

31.10.2024
"Eine temporäre Absenkung der Mehrwertsteuer wird an uns nicht scheitern"
Wie steht die Opposition zu den Herausforderungen des Friseurhandwerks? Wir sprachen mit Julia Klöckner MdB, wirtschaftspolitischer Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und stießen auf Verständnis: "Die Politik muss Rahmenbedingungen so gestalten, dass mit dem Friseurhandwerk Geld verdient werden kann."
Raphaela Kirschnick im Gespräch mit Julia Klöckner MdB, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Rahmen der LIV Friseure & Kosmetik Rheinland Mitgliederversammlung am 28.10.2024
Das Friseurhandwerk leidet unter einer fiskalischen Zweiklassengesellschaft. Mehrwertsteuer ist dabei mittlerweile ein preisbildender Kostenfaktor, den über 30% der Friseurbetriebe als Kleinunternehmen nicht haben. Dafür steht seit Jahren die Forderung der Mehrwertsteuerreduktion auf 7% im Raum. Wie stehen Sie dazu?
Julia Klöckner: Es ist klar, dass die wirtschaftliche Situation von Friseurinnen und Friseuren äußerst angespannt ist. Nach mehreren Lockdowns während Corona, den 2022 stark gestiegenen Energie- und Verbrauchsgüterpreisen und nunmehr einem Arbeits- und Fachkräftemangel sind viele Saloninhaber und ihre Mitarbeiter erschöpft. Was im Friseurgewerbe beispielhaft zu sehen ist, betrifft jedoch auch andere Branchen in vergleichbarem Umfang. Es gilt zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung derzeit versucht, ein strukturelles Haushaltsdefizit von annähernd 20 Mrd. Euro zu schließen, und bisher weiterhin unklar ist, wie sie für das Jahr 2025 einen verfassungskonformen Haushalt aufstellen möchte. Immer noch gilt der Grundsatz, dass die öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern auch weiterhin finanzierbar bleiben müssen. Wenn der Bundesfinanzminister einen überzeugenden Finanzierungsvorschlag vorlegt, wird eine temporäre Absenkung der Mehrwertsteuer auf Friseur-Dienstleistungen an uns nicht scheitern.

Nur noch 10% der Betriebe bilden aus, Tendenz weiter sinkend. Mehr und mehr Betriebe wollen sich Ausbilden nicht mehr leisten. Alternativen zur Dualen Ausbildung gibt es kaum und werden immer wieder im Keim erstickt. Woher sollen denn die Fachkräfte von morgen kommen?
Julia Klöckner: Ausbildung ist ein Kernbestandteil unseres Wirtschaftssystems. Es muss attraktiv sein für Betriebe, die Ausbildung selbst bei sich anzubieten. Die Praxiserfahrung, die in einem Betrieb gesammelt wird, ist für professionelle Dienstleistung entscheidend. Viele Menschen vertrauen der Friseurin oder dem Friseur ihr Erscheinungsbild an. Das ist ein großer Vertrauensvorschuss, dem die Branche durch ausreichend Praxiserfahrung im Handwerk, aber auch im täglichen Umgang mit Menschen entspricht. Damit sich für die Ausbildung wieder mehr Menschen interessieren, müssen Wirtschaft und Politik die Attraktivität erhöhen. Die Branche ist in der Pflicht, für die Ausbildung und das eigene Berufsbild zu werben, um sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Die Politik muss die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sich Ausbildungen lohnen sowie Unternehmen dadurch keine Nachteile und noch mehr Bürokratieaufwand haben.
Friseure sind nicht digitalisierbar, nicht automatisierbar, profitieren nicht von Globalisierung und auch nicht von Synergien, Subventionen oder Förderungen gibt es nicht, auch keine Entlastungen. Wie kann zukünftig die Arbeit von Menschen an Menschen leistbar bleiben und sich dennoch wirtschaftlich selbst erhalten? Welche Chancen sehen Sie für das Friseurhandwerk?
Julia Klöckner: Die Tätigkeiten, die in professionelle Hände gegeben werden, nehmen zu, um sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Deshalb sprechen Experten häufig davon, dass sich gerade die westlichen Gesellschaften immer mehr zu Dienstleistungsgesellschaften entwickeln. Ich bin davon überzeugt, dass in Zeiten digitaler Austauschformate und Home-Office die persönliche Begegnung relevant bleibt. Die Menschen erkennen den Wert dessen: Ob das beim Bäcker am frühen Morgen zum Aufwachen ist, beim Massagestudio, um sich etwas zu gönnen, oder beim Friseur, um gut und gepflegt auszusehen. Die Bedeutung von Friseuren wird erhalten bleiben.
"Die Politik muss aber im Gegenzug die Rahmenbedingungen so gestalten, dass mit dem Friseurhandwerk Geld verdient werden kann."
Als Politikerin kann ich kein Unternehmen führen. Am Ende müssen die Unternehmer und Unternehmerinnen vor Ort entscheiden und vielleicht auch mit Zuversicht sowie neuen Ideen etwas wagen. Die Politik muss aber im Gegenzug die Rahmenbedingungen so gestalten, dass mit dem Friseurhandwerk Geld verdient werden kann. Das kann von Steuererleichterungen für die gesamte Wirtschaft, über Bürokratie bis hin zur Sicherung des fairen Wettbewerbs gehen. Letzteres bedeutet in der Friseurbranche ein konsequentes Vorgehen gegen Schwarzarbeit. Denn es kann nicht sein, dass der Ehrliche, der Dumme ist. Es ist Kernaufgabe des Staates, Schwarzarbeit zu unterbinden. Sonst entstehen unfaire Wettbewerbsvorteile, die für Verdrängung auf dem Markt sorgen. Der Staat muss hier seiner Aufgabe nachkommen, anstatt Ressourcen für unnötige Bürokratie aufzuwenden, die unsere Unternehmen belastet.
Die CDU-Fraktion hat 2023 das Thema "Mutterschutz für Selbstständige" in den Bundestag eingebracht. Auch aus NRW wurde hierzu eine Bundesratsinitiative gestartet. Nach unserem Kenntnisstand hat die Bundesregierung das Ansinnen abgelehnt. Wie ist heute der Standpunkt der CDU zu diesem Thema und wie ist das weitere Vorgehen geplant?
Julia Klöckner: Der Antrag zum Mutterschutz für Selbstständige liegt mir sehr am Herzen. Es ist eine Schande, dass die Ampel in dieser Frage nicht nur die Zustimmung versagt, sondern scheinbar gar keinen Impuls für eigene Vorschläge aus dem Antrag mitnimmt. In der Opposition können wir den Finger in die Wunde legen und Vorschläge für bessere politische Rahmenbedingungen liefern. Die Entscheidungen trifft die Bundesregierung. In der Union bereiten wir uns darauf vor, dass wir zukünftig wieder mehr Verantwortung für das Land übernehmen dürfen. Deshalb werbe ich dafür, dass wir die Vorschläge für besseren Mutterschutz auch im Wahlkampf und darüber hinaus Raum aufnehmen. Es ist mir ein Anliegen, dass gerade Frauen, die sich für die Selbstständigkeit oder Gründung entscheiden wollen, nicht durch Schwangerschaft und Familie abgehalten werden.
Wir bedanken uns für das Gespräch und