Credit: Kao Salon Division

03.06.2022

Dominic Pratt: Wir bei Kao müssen lauter werden

Der neue Global President der Kao Salon Division kommt aus der Forschung und Entwicklung und kennt die Tücken der Regulatorien. Welche es bei Haarfarben gibt, warum Luxus wichtig wird und weshalb Kao weniger bescheiden werden muss im Brancheninterview der Woche…

Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick beim Businesskongress  mbe 2022 auf Rhodos

Sie kommen aus der Forschung und Entwicklung und haben Einblicke in die kommenden Innovationen. Haben Sie einen kleinen Sneak Peek für uns?
Dominic Pratt:
Natürlich ist es schwer zu sagen, was kommt, weil das immer ein kleines Geheimnis bleiben sollte, aber generell wollen wir mit unseren Innovationen Mehrwert für die Salons und die Stylisten schaffen. In der Vergangenheit haben wir mit @Pure Pigments, einem Projekt, an dem ich jahrelang gearbeitet habe, etwas geschaffen, mit dem man auf einfache Weise einen hochwertigeren Service anbieten kann, mit dem sich sowohl die Kundenzufriedenheit als auch der Umsatz steigern lassen. Dieses Jahr haben wir mit Colorance Gloss Tones ähnliche Zeichen gesetzt. In dieser Richtung wollen wir auch in Zukunft Akzente setzen und unsere Salonpartner unterstützen.

Gibt es neben Haarfarbe auch andere Bereiche, in denen wir Innovationen erwarten dürfen?
DP:
Natürlich, Kerasilk wird im nächsten Jahr komplett gerelauncht.

Relaunch ist das eine, aber inwiefern kann es im Pflegebereich noch echte Innovationen geben?
DP:
Innovation ist sicher in anderen Bereichen wie etwa Haarfarbe immer etwas deutlicher sichtbar. Aber auch in den Kategorien Pflege und Styling kann man immer wieder neue Impulse bringen. Unser Ziel ist es, Farbe mit unseren Retailmarken aufzuwerten und den perfekten Service zu ermöglichen.

"Mittlerweile sind Haarfarbstoffe die meist getesteten, sichersten Inhaltsstoffe im kosmetischen Bereich."

Sie heben die Bedeutung von Farbe hervor. Wie geht es mit der Entwicklung von Farben und Farbstoffen weiter?
DP:
Ich bin sehr froh, dass Sie das fragen! Ich habe jahrelang an der Sicherheit von Haarfarbstoffen geforscht. Gemeinsam mit unseren Mitbewerbern haben wir eng mit der EU-Kommission zusammengearbeitet. Mittlerweile sind Haarfarbstoffe die meist getesteten, sichersten Inhaltsstoffe im kosmetischen Bereich. Wir haben in diesem Bereich sehr viel investiert. Die Sicherheit wurde auch von der EU bestätigt. Haarfarben sind sicher, wir erwarten keine großen Probleme mit Farbstoffen in der Zukunft. Wir sind aktiv in allen Verbänden vernetzt und können so früh auf Informationen reagieren.

Es gibt jedoch immer wieder Meldungen und Gerüchte, dass gewisse Pigment-Rohstoffe auf die Rote Liste kommen und plötzlich nicht mehr verwendbar sind? Ist da etwas dran?
DP:
Stand heute würde ich sagen nein. Wir haben alles auf dem neuesten Stand der Technik, aber natürlich kann der sich ändern oder leider können auch politische Gründe hineinspielen. Aber meines Wissens fällt im Haarfarbenbereich kein wichtiger Rohstoff weg.

Japan hat eine ganz andere Regulierung und damit andere Farbstoffe im Einsatz, wird das so bleiben?
DP:
Das ist eine generelle Herausforderung, dass überall in der Welt andere sogenannte ‚Positive Listen‘ existieren. Japan hat eine eigene und das macht es schwer, deswegen können wir nicht eine Formulierung überall in der Welt einsetzen. China ist wieder anders. Aber in Europa, USA, Australien und in 90 Prozent von Asien, kann man eine globale Formulierung nutzen.

Wie lassen sich Haarfarbe und Nachhaltigkeit vereinbaren?
DP:
Da gibt es viele Ansätze, wir machen bereits viel in diesem Bereich und glauben fest daran, dass sich unser Topchic Depot Dosen System gut für Nachhaltigkeit eignet, weil weniger Produkt verschwendet wird und das Aluminium recycelt werden kann. Wir machen viel im Bereich Produktion, nutzen nur grüne Energie und versuchen generell so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen. Für die Formulierungen nutzen wir so viele nachhaltige Rohstoffe wie möglich. Colorance ist unser erstes zertifiziertes klimaneutralisiertes Produkt. Stand heute können wir nicht mit null ökologischem Fußabdruck produzieren, aber wir wollen die nicht vermeidbaren Emissionen ausgleichen.

Gestern haben wir viel von Dr. Elmar Mussenbrock gehört und waren überrascht, was alles möglich ist und Kao auch bereits tut. Viele Friseure meinten im Anschluss. ‚Warum sprecht ihr darüber denn nicht mehr‘! Warum denn nicht?
DP:
Wenn ich einen Euro hätte für jedes Mal, wenn ich das höre (lacht). Wir sind sehr bodenständig und wollen immer auf Augenhöhe mit unseren Kunden sein, dadurch sind wir wahrscheinlich zu bescheiden. Das ist das Gleiche mit Farbe, ich höre von unseren Kunden oft, wir hätten die beste Farbe auf der Welt, warum wir das nicht noch proaktiver kommunizieren. Da müssen wir lauter werden und das auch noch besser bei den Endverbrauchern verankern.

Wo möchten Sie sich noch Ziele setzen?
DP:
Ich bin der Meinung, wir sollten uns auf unsere Stärken fokussieren und haben drei Eckpfeiler für unsere Strategie definiert. Ein Fokus liegt auf Farbe, da haben wir tolle Produkte, die Mitbewerber nicht haben, wie @Pure Pigments, die Gloss Tones von Colorance, das Topchic Depot Dosen System. Unser Ziel ist es, uns als der Farbenexperte Nr. 1 in der Welt zu etablieren. Das Zweite ist der Luxusbereich mit Oribe. Wir haben in den USA einen Riesenerfolg und wollen diese Begeisterung jetzt auch gezielt nach Europa bringen. Der dritte Punkt ist Education, Events und Unterstützung für unsere Kunden.

Bei welcher der vier Marken im Portfolio, KMS, Goldwell, Varis und Oribe, sehen Sie das größte Potenzial?
DP:
Unsere Wachstumspotenziale sehen wir im Bereich Goldwell Farbe und darin, Oribe in Europa flächendeckend zu etablieren. Dabei gibt es auch einige Synergien zwischen den beiden Marken.

Um KMS ist es ruhig geworden? Wird es die Marke weiterhin geben?
DP:
KMS kommt bei unseren Kunden gut an. In meinen ersten 6 Monaten habe ich die Kernstrategie für unser Markenportfolio entwickelt. Den Marken Varis und KMS werden wir uns künftig verstärkt widmen.

Auch die Digitalisierung ist bei Kao zentrales Thema
DP:
Wichtig ist, dass man versteht, dass wir keine Leute ersetzen wollen, weil in unserer Branche der persönliche Kontakt besonders wichtig ist. Wir wollen das Digitale nutzen, um den Friseuren das Leben zu erleichtern, dass sie sich auf ihre Kund*innen fokussieren können. Spezielle Geräte, mit denen man messen kann, wie viel Wasser oder Strom man verbraucht, können zum Beispiel dabei helfen, nachhaltiger zu werden. Da gibt es unendliche Möglichkeiten. Der echte Kontakt mit unseren Kunden bleibt unser Lebenselixier, ohne das können wir unsere Ziele nicht erfüllen.

"Alle Herausforderungen werden irgendwann zu einer Chance."

Die Branche fühlt sich immer noch vom Digitalen bedroht. Wie kann man diese Angst nehmen?
DP:
Wir sollten Digitalisierung und E-Commerce als Teil der Digitalisierung als Chance verstehen, denn beides hilft uns direkt mit Endverbrauchern zu reden und sie zurück in den Salon zu bringen. Auch beim Digitalen gibt es viele Möglichkeiten, die Branche effektiver und profitabler zu machen und auch mehr Spaß in die Ausbildung zu bringen. Die nächste Generation von Stylisten wird nicht kommen, wenn es so weiter geht, wie bisher. Die Digitalisierung wird hier Schlüssel sein. Das ist etwas Gutes, denn alle Herausforderungen werden irgendwann zu einer Chance.

Das ist ein schöner Schlusssatz, vielen Dank Dominic und weiterhin viel Erfolg!