

28.03.2025
15 EURO Mindestlohn - Diese Debatte kann das Friseurhandwerk nicht gewinnen
Emotional, moralisierend und mit verhärteten Fronten wütet die Mindestlohndebatte im Friseurhandwerk, ausgetragen auf allen Kanälen. Das Gefahrenpotential dabei ist enorm …
Kommentar von Raphaela Kirschnick
Die Diskussion über die Erhöhung des Mindestlohns im Friseurhandwerk verdeutlicht einmal mehr die komplexen Herausforderungen, vor denen unsere Branche steht. Es gilt, einen Ausgleich zu finden zwischen der berechtigten Forderung nach wertschätzender Entlohnung und der Sicherstellung der wirtschaftlichen Stabilität der Betriebe. Klingt simpel, wäre der Friseur nicht in den Argusaugen von Gesellschaft und Medien der Niedriglöhner der Nation. Dieses Image klebt an unserer Branche, die öffentlich geführte Debatte zum Mindestlohn zementiert es weiter.
Die Presse nimmt die Branchenmeldungen aktuell gerne auf und stürzt sich unisono auf die Frisur, die teurer wird, den Friseurmarkt, der sterben wird oder die niedrigst verdienende Friseurin, die von ihrem Geld nicht leben kann. Traurigerweise wird der Friseurberuf dabei immer wieder in einem Atemzug mit ungelernten Hilfsjobs genannt.
Die Angst der Unternehmen vor der unglaublichen Kostenexplosion und damit verbundenen Konsequenzen ist vollkommen verständlich, dennoch muss uns bei allem Klagen bewusst sein: Die Argumentation gegen den Mindestlohn kann bei den Menschen nur falsch ankommen, nämlich: Bist Friseur, verdienst nix.
Damoklesschwert Niedriglohn-Image
Friseure kratzen in den meisten Bundesländern am Mindestlohn, je nach Kollektivvertrag, wenn es diesen überhaupt gibt. Einkommensstatistiken geben leider auch kein besseres Bild ab. Journalisten beziehen sich auf Fakten und das bieten diese beiden Quellen.
Gefundenes Fressen also, denn so bleibt der Friseur als Sinnbild des am schlechtesten bezahlten Berufes weiter bestehen. Und wenn in den Medien, dann ist es gleich in Millionen Köpfen: Tagesschau … Niedriglohn … Bild vom Friseur … Bumm. Wie lange wollen wir da noch zusehen?
Es gibt unzählige Umfragen, die allesamt zum selben Ergebnis kommen: Nummer Eins Grund für die Ablehnung des Friseurberufes ist die niedrige Bezahlung. Mit der öffentlich geführten Mindestlohndebatte füttern wir dieses Negativimage mit heftigen Kalorien.
Kollektivvertragsschlamassel
Wir waten in einem gnadenlosen Kollektivvertragsschlamassel und niemand setzt dem ein Ende! Solange es keine Mitarbeitenden gibt, die für die Arbeitnehmerseite kämpfen, gibt es keinen Abschluss neuer Tarifverträge. Das fällt der Branche seit Jahren auf die Füße. In keinem Handwerk sind die Ausbildungsvergütungen so niedrig wie bei uns. In keinem anderen Handwerk ist der Azubischwund so massiv wie bei uns. Warum schraubt nicht endlich jemand an den Kollektivverträgen? Wege gäbe es!
Sollten wir nicht Einkommenstransparenz und Fakten schaffen, die eine neue Wertigkeit des Friseurhandwerks demonstrieren?
Loose/ Loose Situation
Ist es in einem Markt, der seit Jahren von einem elementaren Beschäftigungsschwund geprägt ist, angebracht, am Mindestlohn festzuhalten? Immer mehr renommierte Betriebe schließen, weil sie keine Beschäftigten finden, das muss uns doch zum Innehalten und Waagschale legen animieren.
„Wir zahlen eh weit über Tarif“, sagen einige Unternehmer, „Kann nicht vom Friseurgehalt leben“ sagt der Friseur.
Was stimmt den nun? Catch 22 Trinkgeld!
Einige Unternehmen zahlen längst mehr, aber eben nicht alle und statistisch ist das nicht erfasst. Sind es 50% der Betriebe oder 80% oder doch nur 20%? Keiner weiß das genau. In Jobinseraten liest man eher selten, was der echte Verdienst sein wird. Und wenn man als junger Mensch ergoogelt, was man im angestrebten Job verdienen würde, dann findet man klare Ansagen zum Friseurberuf, nämlich weniger als überall sonst.
Hinter vorgehaltener Hand wird dann gerne das überbordende Trinkgeld angepriesen. Reden will freilich niemand darüber, aus Angst, der Fiskus schnuppere eine neue Einkommensquelle. Dass in Krankheitsfällen, Urlaub oder der Rente das Trinkgeld keine Rolle spielt, wird dabei gerne verschwiegen.
Wenn man über Etwas nicht reden kann, dann gibt es Etwas auch nicht!
Wenn wir vom Niedriglohn-Image weg wollen, dann müssen echte Gehaltszahlen auf den Tisch, und zwar transparent und faktisch. Dann muss aber auch ein klares Nein zum Mindestlohn her, weil wir viel höher liegen sollten. Besser noch, wir wollen überhaupt nicht mit dem Mindestlohn vergleichbar sein.
Ein Haarschnitt muss leistbar bleiben! Muss er das? Und wenn ja, auf wessen Kosten?
Des Unternehmers? Des Mitarbeitenden? Des Staates?
Jeder fürchtet die Preisdiskussion wie der Teufel das Weihwasser, spricht von wegbleibenden Kunden, Schwarzarbeit, Salonsterben und weiteren Horrorszenarien. Haben wir diese nicht längst, aber aus ganz anderen Gründen?
Vielleicht wäre genau jetzt der richtige Zeitpunkt den Durchbruch zu schaffen und wie jeder andere Handwerker endlich klar zu kommunizieren, was eine Friseurstunde wert ist.
Ich frage mich, ob wir nicht endlich aus der in den Köpfen manifestierten 18,00 € Haarschnitt-Falle herausmüssen, so wie es Masseur, Installateur, Gärtner, usw. längst sind.
Ein unternehmerisches Debakel
Das harte Los in diesem ganzen Debakel hat freilich der Unternehmer, der wirtschaftlich in diesem Dilemma gefangen ist. Eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15,00 Euro würde einer Steigerung von etwa 17 % gegenüber dem aktuellen Mindestlohn von 12,82 Euro entsprechen. Für jeden Arbeitgeber fatal, es betrifft ja die gesamte Lohnstruktur und bei einem personalintensiven Dienstleister muss es sich eins zu eins auf die Preise niederschlagen.
Und dann würden wir uns weiterhin wieder "nur" auf Mindestlohnebene bewegen. Sollte unser Bestreben nicht sein, dass wir genau aus diesem Vergleich endlich herauskommen? Friseur und Mindestlohn sollten nie in einem Atemzug genannt werden!
Wahl zwischen Mindestlohn und Imageanstieg?
Wollen wir ein wertgeschätztes Friseurhandwerk, wo man gut verdient und angesehen ist? Und wenn ja, was muss dafür getan werden?
Oder wollen wir in einem personalintensiven Handwerk weiterhin Personalkosten so niedrig wie möglich halten und die Preise auch, weil wir unseren Kunden nicht mehr zumuten wollen?
Und wenn wir uns für letzteres entscheiden, dann in Kauf nehmen, dass sich der Trend der letzten Jahrzehnte fortsetzt und die Zahl an Kleinunternehmen und Solostylisten weiter zunimmt, bzw. immer mehr Friseure der Branche den Rücken kehren und vielleicht daheim noch ein paar Kunden mehr bedienen.
Kein Ausweg aus der Zwickmühle
Es gibt keine Auswege aus einer Zwickmühle! Die Branche ist gezwungen, sich für einen Weg zu entscheiden. Der Prozess wird schmerzhaft und es wird Verlierer geben, so oder so.
Dafür müssen wir endlich eine Frage beantworten: Wo wollen wir als Friseurhandwerk hin?
Solange wir darauf keine Antwort haben, sollten wir uns auf das fokussieren, wobei uns die Politik helfen muss, nämlich faire wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Und bis dahin sollten wir das Wort Mindestlohn möglichst weit weg vom Friseur verbannen.
Raphaela Kirschnick