04.07.2024
Auf Trendschau: Warum Rapper Barbershops eröffnen
In den letzten Jahren hört man immer wieder von Rappern, die Barbershops eröffnen. Wir sind der Frage nachgegangen, wie das zusammenpasst...
Rap und Hip-Hop waren immer schon nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein kulturelles Phänomen. Rapper sind heute mehr als nur Musiker, sie sind Modeikonen, Influencer und nicht zuletzt auch Unternehmer, die abseits der Musikindustrie satte Einnahmen lukrieren. Eigene Modelabels, Schmuck, Pflegeprodukte, Tabaksorten, Getränke, Tattoostudios – die Geschäftszweige reichen weit und die Reaktionen der Fans sind nicht immer positiv, wenn die Produkte zu ähnlich sind.
Der neue Vermarktungstrend in der Rapszene dürften nun Barbershops und Friseurläden sein - doch wie geht ein Handwerk und Musik zusammen?
Rapper und ihre Barbershops – ein paar Beispiele
Berühmtester Vertreter dürfte RAF Camora mit seinen beiden Salons "R. / TATTOO X BARBER" in Salzburg und Wien sein (@r.tattoo.barber), die mit 5m hohen Decken und einem genialen Mix aus Altbau und Industrial optisch kaum zu toppen sind. Hier ist hohe Qualität am Start.
Raf Camora erzählt im OMR Business-Podcast über seine zahlreichen Sidebusinesses, dass es ihm Erfüllung und Selbstverwirklichung gibt, diese groß und erfolgreich zu machen. In einem Forbes-Interview sagt er zu seiner Motivation: „Beim Tattoo- und Barbershop dachte ich, dass ich das mit links mache. Da habe ich zu Beginn aber richtig ins Klo gegriffen und viel Geld verbrannt. Da wusste ich: Schuster, bleib bei deinen Leisten!“, woraufhin er die Salonleitung an Tattoo-Artist Moritz Sageder übergab und seither, eigenen Angaben zufolge, Umsätze im Millionenbereich macht.
Ein weiterer Vertreter der Rapper-Barbershops ist Samras „Cutaleya“, ebenfalls sehr stylish, und wegen Vorfällen mit Schlusswaffengebrauch in den Berliner Tageszeitungen vertreten (@cutaleya.hairsalon). Bojan eröffnete erst kürzlich sein 200m² „Babylon“ in der berüchtigten Dortmunder Nordstadt und sorgte an dem Tag für Schlagzeilen mit Verletzten, Verkehrschaos und Polizeieinsatz – der Andrang war zu groß (@babylon_hairsalonbybojan). Bonez MC hat angekündigt in seinem Hamburger „Murder Ink“ auf 2 Ebenen auch Friseurdienstleistungen anbieten zu wollen, bisher bleibt der fesche Laden auf Tattoos beschränkt.
Fast alle haben eins gemein: Sie sehen richtig cool aus und laden zum Abhängen ein. Die Preise bewegen sich durch die ganze Bandbreite von hochpreisig zu verstörend billig.
Doch wie passen Hip-Hop und Haarpflege zusammen?
Barbershops waren historisch immer schon soziale Knotenpunkte migrantischer Gemeinschaften. Hier hat man sich getroffen, um Neuigkeiten und Sorgen zu besprechen und um zu Verweilen. Vor allem in den USA haben viele Rapper eine enge Verbindung zu Barbershops, da sie selbst dort aufgewachsen sind und die Läden als wichtigen Teil ihrer Jugend verstehen. Viele, in schwierigen Verhältnissen aufgewachsene, später erfolgreiche Musiker, sehen in Barbershops ein Zuhause.
Der Schritt ins Kriminal ist hier oft ein kleiner - auch heute hängt sowohl um Barbershops, als auch Gangsta-Rap der Dunst von Illegalität. Grenzüberschreitungen gehören zur Inszenierung, Drogenhandel, Gewalt, Waffen und daraus entstandener Luxus werden glorifiziert. In Barbershops läuft es ähnlich, Schwarzarbeit ist da noch das Harmloseste – die Gerüchteküche brodelt in Richtung mafiöser Strukturen und Geldwäsche. Die Billigpreise vieler Salons lassen vermuten, dass der Haarschnitt nicht die einzige Einnahmequelle sein kann. Die beiden Welten scheinen zu harmonieren - doch was ist echt und was nur Imagebildung?
Dazu kommt: Haare sind für alle Mode-Aficionados ein wesentlicher Bestandteil des Selbstbildes und der Imagebildung. Das ist in der Rapszene nicht anders und zum vorherrschenden Gangsta-Image passt ein Barbershop weit besser als Salon Susi.
Barbershops vereinen damit sehr vieles, das auch in der Rap-Welt wichtig ist: Eine Möglichkeit kulturellen Wurzeln zu pflegen, einen Platz um Gemeinschaft zu schaffen, die eigene Marke zu stärken, Style zu beweisen und ein neues Publikum zu erreichen.
Rechtslage: Wieso dürfen Musiker ohne Friseurausbildung überhaupt einen Salon eröffnen?
Ein Barbershop darf ohne Ausbildung und Meisterbrief eröffnet werden, solange darin ausschließlich am Barthaar gearbeitet wird. Für einen Friseursalon gilt eine Meisterpflicht, die nur umgangen werden kann, wenn eine Meisterin*Meister eingestellt wird, die im Salon tätig ist.
Für angestellte Mitarbeitende gilt zudem keine Ausbildungspflicht – wenn diese das Handwerk beherrschen und sie jemanden finden, der sie ohne Ausbildung anstellt, dürfen sie auch darin arbeiten.
Somit darf jeder, auch ohne einschlägige Ausbildung, einen Barbershop eröffnen und als Inhaber agieren.