Doris Ortlieb mit ihren konkreten Forderungen an die Politik auf dem Parteitag der SPD am 12. November in Amberg | Credit: Friseure Bayern / Facebook

28.11.2022

Doris Ortlieb: Politik darf mittelständische Betriebe nicht abschreiben

Die Geschäftsführerin der bayerischen Friseure Doris Ortlieb unterwegs auf Parteitagen und in direkten Gespräch mit Politikern - unser Recap-Talk ...

Erstmals nutzte die Geschäftsführerin der bayerischen Friseure gemeinsam mit der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) die Parteitage der SPD, CSU, FDP und von Bündnis 90/Die Grünen sowie der Freien Wähler für ihre Verbandsarbeit. Innerhalb dieses politischen Marathons hatte Doris Ortlieb die Möglichkeit, Gespräche und Diskussionen mit politischen Entscheidungsträgern zu führen und das offizielle Forderungspapier „Wir müssen reden“ zu überreichen und zu erläutern.

Die Forderungen des LIV Bayern an die Politik zum Download

Auch wir wollten reden: über die Forderung nach 7 Prozent Umsatzsteuer, die Abschaffung des Reisegewerbes, die Bekämpfung der Schwarzarbeit… 

Im Gespräch mit Katja Ottiger

„Wir bleiben unangenehm. Mit Absagen darf man sich nicht zufriedengeben.“

Frau Ortlieb, wie reagieren Politiker auf das Friseurhandwerk?
Doris Ortlieb: Es ist Verständnis da, sinngemäß: Friseure haben in der Corona-Zeit schwer gelitten und sind nun von den Energiepreisen stark belastet. Meine Aufgabe ist es, auf weitere Probleme aufmerksam zu machen, wie Schwarzarbeit, Ausnahmebewilligungen, Reisegewerbe, Lohndumping, die Preise am Markt und unsere Forderung nach 7 Prozent Umsatzsteuer. Wir müssen bei der Politik viel Aufklärungsarbeit leisten und politischen Entscheidungsträgern die Zusammenhänge erklären.

Glauben Sie noch an die UST-Reduktion?
DO:
In der Verbandsarbeit lernt man zu akzeptieren, dass politische Arbeit selten schnelle Erfolge erzielt. Das spüren alle, die sich beispielsweise für den reduzierten Umsatzsteuersatz stark machen. Selbst Katja Hessel, Staatsekretärin der Finanzen im Bund, die ich daraufhin angesprochen habe, macht uns kaum Hoffnung. Aber wir bleiben laut und unangenehm. Mit Absagen darf man sich nicht zufriedengeben und muss stattdessen die Gründe der Absagen aufnehmen und in die nächste Argumentation einbinden. Jeder Politiker, bei dem ich Verständnis erlange, ist ein kleines Steinchen auf dem Weg zum Erfolg. 

„Die reduzierte Umsatzsteuer ist ein einfaches Instrument, den Abstand zwischen Schwarzarbeit und Betrieben zu verringern.“

Einen ersten Erfolg haben Sie erreicht, der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) befürwortet die Reduzierung der UST auf Friseurdienstleistungen (►imSalon berichtete)!
DO:
 Wir alle wissen, das Friseurhandwerk steht vor gewaltigen Veränderungen, die bereits sichtbar sind; die Branche atomisiert sich. Und die Politik darf mittelständische Betriebe nicht einfach abschreiben und sterben lassen! Und die Politik darf nicht akzeptieren, dass es in einer ganzen Branche Schwarzarbeit in nennenswertem Umfang gibt. Es müssen Instrumente geschaffen werden, dem entgegenzutreten. Die reduzierte Umsatzsteuer ist eine einfache Lösung, den Abstand zwischen Schwarzarbeit und größeren Betrieben mit Mitarbeitern und Auszubildenden zu verringern.

Sie fordern die Abschaffung des Reisegewerbes für das Friseurhandwerk. Warum?
DO:
Seit 2003 benötigt man keinerlei Qualifikationsnachweis, um sich im Reisegewerbe selbstständig zu machen. Man kann also von Tür zu Tür ziehen und Dienstleistungen anbieten. Das ist praktisch nicht zu überprüfen und ein tolerierter Graubereich, der es ermöglicht, sich jeglicher Kontrolle zu entziehen und der mit geringer oder gar keiner Qualifikation betrieben werden kann. Leider wurde auch vonseiten der Arbeitsagenturen aktiv dahingehend beraten, dass man sich als Gesellin oder Geselle selbstständig machen könne. Aber jeder Haarschnitt, der nicht in einem Salon erbracht wird bzw. von einer Friseurin oder einem Friseur, die/der auf Basis der Handwerksordnung arbeiten, ist ein Umsatz, der ansässigen Betrieben fehlt.

„Wir haben mit Zollbeamten gemeinsame Kriterien aufgestellt …“

Reden wir über Schwarzarbeit. Wie arbeiten Sie mit der Finanzkontrolle zusammen?
DO: Wir haben die Zusammenarbeit mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit vor 14 Jahren aufgegriffen und gemeinsam mit den Zollbeamten Kriterien aufgestellt, ab wann in einem Salon möglicherweise etwas nicht „in Ordnung“ ist. Diese beginnen bei der Preisgestaltung und enden bei Geldwäsche. Inzwischen gibt es ein zentrales Meldesystem auf Bundesebene, in das wir als Innungen Verdachtsfälle einspeisen können. Allerdings betrifft das Instrument in erster Linie Salons und nicht die Kontrolle im privaten Bereich. In unseren Augen muss hier das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz geändert werden, auch wenn Juristen gern mit der „Unverletzlichkeit der Wohnung“ argumentieren.

Womit glauben Sie, werden Sie Erfolg haben?
DO:
Das ist immer die leichte Frage: Was ist dabei herausgekommen? Es wäre schön, wäre Verbandsarbeit so einfach: Ein Gespräch und schon kann ich einen Erfolg nachweisen! In der Politik muss man mit täglichem Misserfolg leben. Es ist immer wieder ein Sondieren und Argumente erweitern. Ich weiß, dass unsere Forderungen die richtigen sind und meine Aufgabe ist es, die anderen davon zu überzeugen.

Im Jahre 2009 habe ich beim Reisegewerbe angefangen, bis ich in zwölf Jahren in Rente gehe, möchte ich das Thema erledigt haben. Oder nehmen wir die 7% Umsatzsteuer! Auch, wenn Politiker sagen, es sei jetzt ein schlechter Zeitpunkt, denke ich, der Zeitpunkt ist genau richtig: Für den Mittelstand müssen Ausnahmen gemacht werden! Auch wenn es immer heißt, für Friseure können wir das nicht machen, werden Ausnahmen in anderen Branchen ständig gemacht. Wir müssen laut bleiben und dürfen nicht einknicken. Diese 7 Prozent sind eine gerechtfertigte Forderung und Hilfestellung für einen leidende Branche.

Sie sind seit 22 Jahren im Landesinnungsverband. Was haben Sie rückblickend erreicht?
DO:
  Wir konnten 2003 bei der Änderung der Handwerksordnung erreichen, dass die Meisterprüfung Regelvoraussetzung für die Selbstständigkeit im Friseurhandwerk bleibt. Das liegt lange zurück, aber war ein großer wichtiger Meilenstein. Aber auch „Kleinigkeiten“ wie die Umsatzsteuerfreigrenze, die auf 50.000 Euro gesetzt werden sollte und mit derzeit 22.000 Euro weit darunter liegt. Ein solcher Anstieg hätte fatale Auswirkungen auf die Branche gehabt. Und auch, was in der Coronazeit verhindert und erreicht wurde, mit den Öffnungen und den Bedingungen, unter denen gearbeitet werden durfte.

Abschließend: Parteitage – warum lohnt es sich, hinzugehen?
DO:
Weil wir dort Politiker aller Ebenen erreichen können, vom Landrat und Bürgermeister bis hin zum Landtags- oder Europaabgeordneten. In dieser geballten Form hat man das sonst nirgends und die Diskussionen und Kontakte sind sehr wertvoll. Aber auch erst der Anfang. Wenn die Gespräche geführt, Visitenkarten und Themen gesammelt sind, geht die Arbeit erst richtig los.