Credit: Angelika Zwick

05.05.2023

Michael Klier: Friseure müssen sich doch nicht rechtfertigen

Bis zu 15 % hat Klier in den letzten 12 Monaten die Preise erhöht, bis zu 10 % folgen in diesem Jahr. Warum die Friseurbranche hier eine wichtige Entwicklung verpasst hat und sich oftmals selbst im Weg steht, darüber sprachen wir mit Michael Klier …

Michael Klier, Geschäftsführer Klier Hair Group (750 Salons, 5.000 Mitarbeiterinnen*Mitarbeiter), im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Die Branche ist im Moment unsicher beim Thema Preiserhöhung. Wie setzt ihr Preisanpassungen bei Klier um?
Michael Klier:
Insgesamt haben wir die Preise bei allen Marken der Klier Hair Group in 12 Monaten in drei großen Schritten angepasst, der letzte Schritt war Ende Februar und insgesamt ergab sich dadurch im Jahresvergleich eine Preiserhöhung von ca. 10-15 %.

Wurde damit bereits Teuerung, Mindestlohn, etc. aufgefangen?
MK:
Nein. Wir haben im Laufe des Jahres noch weitere Schritte geplant. Insgesamt werden wir die Preise sicher nochmal um 5-10 % erhöhen. Konkret müssen wir das erneut kritisch hinterfragen, wenn die Mindestlohn-Tarifkommission im Juni ihr Ergebnis präsentieren wird. Es stehen ja auch 14 € Mindestlohn im Raum.

Was erwartest du dir vom branchenübergreifenden Preisniveau?
MK:
Das gesamte Niveau muss angehoben werden, denn man darf eines nicht vergessen: Seit Einführung des Mindestlohnes 2017, sind Löhne in einigen Bundesländern um fast 75 % gestiegen. Bei einem durchschnittlichen Personalkostenanteil von 50-60 % ist es daher zwingend notwendig, die Preise ebenfalls zu entwickeln. Es kann nicht zulasten der ohnehin geringen Marge gehen. Durch die Veränderungen und Umbrüche nach der Pandemie sind die Reserven generell ziemlich strapaziert, sodass viele Kollegen ertragstechnisch keinen Puffer mehr haben. Die Unternehmer müssen zukünftig weiterhin wichtige Investitionen tätigen können.

Wie kommuniziert man Preiserhöhungen an 5.000 Mitarbeiterinnen, sodass diese voll dahinterstehen und mit Kunden entsprechend sprechen können?
MK:
Das ist ein ganz schwieriger Grad. Egal wie viel sachliche Informationen oder emotionalen Input man gibt – ob man die gestiegenen Kosten oder den Wert der Leistung in den Fokus stellt – oftmals fehlt das Verständnis des Kunden.

Obwohl Kunden überall mit heftigen Preiserhöhungen konfrontiert sind?
MK:
Die meisten Kunden befürworten ja das Thema Mindestlohn und verstehen es auch, dass Kosten weitergegeben werden müssen, sträuben sich dann allerdings, die Konsequenzen bei den eigenen Ausgaben zu tragen.
Im Salon verbringt der Kunde durchschnittlich 30-60 Minuten mit der Friseurin, diese ganze Zeit kann er nutzen, um über Preise zu diskutieren. Das kann er nirgends sonst oder hast du schon mal jemanden im Supermarkt mit der Kassiererin über den Butterpreis diskutierend gesehen? Dieser lange Kontakt im Salon macht es herausfordernd, dabei kann die Friseurin am allerwenigsten dafür.
Es ist unsere Aufgabe, den Mitarbeitenden den Rücken zu stärken. Sie und ihre Handwerkskunst sind diesen Preis wert.

Habt ihr im Zuge der Preiserhöhungen Kunden verloren?
MK
: Natürlich verliert man den ein oder anderen Kunden. Aber im Zusammenhang mit den Preiserhöhungen konnten wir das nicht feststellen. Dennoch kann ich jedem die Angst nehmen, das ist seltener der Fall, als man es vermutet. Viele Kunden haben Verständnis. In Zeiten, wo sich andere Preise viel massiver entwickeln, reagieren Kunden häufig mit ‚Das geht ja noch‘. Das ist der Vorteil der stufenweisen Preisentwicklung. Wenn sich alles andere um 20 % erhöht und deine Preise nur um 10 %, dann ist das gut. Man darf es nicht überziehen, darf aber auch keine Angst haben, diese wichtigen Schritte zu gehen.

„Das ist ein Friseur-Reflex, sich vermeintlich für alles entschuldigen zu müssen.“

Redet ihr proaktiv darüber?
MK:
Nein, wir müssen uns doch nicht rechtfertigen. Der Supermarkt schreibt auch nicht an seine Fensterfront, dass die Butter jetzt 30 % mehr kostet. Das ist ein Friseur-Reflex, sich vermeintlich für alles entschuldigen zu müssen. Nein, müssen wir nicht!

„Das ist das Grundprinzip der Inflation.“

Das ist ein guter Vergleich. Es ist noch eine andere Entwicklung zu beobachten, viele Friseurunternehmer meinen nun mehr anbieten zu müssen. Wie siehst Du das?
MK:
Man bekommt doch nirgends mehr als vorher und ich kann auch nicht immer ein „mehr“ bieten. Wir dürfen natürlich fachlich nicht schlechter werden. Aber das, was wir gestern gemacht haben, das verkaufen wir heute teurer. Das ist das Grundprinzip der Inflation. Rückblickend hat unsere Branche hier einen großen Fehler gemacht.

Welchen Fehler?
MK:  
Das Friseurhandwerk hat es verpasst, seine Preise seit den 90ern konsequent zu entwickeln. Im Gegenteil, man hat sich noch gegenseitig auf die Schultern geklopft, weil man die Preise gehalten hat. Wenn wir die Entwicklung des Branchen-Preisniveaus mit dem allgemeinen Verbraucher-Preis-Index der letzten 30 Jahre vergleichen, dann liegt unsere Branche weit zurück. Weder Preise noch Löhne haben sich angepasst und das rächt sich heute.

Und wie kommen wir da wieder raus?
MK:
Wir haben doch in der Pandemie gelernt, wie emotional wichtig der Friseur ist. Wir sind relevant! Und wir dürfen nicht vergessen: Wir sind eine der wenigen noch immer „menschlichen“ Branchen in einer immer stärker digitalisierten Welt. Der in anderen Branchen immer seltener werdende persönliche Kontakt, das ist unsere Stärke. Wir erbringen eine für den Kunden wichtige Dienstleistung, die auch nicht einfach jemand anderes machen kann. Lasst uns darauf fokussieren, weshalb der Kunde zu uns kommt.

Lieber Michael, ich danke dir für dieses Gespräch und deine Sichtweise.