Credit: Wild Beauty

03.05.2024

Noah Wild: Ich finde, jeder Friseur sollte Verbandsmitglied sein

"Wir können das Lösen von Problemen nicht delegieren, dazu brauchen wir den Verband." Noah Wild ist politisch aktiv und fordert das auch von all jenen, die sonst nur kritisieren. Das sich etwas ändern muss ist allen bewusst. In der Branche, aber auch bei Wild Beauty tut sich so einiges…

Noah Wild, Geschäftsführer Wild Beauty GmbH, im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Wild Beauty expandiert in alle möglichen Richtungen ,von Extensions über Bürsten hin zu Messern. Wie lautet eure Zielsetzung?
Noah Wild:
Als Firma müssen wir immer dort sein, wo der Bedarf des Friseurs ist. Dabei wollen wir keine Firma der Beliebigkeit sein, denn Shampoo verkaufen ist das eine, Zweithaar ist jedoch eine andere Kampfklasse. Extensions ermöglichen dem Friseur eine super Chance auf Zusatzdienstleistung, die er im normalen Geschäft so nicht mehr hat. Die Einführung von Flaunts Tape Extensions war für uns die richtige Entscheidung, denn der Erfolg hat auch uns, die wir eher konservativ planen, sehr überrascht.

"Extensions bieten Handelsspannen, die Friseurunternehmen sonst kaum erreichen."

Viele Dienstleistungen sind von Niedrig bis Hochpreisig zu haben. Schafft man das auch mit Extensions?
NW:
Extensions sind Premium. Allerdings sind viele Einstiegspakete diverser Anbieter nicht leistbar. In der heutigen Zeit mag niemand so viel Kapital in Ware binden, ohne zu wissen, was passiert. Mit den Flaunt Paketen starten wir bei wenigen Hundert Euro. Die Dienstleistung ist sehr hochwertig und man hat Handelsspannen, die Friseurunternehmen sonst kaum erreichen.

Auf der TopHair Messe waren unglaublich viele Extension Aussteller vertreten. Großer Trend?
NW:
Wenn man sich Marktstudien anschaut, dann sind Extensions das Feld, dass in den kommenden Jahren am meisten wachsen wird. Da muss der Friseur jetzt dahinter sein und sich das nicht wegnehmen lassen.

Und mit DSNYC Tools startet ihr den Messerverkauf. Wie kam es dazu?
Mein Vater hat ja immer Menschen unangekündigt mit nachhause gebracht und so stand irgendwann Donald Scott in meinem Kinderzimmer, da war ich 11. Er wurde ein wichtiger Freund unserer Familie. Als er uns im vergangenen Jahr mitteilte, dass er in Rente geht und seine Linie einstellt, habe ich mich sofort bereiterklärt, die Marke weiterzuführen. Das hat ihn unglaublich gefreut. Das ist für uns ein Herzensding, für ihn ein zweiter Frühling.

Diese Kombination aus sehr Persönlich plus Business zeichnet euch aus. Eines deiner persönlichen Love Projects der letzten Jahre war „Yours Truly“. Warst du deiner Zeit ein bisschen voraus?
NW:  
Es gibt immer geile Ideen, aber gewonnen wird in der Umsetzung. Wir waren sehr früh und natürlich würde ich heute einiges anders machen. Die Marke ist sehr komplex und damit erklärungsbedürftig, sowohl für den Außendienst als auch den Salon. Damit haben wir uns schwergetan. Aber ich glaube an das Konzept und im Herbst bringen wir etwas Neues, dass das Konzept sehr viel einfacher macht.

Was wird anders?
NW:
Das Grundkonzept bleibt, denn die Personalisierung ist mega. Aber der Einstieg muss niederschwelliger sein und dann kann man hineinwachsen in das Thema Personalisierung. Wir haben für dieses Jahr einige gute Ideen und werden die Marke in Ansätzen neu erfinden.

"Das Lohnabstandsgebot wird immer prekärer..."

Ihr wart große Unterstützer beim Zukunftskongress. Du prangerst vor allem die Konkurrenz der Sozialleistung an. Bürgergeld wird viel diskutiert, siehst du Bewegung in der Politik?
NW:
In diesem Land wird konstant eine Hypothek auf die Zukunft aufgenommen. Auf die nächste Regierung wartet eine riesige Baustelle. Wir verteilen und verteilen. Das Lohnabstandsgebot wird immer prekärer, Arbeit und Leistung lohnt nicht mehr. Für junge Leute gibt es mittlerweile TikTok Lifehacks darüber, wie man mit geringstem Aufwand maximale Leistung vom Staat erhält. „Du bist doch bescheuert, wenn du arbeitest“ schwingt mit in jedem Video.

"... diese Kuhhandel-Mentalität ist nicht von Dauer."

Das heißt, warten auf die Wahlen 2025?
NW:
Wir sind als Land nicht mehr produktiv genug, müssen aber wettbewerbsfähig bleiben. Eigentlich sollte die Politik Prioritäten setzen, aber das passiert nicht. Jeder bekommt etwas und diese Kuhhandel-Mentalität ist nicht von Dauer. Es wird sich vieles verändern

Was bedeutet das für das Friseurhandwerk?
NW:
Der Staat hat dafür zu sorgen, dass wir ein faires Wettbewerbsumfeld haben. Nimm Schwarzarbeit, wenn ganz viele offensichtlich illegal ihre Geschäfte führen, dann interessiert diesen Rechtsbruch niemanden. Es werden Rechte dort umgesetzt, wo es einfach ist. Hier passiert ein Kontrollverlust, das ist Staatsversagen. Es führt dazu, dass ehrliche Salonbesitzer aufgeben, weil es sich nicht mehr lohnt. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht mit zweierlei Maß gemessen wird.

Es gab gerade mal 1.200 Zollkontrollen 2023 auf 140.000 Friseur und Kosmetikbetriebe. Es wird ja auch hier nichts unternommen.
NW
:  Es fehlen Zollbeamte und auch hier wird leider nichts unternommen. Die meisten Initiativen seitens der Politik sind Lippenbekenntnisse.

„Die besten Friseure und klügsten Köpfe müssen mit vollem Elan dorthin, wo sie einen Unterschied machen können: in den Verbänden.“
Das hast du im letzten Interview gesagt. Sind wir auf dem Weg dahin?
NW:
Ich finde, der Zentralverband hat sich beim Zukunftskongress exzellent präsentiert und gute Argumente gebracht. Jetzt muss er aus seiner Komfortzone weiter heraus und an den Argumenten dranbleiben. Wenn Friseure verstehen, was Verbandsarbeit wirklich bedeutet und dass hier Klartext gesprochen wird, dann wäre das super. Wir können das Lösen von Problemen nicht delegieren, dazu brauchen wir den Verband.

"Jeder Friseur kann aufs Spielfeld und sich einwechseln."

Das wird im Markt vielfach anders gesehen. Wie ändern?
NW:
Bei der WM weiß auch jeder, wie die Mannschaft auszusehen hat und dann sitzen die Leute auf der Tribüne und kritisieren jeden Ballwechsel. Jeder Friseur kann aufs Spielfeld und sich einwechseln. Ich würde mir wünschen, dass nicht immer nur gemotzt wird, sondern die Leute sagen „Ich weiß es nicht nur besser, ich mache es auch besser“. In den Innungen sitzen viele Menschen, die all das ehrenamtlich tun, es müssen sich alle engagieren. Unsere Gesellschaft lebt vom Bürgerengagement.

Wir hätten so eine wirklich starke Gemeinschaft.
NW:
Ich finde, jeder Friseur sollte Verbandsmitglied sein und dann hätten wir die besten Köpfe an der Spitze. Was glaubst du, wie stark dann unsere Branche wäre! Wenn ich was ändern will, dann muss ich mir das antun, da führt kein Weg daran vorbei.

Danke Noah für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.