08.01.2025
Jährlich mehr als 1.000 Ausnahmebewilligungen im Friseurhandwerk
Kein Salon ohne Meisterbrief – so die Regel im Friseurgewerbe. Allerdings gibt es Ausnahmefälle. Doch wie viele Ausnahmebewilligungen gibt es wirklich? Unter welchen Voraussetzungen werden sie vergeben und wie werden die Fähigkeiten geprüft?
Der Friseurberuf ist ein zulassungspflichtiges Handwerk. Damit gilt die Regel, keine Saloneröffnung ohne Meister (im Betrieb). Für die Eintragung in die Handwerksrolle, und damit die Gestattung zur selbständigen Tätigkeit, gibt es jedoch unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmebewilligungen und Ausübungsberechtigungen, die erteilt werden können. Diese Ausnahmen werden besonders im Zusammenhang mit „Billig Salons“ und der Barbershop-Thematik häufig ins Gespräch gebracht.
Die Anzahl der erteilten Ausnahmebedingungen hält sich seit 2015 mit minimalen Schwankungen konstant. 2023 wurden 1.050 Ausnahmebewilligungen und Ausübungsberechtigungen erteilt. 4,6% der Ausnahmebedingungen wurden in Verbindung mit EWR-Bürgern nach §9,1 erteilt. Knapp ein Drittel der Ausnahmen wurden an Gesellen mit mindestens 4 Jahre leitender Stellung im Salon erteilt und lediglich eine Ausübungsbewilligung für einen Betreiber eines anderen Handwerks. Die Mehrheit, 62,5%, der erteilten Ausnahmen sind auf §8 der HwO zurückzuführen. Ob diese für das Friseurhandwerk ganzheitlich, auf Teilbereiche und gegebenenfalls auf welche dieser beschränkt, erteilt wurden, wird nicht erhoben. Es lässt sich also nicht klar sagen, dass diese mehrheitlich Teilbewilligungen zum Herrenfriseur darstellen.
Ausnahmebewilligungen nach Handwerksordnung
Ausübungsberechtigung nach §7a Handwerksordnung
Betreiber eines anderen zulassungspflichtigen Handwerks können eine Ausübungsberechtigung für das Friseurhandwerk oder wesentliche Tätigkeiten dieses Gewerbes erhalten, wenn die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen sind. Dabei sind auch bisherige berufliche Tätigkeiten und Erfahrungen zu berücksichtigen.
Ausübungsberechtigung nach §7b Handwerksordnung
Wer einen Gesellenbrief oder eine Gleichwertigkeitsfeststellung im Friseurhandwerk, oder einem verwandten Handwerk erhalten hat und im entsprechenden zulassungspflichtigen oder verwandten Handwerk eine Tätigkeit von insgesamt 6 Jahren, davon 4 in leitender Stellung, ausgeübt hat, kann eine Ausübungsberechtigung nach §7b erhalten, wenn die ausgeübte Tätigkeit zumindest wesentliche Tätigkeiten des Friseurhandwerks umfasst hat.
Ausnahmeberechtigung nach §9,1 Handwerksordnung
Bürger der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums, oder der Schweiz, die das entsprechende Gewerbe unterhalten oder wesentliche Tätigkeiten des im Inland zu betreibenden Friseurhandwerks ausgeübt haben, können eine Ausnahme Bewilligung nach §9,1 erhalten.
Ausnahmebewilligung nach §8 Handwerksordnung
Wenn die für das Friseurhandwerk notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen werden können, kann in Ausnahmefällen eine Ausnahmebewilligung nach §8 erteilt werden. Diese kann unter Auflagen, Bedingungen oder befristet erteilt werden, und ebenfalls auf einen wesentlichen Teil der Tätigkeit beschränkt werden.
Ausnahmegrund: Unzumutbare Belastung
Für die Entscheidung, was als Ausnahmefall gilt, sind die Handwerkskammern zuständig. Für eine möglichst bundeseinheitliche Auslegung gibt es in Deutschland Anwendungshinweise, die von den Handwerkskammern bei der Entscheidung zu beachten sind. Danach wird unterschieden, ob die Ablegung der Meisterprüfung eine unzumutbare Belastung darstellt.
Ein Beispiel für diesen Härtefall ist, laut Handwerkskammer für München und Oberbayern, wenn der Antragssteller das 47. Lebensjahr erreicht hat. Ab Erreichen dieser Altersgrenze darf selbst entschieden werden, ob man die Meisterprüfung ablegen möchte oder eine Ausnahmebewilligung beantragt. Die Altersgrenze von 47 Jahren kann in Einzelfällen jedoch auch herabgesetzt werden.
Weitere Ausnahmegründe, die der Handwerkskammer für München und Oberbayern nach, in Betracht kommen sind die Gelegenheit einer Betriebsübernahme, besondere familiäre Belastungen, gesundheitliche Gründe oder einschlägige Ausbildungsnachweise.
Wenn also eine solche unzumutbare Belastung vorliegt, kann der Nachweis der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten durch langjährige Berufspraxis erbracht werden. Hierfür werden laut Handwerkskammer primär Arbeitszeugnisse und Bestätigungen (früherer) Arbeitsgeber berücksichtigt. Die Teilnahme an Seminaren und Schulungen wird ebenfalls berücksichtigt. Wenn ein Nachweis auf diese Weise nicht erbracht werden kann, kann auch eine Sach- und Fachkundeprüfung abgelegt werden.
Barber-Shops und Ausnahmebewilligungen
Nicht nur bei den Ausnahmebewilligungen wird nicht unterschieden. Laut Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks wird seit den 90er-Jahren statistisch nicht mehr zwischen Friseursalon und Barber-Shops differenziert. Alle in die Handwerksrolle eingetragenen Friseurbetriebe werden nicht nach Damen- oder Herrensalons getrennt gelistet. Daher ist es nicht möglich eine konkrete Anzahl an Herrenfriseuren, Barber-Shops oder gar solchen mit Ausnahme- oder Teilbewilligungen zu ermitteln. Neben „gekauften Betriebsleitern“ und fehlenden Kontrollen heißt es auch des Öfteren, dass die rasant wachsende Menge an „billig“ Barber-Shops und der Qualitätsverlust auch durch die angeblich laxe Verteilung der Ausnahmebewilligungen, gefördert würde. Diese Aussage lässt sich jedoch weder bestätigen noch verneinen.
Selbst unter der Annahme, dass ein Großteil dieser Ausnahmebewilligungen nach §8 für den Teilbereich Herrenfriseur ausgestellt werden, müssen hierzu Fertigkeiten und Kenntnisse durch langjährige Berufserfahrung, Schullungen oder Ablegung von Prüfungen nachgewiesen werden. Eine Ausbildung ob Geselle oder Meister zum Herrenfriseur gibt es nicht. Der Beruf erlebt jedoch seit den 2010er Jahren ein Revival.
Meistertitel versus Ausnahmen
Diesen 1.050 Ausnahmebewilligungen stehen 1.764 erhaltene Friseurmeistertitel im Jahr 2023 gegenüber.
Talk am Zukunftskongress: Die Zukunft der Friseurausbildung
Ist die Friseur-Ausbildung noch zeitgemäß? Und wenn nein, was wären Alternativen?
Innung, Auszubildende, Friseurunternehmer und -unternehmerinnen diskutieren mit uns und euch am 27.Januar 2025 beim Zukunftskongress in Berlin!