Credit: Pascal Hefti für imSalon

19.01.2017

Obermeister Jahresauftakt Seminar – Unser Kommentar

Von Birgit Senger und Raphaela Kirschnick

"Obermeister Jahresauftakt Seminar des Zentralverbandes des deutschen Friseurhandwerks“, hört sich jetzt nicht so sexy an, wie der Besuch auf der Fashionweek, dennoch, hier engagieren sich Menschen für das Friseurhandwerk. Das finden wir grundsätzlich lobenswert! Aber es gibt viele kritische Stimmen, die vor allem in den Sozialen Netzwerken anzweifeln, das die Sache, für die sich engagiert wird, die richtige ist.

Schwergewichtige Thematiken wie Mindestlohn, bundesweit einheitliche Manteltarifverträge, Kassenpflicht, Image, Ausbildung und und und gehören diskutiert. Unter Beschuss steht man da automatisch und wie ZV Hauptgeschäftsführer Jörg Müller so schön sagte, „Innungsarbeit ist nicht sexy“. Gemacht werden muss sie dennoch. Umso überraschter waren wir über eine sehr diskussionsoffene Grundstimmung.

Aber eins nach dem anderen. Geboten wurde den Mitgliedern viel, ein besonderes Rahmenprogramm (Friedrichsstadtpalast, Dinner im Bundestag), Netzwerken mit Kollegen aus ganz Deutschland und spannende Vorträge zu Unternehmensführung (Peter Lehmann) und Onlinemarketing (Matthias Lange). Auch die Trendpräsentation des Modeteams um Roberto Laraia bot fundierte handwerkliche Inspiration für die kommende Saison.

Eine watteweiche Grundlage, die aber von den Hardcore Themen nicht abweichen liess. Und so kommen wir zum Wesentlichen.
 

Nachwuchs


Die Anzahl der Auszubildenden im Friseurhandwerk hat sich in 10 Jahren halbiert. Es wird bald richtig knallen, weil Mitarbeiter fehlen werden.
Eine aufschlussreiche Studie der Österreichischen Wirtschaftskammer wird als Grundlage für die Lösungssuche herangezogen. Die Erkenntnisse zusammengefasst:

Friseurberuf an letzter Stelle bei Wunsch-Ausbildungsberufen

70% junger Menschen lehnen den Friseurberuf ab

Hauptgründe dafür sind
1.) zu wenig Geld, keine guten Gehaltsaussichten
2.) schlechtes Image – Wer will seinen Freunden schon sagen, dass er Friseur wird…


Und so weiter! Es besteht akuter Handlungsbedarf, einer davon …
 

Lohndumping Kampfansage


Der Mindestlohn von € 9,- soll in naher Zukunft folgen, aber das sei erst der Anfang. Auch Erhöhungen und vor allem bundesweite Lohnanpassung bei der Ausbildungsvergütung sind in Arbeit.
„Als Friseur verdient man kein Geld“ soll aus den Köpfen raus, weiß Harald Esser (Präsident ZV). Ein hohes Ziel, ein guter Schritt!
Nur wie schaffen wir es, auch die Dienstleistungspreise entsprechend anzuheben, eine Kür, die noch viel Überzeugungsarbeit benötigt, nämlich beim Endverbraucher.
 

Atomisierung Betriebe


Die Anzahl der Ein-Mann/Frau-Betriebe steigt weiter an.
Atomisierung der Betriebe und fehlende Professionalität werden dabei leider gleichgestellt! Wurde da richtig hingeschaut oder kämpft man hier nur gerne gegen Betriebe, die nicht ausbilden und daher auch keine Notwendigkeit sehen, Innungsbeiträge zu zahlen.
 

Aufzeichnungspflicht/Kassensystem


War Thema, vor allem die €17.500 Grenze, ist halt jetzt mal, wie es ist.

Unsere Branche und, wen es tröstet, auch die restliche Welt, verändert sich rasant. Denken wir an Printmedien oder die Musikbranche, da hat das Friseurhandwerk hingegen vielleicht wieder goldenen Boden. Gäbe es da nicht das Nachwuchsproblem, niedrigere Entlohnung, schlechtes Image, sinkende Ausbildungsbereitschaft in den Betrieben, rückgängige Bereitschaft sich für den eigenen Beruf zu engagieren.

Der Zentralverband hat aus seiner Sicht wirtschaftspolitisch einiges getan:
Erfolgreiche Abwehr der "Transparenzinitiative", Sicherung Anlage A und Erhalt des Friseurmeisters, Strukturstabilität unserer Branche, Profil und Respekt in Politik und Verbänden, ein gewonnener Kampf gegen den Weltmarktführer.

Auch die Abwehr der Kommerzialisierung unserer Berufsbildung verbucht der ZV als Erfolg.
Die Frage, die sich einige Friseure und auch wir stellen: Kämpft der Zentralverband hier in unserem Sinne? Ist zum Beispiel das duale Ausbildungssystem, an dem der Zentralverband krampfhaft festhält noch zeitgemäß? Das duale Ausbildungssystem ist längst kein Garant für eine gute Ausbildung, dafür gibt es viel zu viele Beweise im Alltag. Viele erfolgreiche Friseure, die wir kennen verdanken ihr Know-how den Privatschulen und der Industrie. Die Frage, die wir uns zwangsläufig stellen müssen, was ist zeitgemäß, was will die Welt, worin investieren wir Zeit und Geld?

Hilft es wirklich eine Sozialkasse einzuführen? Was soll die denn machen? Auszubildende backen? Es gibt nicht genügend – Basta!

Die Laienausbildung auf You Tube gehört nicht den Friseuren, jede selbsternannte VideoBlogBeauty generiert mehr Styling-Tipp-Klicks als es sich der einzelne Friseur wünschen kann. Warum lassen wir uns das abgraben, zurecht hinterfragt. Geben Friseure ihre Profession an der Salontüre ab?

Keine Frage, der ZV wird es nicht leicht haben und sich vielen heftig umstrittenen Themen stellen müssen, aber Sie stellen sich und Harald Esser bringt es motiviert auf den Punkt „Wir vertreten das Friseurhandwerk – Wir müssen diskutieren“.

Viel Mut, Offenheit und natürlich Erfolg wünschen wir dabei!