Friseursalon Hammer in Bad Neuenahr ist einer von vielen Handwerksunternehmen, die nach der Flut vor einer großen Herausforderung stehen | C: Salon Hammer privat

21.07.2021

Nach der Flut: Der Salon ist zerstört – wie kann es weitergehen?

Beinahe 100 Friseursalons in Deutschland sollen von der Flut betroffen sein, sie wurden vernichtet oder stark beschädigt. Was diese Zerstörungen für Salonbesitzer in der Praxis bedeuten und wie es weitergehen kann, erzählten Melanie Schmickler und Heinz-Peter Hammer aus Bad Neuenahr …

Die Flut in Deutschland hat die Bundesländer NRW, Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen besonders schwer getroffen, insgesamt sollen mehrere hundert Friseursalons beschädigt oder gänzlich vernichtet worden sein. Für die betroffenen Salonbetreiber, Mitarbeiter und deren Familien katastrophal; für Außenstehende nicht greifbar.

Heinz-Peter Hammer und Tochter Melanie Schmickler betreiben den Salon Hammer mit sieben Mitarbeitern in der Fußgängerzone in Bad Neuenahr. Im Facebook Live Talk der Friseure Deutschland Gruppe, initiiert von Marion Stahl und Felix Lang, berichteten sie am Montag über ihren persönlichen Katastrophenfall: Anhaltender Regen ließ die Ahr, einen Nebenfluss des Rheins, über die Ufer treten. Infolge wurden Straßen und Brücken weggespült, Häuser weggerissen, Ladenlokale geflutet, so auch der Friseursalon Hammer in Bad Neuenahr (Rheinland-Pfalz).
 

Ein Augenschein - wie schaut es vor Ort aus?

Melanie Schmickler beschreibt ein Szenario ähnlich einem Kriegsschauplatz. Niemand rechnete mit diesem Ausmaß. Es gibt teilweise keine Straßen mehr, der Asphalt ist aufgeplatzt und drückt sich in riesigen Platten an Häuserwände, Autos stapeln sich bergeweise übereinander. Das Wasser ist weg, der Schlamm ist geblieben. Es gibt keine Brücken mehr und keinen Strom. Kein Trinkwasser, kein warmes Wasser und Lebensmittel werden zum Teil in den Nachbarorten geordert.

Vom Hochwasser zerstörte Fußgängerzone in Bad Neuenahr | C: Salon Hammer privat

Warnung vor der Flut von offizieller Stelle hat es nicht gegeben, eine Stunde vorher bat die Feuerwehr, sich in Sicherheit zu bringen. Als die Flut kam, gab es praktisch nichts zu retten. Nach der Flut stand im 100 m2 großen Ladenlokal der Familie Hammer das Wasser bis unter die Decke, über 2,50 Meter hoch. Alle Möbel, alle Dinge waren gestapelt bis obenhin, 40 cm Schlamm bedeckte Boden und Verbliebenes. Das Ladenlokal ist nicht mehr nutzbar. Der Salon wurde erst im letzten (Corona-) Jahr neu errichtet. Vieles wurde selbst gebaut. Jetzt ist alles unbrauchbar, nichts kann mehr verwendet werden. Einzig die beiden Barbersessel wurden gerettet und ein paar Scheren, sowie der Meisterbrief – allerdings auch das alles beschädigt.
 

Komplett aus der Existenz gerissen


Salon Hammer berührt mit der Aussage: „Wir haben keine Existenz mehr, aber wir leben.“ Derzeit gibt es für den Salon und die sieben Mitarbeiter keine Möglichkeit, Umsatz zu machen. Eine Elementarversicherung, die für die Schäden aufkommt? Die haben sie nicht, eine Überflutung in solchem Ausmaß hat es hier noch nicht gegeben. Zudem ist die Ahr mehrere 100 m vom Salon entfernt.

2,5 m hoch stand das Wasser, das Inventar stapelte sich bis an die Decke | C: Salon Hammer privat

Wie kann es jetzt weitergehen? Den Salon wiederherzustellen, wird mindestens 6 Monate dauern. Das Trocknen der Wände und der Böden braucht Zeit, aber auch die Energie- und Wasserversorgung, die Infrastruktur müssen gesichert sein, denn nur wer damit versorgt ist, kann auch Wiederaufbauen.

Erste Gedanken kreisen sich bei den Hammers ►um einen Friseurcontainer. Denn es gilt, auch den Mitarbeitern ihren Arbeitslatz zu sichern. Aber für einen solchen benötigt es eine Freifläche und –deutscher Bürokratie geschuldet– Genehmigungen. Hinzu kommen monatliche Mieten, die sich auf 2.000 - 3.000 Euro belaufen würden. Und in einem leeren Container steht dann natürlich noch nichts drin. Kein Inventar, keine Produkte, kein Strom und Wasser. „Wir haben noch nie komplett bei Null angefangen, sondern wir sind immer irgendwo reingekommen, wo schon irgendetwas da war“, so Melanie im Live Talk. „Das ist eine völlig neue Situation.
 

Mitarbeiter müssen weitergezahlt, Kunden versorgt werden


Salon Hammer macht vor allem Zweithaar und Haarverlängerungen, deshalb müssen sie ganz dringend weitermachen! Denn viele Kunden bekommen ein Problem, wenn sie einige Zeit lang keine Behandlung bekommen. Melanie: „Das haben wir uns lange und gut aufgebaut und wir waren auch gut darin! Wir müssen bei allem aber auch an unsere Mitarbeiter und Kunden denken, denn auch sie haben mit dem Salon ihr „Zuhause“ verloren.“

Unterstützung kommt vom Arbeitsamt, die Mitarbeiter gehen erst einmal wieder in Kurzarbeit, weil nicht geklärt ist, ob die Arbeitsausfallversicherung greift. Welche weiteren Förderungen es geben kann, ist derzeit noch unklar. Die deutsche Regierung verspricht 400 Millionen Euro Soforthilfe für die Flutopfer, Versicherungen ihrerseits sprechen von Milliardenschäden, die es deutschlandweit zu begleichen gilt.
 

Spenden ist Herzenssache


Die Schicksale der betroffenen KollegInnen gehen vielen nahe. Die Bereitschaft in der Branche, Unterstützung anzubieten und zu spenden, ist groß. Auf den Punkt gebracht heißt das: Was es braucht, ist Geld, Geld, Geld! Denn Sachspenden finden derzeit nicht den Weg zu den Betroffenen. Auf freien Flächen in den zerstörten Ortschaften stapeln sich Müllberge, es gibt keine Lagerflächen und keine bezugbaren Ladenlokale. Es wird davon abgeraten, Sachspenden privat anzuliefern, Feuerwehr und Polizei lassen Leute von außerhalb nicht in die Gebiete, die Lager an Lebensmitteln und Sachspenden sind bereits übervoll. Durch die zerstörte Infrastruktur können Leute die Sachen nicht abholen bzw. ausliefern und es gibt keine Möglichkeiten, zwischenzulagern. Zudem sind die Leute noch mit dem Aufräumen beschäftigt.

Einzig zwei Barbersessel, ein paar Scheren und Meisterbrief konnten gerettet werden | C: Salon Hammer privat

Menschen helfen Menschen! Deshalb sind vor allem Gelspenden das, was Salons nach der Flutkatastrophe helfen kann. Die Friseurberater haben deshalbein Spenden-Projekt gestartet, dass in erster Linie den Salon Hammer und in weiterer Folge auch andere Salons der Umgebung unterstützen soll. Hierfür wurde folgendes Spendenkonto eingerichtet:

Empfänger: Die Friseurberater
IBAN: DE 3867 2917 0005 2853 4007
Volksbank Neckartal

Von Friseuren für Friseure. Während des Live Talks am Dienstag gingen im Minutentakt Spenden auf diesem Konto ein. Jeder Euro zählt und wird eins zu eins weitergegeben und spätestens bis Jahresende quittiert, kann also steuerlich geltend gemacht werden. Das garantieren die Friseurberater. „Ich wünsche niemanden, so etwas durchmachen zu müssen, unsere Nerven liegen blank und wir sind unendlich gerührt von dieser Unterstützung! Wir könnten einfach nur heulen.“, so Heinz-Peter Hammer über die Spendenbereitschaft.

Auch Sachspenden von Industrie-Partnern wurden angekündigt. So helfen beispielsweise Newflag und Maria Nila mit Produkten und Warenlogistik, Friseur Dirk Schütt bot gar original verpackte Bedienplätze an. Da Sachspenden im Moment aber nicht zwischengelagert bzw. ausgeliefert werden können, haben sich die Friseurberater bereit erklärt, alle Angebote per Listen zu sammeln und später deren Logistik zu organisieren. Auf der Website der Friseurberater wird demnächst aufgelistet - was benötigt, aber auch, was zur Verfügung gestellt werden kann. Hier können also auch andere betroffene Salons fündig werden; deshalb stay tuned: https://www.die-friseurberater.de/

Der Landesverband Friseure & Kosmetik Rheinland hat zudem unter fluthilfe.innungsfriseure-rheinland.de/ eine Hilfsbörse eingerichtet, bei der Betriebe, die Hilfe brauchen, Einträge erfassen können. Ebenso haben hier Betriebe und Helfer die Möglichkeit Hilfsangebote zu veröffentlichen. Das Angebot ist frei für alle Betriebe und unabhängig von einer Innungsmitgliedschaft nutzbar. Außerdem wurde auch eine Facebook-Gruppe gegründet, in der Kolleginnen und Kollegen, die Sachspenden abzugeben haben, ihre Angebote posten können: www.facebook.com/groups/344301374011049.

Wer sind die Friseurberater?

Die Friseurberater sind Marion Stahl & Felix Lang mit ihrem Beraterteammit Sitz in der Nähe von Heidelberg. Seit inzwischen über 10 Jahren konzentrieren sie sich ausschließlich auf die Beratung von Friseurunternehmern im D-A-CH Raum. Durch ihre Spezialisierung blicken sie auf einen großen Erfahrungsschatz zurück und verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz.