24.05.2024
"Rechtzeitig Krankengeld oder Krankentagegeld-Versicherung abschließen!"
Johanna Röh steht hinter der Initiative „Mutterschutz für Alle“ und kämpft für eine branchenübergreifende Unterstützung schwangerer Unternehmerinnen.
Johanna Röh, Initiatiorin "Mutterschutz für Alle", im Interview mit Juliane Krammer
Liebe Johanna, du hast den Verein ► „Mutterschutz für Alle“ gegründet. Wie kam es zu dem Schritt?
Johanna Röh: Ich habe mich erst mit dem Thema Mutterschutz beschäftigt, als ich schwanger war. Plötzlich war ich selbst in der Situation und betroffen. Vielen anderen Handwerkerinnen ergeht es ähnlich. Nun bin ich Tischlermeisterin und in diesem Umfeld wird eine schwangere Unternehmerin eher als Einzelfall gehandelt bzw. man wird so bezeichnet. Aber mir wurde rasch klar, dass ich als schwangere Unternehmerin kein Einzelfall bin. So habe ich mich mit anderen Frauen vernetzt und beschlossen, dass wir eine Vertretung brauchen, weil es dafür keine Lobby gibt und startete die Initiative „Mutterschutz für Alle“.
Aus der Initiative wurde eine Petition. Wie ist der aktuelle Stand?
JR: 2022 startete unsere Petition mit über 100.000 Unterschriften. Der Petitionsausschuss hat fraktionsübergreifend das höchste Votum abgegeben. Sie haben somit gesagt, dass das ein wichtiges Thema ist und es der Regierung zur Berücksichtigung übergeben wird. Das bedeutet, dass sie Handlungsbedarf sehen. Die Regierung hat im Zuge dessen eine Stellungnahme abgegeben und macht gerade eine Bedarfsanalyse, um herauszufinden, wie viele betroffen sind und was die Betroffenen brauchen. Zusätzlich läuft über den Bundesrat eine Initiative, deren Aussage ist, dass der Mutterschutz für Selbstständige kommen muss. Das ist zwar nicht bindend, aber ein deutliches Zeichen.
Bekommt man gar keine finanzielle Unterstützung?
JR: Es ist nicht so, dass man gar nichts bekommt, aber es ist wirklich schwierig Infos zu erhalten, was man eigentlich machen kann, wie z.B. eine Zusatzversicherung abschließen. Da bekommt man gegebenenfalls Leistungen, aber auch nicht in jedem Fall. Es ist alles sehr herausfordernd!
Für schwangere Selbstständige ist der Status also unverändert?
JR: Verändert hat sich seit unserer Initiative und Petition, dass es durchaus ein bisschen mehr Informationen gibt.
Gibt es eine Beratungsstelle für Unternehmerinnen?
JR: Aktuell noch nicht. Es wird aber gerade von Seiten des Wirtschaftsministeriums ein Leitfaden zur Beratung erstellt. Daran sind wir auch beteiligt. Wir hoffen, dass das in den nächsten Monaten veröffentlicht wird. So dass zumindest alle Informationen gebündelt zur Verfügung gestellt werden.
"Man soll unbedingt darauf achten, eine Krankengeld- oder Krankentagegeld-Versicherung abzuschließen."
Die Friseurbranche besteht in Deutschland aus über 68% Unternehmerinnen. Hast du Tipps für zukünftige Mütter?
JR: Man soll unbedingt darauf achten, eine Krankengeld- oder Krankentagegeld-Versicherung abzuschließen. Das muss man aber früh genug machen. Man darf das aber nicht damit verwechseln, dass man damit wirklich abgesichert ist. Hier geht es nur um das ausgefallene Arbeitseinkommen. Man muss tatsächlich eine Schwangerschaft so planen, dass man ein sehr gutes Wirtschaftsjahr hat und erst im Jahr darauf die Geburt ist. Das ist doch vollkommen absurd. Genauso sollte sich die Unternehmerin über eine Vertretung im Salon Gedanken machen.
Hast du eine Einschätzung, wann sich an der aktuellen Situation wirklich etwas ändert?
JR: Abwarten können wir uns nicht leisten. Wir sind sehr aktiv, bringen gerade viele Verbände zusammen, mit denen wir eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht haben. Der Inhalt ist das Bündnis für den Mutterschutz für Selbstständige. Das betrifft ja nicht nur Selbstständige, sondern auch Solo-Selbstständige, Handwerkerinnen, Künstlerinnen, alle jene, die nicht von großen Verbänden vertreten werden und sich keine Lobbyisten leisten können.
Wie viele Verbandsmitglieder zählt „Mutterschutz für Alle“?
JR: Wir sind noch ein kleiner Verein mit hundert Mitgliedern, sind aber auch dran, ein Bündnis zu gründen. 25 Organisationen wie der Ärztinnenbund, der Arbeitskreis Frauengesundheit, der Bund der Selbstständigen, Forum Junge Anwaltschaft, usw. haben schon unterzeichnet. In den nächsten Wochen kommen bestimmt noch ganz viele mehr dazu.
Im Mai fand auch eure Kick-Off Veranstaltung statt, was ist da passiert?
JR: Dort wurden ganz gezielt Betroffene sowie Verbandsvertreterinnen und Politik zusammengebracht. Es ging darum gegenseitiges Verständnis zu schaffen und herauszufinden, wer wo steht. Was können wir machen, um das Thema voranzubringen, war das große Ziel. Mona Neubaur, NRW-Ministerin für Wirtschaft, sprach digitale Grußworte. Vor Ort waren Vertreterinnen aller Parteien.
Nun bist du als Tischlermeisterin in einer von Männern dominierten Branche tätig. Wie ist die Unterstützung von Männern aus deiner Branche?
JR: Ich habe zu Beginn versucht, branchenintern auf das Thema aufmerksam zu machen, habe aber schnell gemerkt, dass das nicht einfach ist. Es sind ja nur 10% Tischlermeisterinnen, die ihren eigenen Betrieb führen. Es war deswegen für mich auch naheliegend, mich branchenübergreifend dem Thema zu widmen.
Was kann denn die zum Großteil aus Frauen bestehende Friseurbranche machen, um das Vorhaben „Mutterschutz für Alle“ zu unterstützen?
JR: Wir sind ein Verein von Betroffenen und freuen uns, wenn sich uns andere Betroffene anschließen, aber auch alle, die das Thema unterstützen wollen, können eine Vereinsmitgliedschaft um 12,50 Euro im Jahr abschließen. Es hilft auch, wenn man sich innerhalb der Friseurbranche zusammentut und das Thema behandelt.
Du kämpfst seit bald drei Jahren für den Mutterschutz für alle. Deine Schwangerschaft ist überstanden, du bist wieder zurück im Betrieb. Woher holst du neben deinem Beruf die Kraft da dranzubleiben?
JR: Es war für mich persönlich so eine gravierende Erfahrung, kurz vor der Geburt nicht zu wissen, ob ich meinen Betrieb halten kann, dass ich jetzt einfach will, dass sich die Strukturen ändern. Um meine Firma zu retten, habe ich meine Gesundheit und die meiner ungeborenen Tochter riskiert. Ja, ich hätte mich stillschweigend zurückziehen können, aber solange ich den Unterschied mit meiner Stimme mache, bleibe ich dran. Was mich täglich motiviert ist, dass wir Vereinsmitglieder haben, die ihre Selbstständigkeit aufgegeben haben, weil sie sich ein zweites Kind wünschen oder gar nicht Kinder haben, weil sie die Selbstständigkeit nicht aufgeben wollen. Wir haben aber auch Unterstützerinnen, die wissen, dass sie andere berufliche Entscheidungen in ihrem Leben getroffen hätten, wenn es eine Absicherung in der Selbstständigkeit gegeben hätte.
Danke, Johanna, für das spannende Gespräch und alles Gute für die Zukunft!