15.05.2019
Mindest-Ausbildungs-Vergütung: Jörg Müller vom ZV findet kritische Worte
Noch vor ein paar Wochen Theorie, wird die MindestAusbildungsVergütung ab 2020 Realität. Klar, nicht alle jubeln. Der ZV warnt gar davor. Wir sprachen mit Hauptgeschäftsführer Jörg Müller.
Herr Müller, wie finden Sie die Entscheidung über die Mindestvergütung für Auszubildende?
Jörg Müller: Nicht gut. Der Zentralverband vertritt die Position des Friseurhandwerks und man muss hier aufpassen, dass das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet wird.
Wie schaut es denn bei den Rückmeldungen in der Branche zu diesem Thema aus?
JM: Der Grundtenor ist negativ.
Sie sind gegen gesetzliche Mindestvergütung. Warum? Würde das nicht helfen, das Berufsbild aufzuwerten und zu einer Ausbildung in der Friseurbranche motivieren?
JM: Unser zentraler Kritikpunkt bei der Mindestlohndebatte ist, dass damit die Tarifautonomie unterlaufen wird. Diese ist ein Verfassungsgut!
Was genau bedeutet Tarifautonomie?
JM: Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter verhandeln für ein Tarifgebiet die Lohnsummen aus. Im Friseurhandwerk ist das Primat auf den Landesverbänden und Innungen.
Was uns irritiert, ist das Gießkannensystem.
Und in dieser fühlen Sie sich übergangen?
JM: Was uns bei dieser Gesetzgebung irritiert, ist das Gießkannenprinzip, denn regionale Sonderheiten werden ignoriert. Auch die Tatsache, dass hier eine geplante Steigerung bis 2023 stattfinden soll. Im Detail des Gesetzes werden so Steigerungen bis zu 40 Prozent möglich gemacht. Es gibt sowohl in Ost wie in West Regionen, in denen Leuten erwiesenermaßen weniger Geld zur Verfügung steht. Solche Entscheidungen müssen regional und nicht zentral entschieden werden!
Aber ich gebe zu bedenken, dass bei 4/5 aller Betriebe in unserer Branche bei der Vergütung mittlerweile die 5 davorsteht, d.h. über 500 Euro monatlich gezahlt werden.
Wenn dem so ist, ist die Mindestvergütung dann nur für wenige ein „Problem“?
JM: Wichtig ist doch, dass Ausbildung finanzierbar sein muss. Der Hamburger ICD Friseur Unternehmer Lars Nicolaisen beispielsweise merkt in seinem Blogg kritisch an, dass Ausbildung immer teurer wird.
Für den klassischen Betrieb mit 3-4 Mitarbeitern wird diese Mindestausbildungsvergütung schwierig. Wir im Friseurhandwerk haben eine Wertschöpfung, die nicht vergleichbar ist mit der der Industrie. Auch wenn ich mich wiederhole: Per Gesetz sind diese zeitnahen Staffeln eine starke Belastung für das Friseurhandwerk.
Die auszubildenden Maurer sind sehr gut bezahlt. Aber das hat nachweislich das Problem beim Nachwuchsmangel NICHT gelöst.
Sie sind gut vernetzt. Wie schauen denn die Reaktionen der anderen Branchen aus?
JM: Das Gesamthandwerk teilt unsere Positionen. Auch die haben unterschiedliche Tarifbezirke. Die auszubildenden Maurer z.B. sind sehr gut bezahlt. Aber auch das hat in den letzten Jahren nachweislich das Problem beim Nachwuchsmangel NICHT gelöst.
Das deutsche Handwerk ist Ausbilder der Nation. Wir bieten familiäre Sicherheit und Zukunft, zB Flüchtlingen und jungen Leuten, die es evtl. nicht so leicht haben, das darf nicht durch gesetzliche Vorschriften gefährdet werden. Abschießend gebe ich zu bedenken: Ausbildungsvergütung ist kein Lohn für Arbeit, sondern eine Unterstützung in der Ausbildung.
Von Seiten des Bundeskabinetts heißt es aber auch, dass sich Gewerkschaften und Arbeitgeber über Abweichungen verständigen können. Wird es hier „Nachverhandlungen“ geben?Einige Landesverbände stehen ja aktuell in Verhandlungen mit Verdi. Hier wird es interessant werden. Aktuell ist aber erstens wichtig, dass Ausbildungsverträge, die bis Ende 2019 abgeschlossen werden, nicht vom neuen Gesetz betroffen sind und zweitens sich mehr Friseurunternehmer politisch engagieren.
„Mitglied werden“ ist das Gebot der Stunde!
Vielen Dank für Ihre Stellungnahme!