Arbeitsstunde eingenommen werden!“, erklärt Obermeisterin Monika Schmitter, die ihren Salon in Düsseldorf betreibt und ergänzt: „Wenn ein Männerhaarschnitt für 10,- Euro angeboten wird, dann sind Stunde für Stunde 5-6 Kunden notwendig, um die Kosten zu decken!“
Frage der Qualität – aber auch der Ehrlichkeit
Haarschnitte im 10 Minutentakt?! Was bei simplen Trockenhaarschnitten noch einigermaßen funktionieren mag, wird bei anderen Behandlungen mehr als fraglich und wirft Fragen auf.
Das ist Akkordarbeit für die Mitarbeiter und damit wird nicht nur die Qualität fraglich.
Fachlich gut geschulte Mitarbeiter, die fair bezahlt werden, Produkte jenseits vom Ramschniveau, Steuern und Abgaben, die ordnungsgemäß gezahlt werden – das funktioniert nur mit Preisen ab 50- 60 Euro die Stunde.
„Die Preise beim Friseur enthalten in der Regel ca. 40% Lohnanteil, sowie 19% Umsatzsteuer“, erklärt der Pressesprecher der Friseurinnung Düsseldorf, Rene Krombholz. Das bestätigen alle Branchenexperten und bemängeln einen hohen Anteil an Unregelmäßigkeiten. „Niedrigpreise beim Friseur sind in der Regel nur durch Einsparung an Lohn oder Abgaben realisierbar!“, so Krombholz.
Erschreckend!
Dieses wurde eindrucksvoll in der 14 KW / 2022 von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit durch eine Schwerpunktaktion im Friseurhandwerk bestätigt.
Bundesweit wurden 2049 Arbeitgeber überprüft. Noch vor Ort wurden 57 Strafverfahren und 88 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Darüber hinaus wird bei 1391 Sachverhalten weiter ermittelt. Das ergibt eine Trefferquote von 75 %. *2
Das Hauptzollamt Düsseldorf überprüfte 57 Friseursalons und Barbershops in den Städten Düsseldorf, Monheim, Ratingen, Langenfeld, Hilden, Wuppertal und Solingen. Die vorläufigen Ergebnisse sind auch hier erschreckend:
- Verdacht auf Mindestlohnverstöße in 18 Fällen
- Verdacht auf Beitragsvorenthaltung in 9 Fällen
- Verdacht auf illegale Ausländerbeschäftigung in 2 Fällen
- Verdacht auf Leistungsmissbrauch in 10 Fällen. *3
Ungesunde Marktentwicklung
Hier zeigt sich das Ergebnis einer negativen Branchenentwicklung in den letzten Jahren. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Zahl der Friseurbetriebe in Deutschland nahezu verdoppelt, während die Bevölkerung kaum gewachsen ist. Das führt zu einem extremen Verdrängungswettbewerb, der durchweg über den Preis ausgetragen wird. Das verhindert nach Aussage des ZV *4 eine gesunde Marktentwicklung.
Steuer- oder Sozialversicherungsbetrug, Unterschreitung des Mindestlohns, Schwarzgeld - das sind keine Kavaliersdelikte. Auch wenn solche Handlungen aus der Not heraus und im wirtschaftlichen Überlebenskampf entstehen, so ist das keine Entschuldigung. Die Leidtragenden sind hauptsächlich die Mitarbeiter, über deren Löhne seit vielen Jahren diskutiert wird.
Somit sind diese Schwerpunktaktionen des Zolls ein Weg in die richtige Richtung und wird von den Verantwortlichen im Friseurhandwerk schon lange gefordert. Nur so werden künftig schwarze Schafe eliminiert und vernünftige Löhne realisiert werden können.
Zukunftsperspektive
Für die Mehrzahl der bundesdeutschen Salons, besonders für die, im unteren bis mittleren Preissegment Tätigen, ist eine Preisanhebung von 20 bis 30 % unvermeidbar.
Der neue Mindestlohn, steigende Energiekosten und höhere Materialkosten lassen keinen Spielraum bei den ohnehin geringen Margen. Von allen Handwerksberufen steht das Friseurhandwerk deutlich abgeschlagen an allerletzter Stelle, wenn es um die Wertschöpfung (Umsatz) pro Mitarbeiter geht.
Problemzonen im Friseurhandwerk:
Die hohe Zahl der in den letzten Jahren entstandenen Männersalons mit Niedrigpreisen.
Viele davon haben keine Zulassung für Haarbehandlungen, sondern dürfen nur Bärte schneiden und rasieren. Dieses wird aber kaum kontrolliert.
Ebenso bedenklich ist die Zahl der von der Umsatzsteuer befreiten Kleinstunternehmen.
Steuerbefreit sind diese Betriebe, weil sie angeben eine Gesamteinnahme von 22.000 € im Jahr nicht zu überschreiten. Das entspricht einem Monatsgesamtumsatz von 1.833,- Euro und bedeutet bei durchschnittlicher Gewinnspanne im Friseurhandwerk von 17,5% einen Unternehmerlohn / Gewinn von wenigen Hundert Euro im Monat.
In Düsseldorf unterliegen rund 30% der Friseurunternehmen dieser Steuerbefreiung.
Vollkommen unglaubwürdig, das weiß man auch im Finanzministerium, sieht aber (bisher) davon ab, diese Betriebe zu überprüfen. Die zu erwartende Einnahme an Steuernachzahlungen und Strafen steht in keinem Verhältnis zum Kostenaufwand der prüfenden Beamten.
Quellenverweise
*1 = Cut & Go Dienstleistungen bedeutet: schneiden und gehen (ohne Service, ohne Föhnfrisur)
*2 = Quelle: Generalzolldirektion Bonn
*3 = Quelle: Hauptzollamt Düsseldorf
*4 = Quelle: Zentralverband des Friseurhandwerks, Köln
Gebt der Forderung mit eurer Stimme Gewicht und unterzeichnet die Petition mit der Forderung nach 7% Mehrwertsteuer auf Friseurdienstleistungen ► ZUR PETITION
Als Initiator der Wertegemeinschaft „DER FAIRE SALON“ mit über 200 Mitgliedsbetrieben im Friseurhandwerk plädiere ich für Fairness und Ehrlichkeit.
Wir / ich erwarte/n - dass die Politik zu ihrem Wort und den Zusagen steht und die nachträglich laufend eingebrachten Änderungen bei den Regelungen der Soforthilfe in Richtung ursprünglichen Zustand überarbeitet, um den Menschen, die hier ehrlich und fair ihre Steuern und Sozialabgaben bezahlen einen auskömmlichen Lebensunterhalt zu ermöglichen statt in die Armut und Insolvenz zu treiben.
Zu Rene Krombholz
Rene Krombholz ist Salonunternehmer, Vorstand Friseur-Innung Düsseldorf, Fachautor und Betreiber friseur-news.de und Initiator der Wertegemeinschaft „Der faire Salon“ www.der-faire-salon.de