Wilfried Lindloff, Geschäftsführer gw-cosmetics | Credit: Foto Wilke

26.02.2021

Wilfried Lindloff: Friseur darf sich Augenbrauen-/Wimpern-Service nicht wegnehmen lassen

Im heillosen Durcheinander der erlaubt unerlaubten Augenbrauen-/Wimpern Services herrscht Unsicherheit. Refectocil Chef Wilfried Lindloff erklärt weshalb diese Dienstleistung als Gewinner aus der Krise geht…

Wilfried Lindloff, Deutschland Geschäftsführer gw-cosmetics (Refectocil) im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Wie geht euch nach 12 Monaten nur teilweise erlaubter gesichtsnaher Behandlungen?
Wilfried Lindloff: Es geht uns gut. Das Thema Augenbrauen und Wimpern nimmt heute einen viel größeren Stellenwert ein als früher. Seit drei Jahren sind wir konstant im zweistelligen Bereich gewachsen.

Was hat das Wachstum gefördert?
WL:
Bis vor wenigen Jahren gab es ‚Augenbrauen- und Wimpernfärben“, das hatte die Sexyness eines Stahlträgers. Dann kam Brow-Styling, Brauen als Fashionstatement, man kann Featherbrows mögen oder nicht, aber die Kombination des Looks und der Haarfarbe mit den Brauen hat ein enormes Wachstumspotential geöffnet, sowohl beim Friseur als auch bei der Kosmetikerin.

Und in der Krise?
WL:
  Moderne Begriffe und Moderne Techniken, das ist das Erfolgsgeheimnis. Mit dem Wegfall von Kosmetiksalons und Friseuren ist auch die Dienstleistung total eingebrochen.

Was sind eure Vertriebskanäle?
WL:
Wir vertreiben klassisch über den Fachgroßhandel an Friseure und Kosmetiksalons und haben ausgewählte Onlinevertriebspartner, beispielsweise Hagel-Shop.

„Die Schwarzarbeit ist in den letzten Monaten explodiert, ganz sicher auch die Augenbrauen Dienstleistung.“

Endverbraucher?
WL:
Natürlich kann ich Endverbraucher nicht ausschließen. Auf unseren Produkten steht explizit ‚nur für die professionelle Anwendung‘. Aber das Online Geschäft hat in den vergangenen Monaten so extrem zugenommen, dass es für mich den Schluss zulässt, dass die Dienstleistung auch anderweitig gemacht wird. Die Schwarzarbeit ist in den letzten Monaten explodiert, ganz sicher auch die Augenbrauen Dienstleistung.

Die Durchführung der Brauen-/Wimpern-Dienstleistung wird in jedem Bundesland anders geregelt, von verboten bis erlaubt ist alles dabei. Was fordert ihr von der Politik?
WL:
  Wir fordern von Politik und auch vom Zentralverband die Dienstleistung Augenbrauen-/ Wimpernfärben als Friseurdienstleistung anzuerkennen. Einige Bundesländer wie Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Bayern (Link zur kompletten Übersicht in welchem Bundesland Augenbrauen/Wimpern Service erlaubt ist) sehen das auch so. Andere sehen das als Kosmetikdienstleistung. Einige verbieten es, weil Kosmetiksalons geschossen sind aufgrund von Gleichbehandlungsgrundsätzen. Wenn ich aber den Pony schneide, dann bin ich genauso dicht vorm Gesicht. Wenn es der Friseur nicht macht ist das Business weg.

„…Endverbrauchervolumen von 800 Mio. € Dienstleistungsumsatz in Deutschland“

Wie groß ist der Markt? Gibt es hierzu Zahlen?
WL:
Man unterschätzt das Volumen. Wir reden über einen Markt mit einem Endverbrauchervolumen von 800 Mio. € Dienstleistungsumsatz in Deutschland. Dem zugrunde liegt ein durchschnittlicher Dienstleistungsumsatz von 12 €, also eher niedrig. Seit 2017 wächst der Markt jedoch zweistellig.

Wie fangt ihr Umsatzverluste auf?
WL:
Wir haben Gott sei Dank seit 2018 den Topseller Lash&Brow Booster. Mit diesem einen Artikel machen wir heute so viel Umsatz wie davor mit der gesamten Company. Das hat uns in der Corona Zeit gerettet. Der große Umsatz hiermit läuft über Online.

Ist Online stärker als der Verkauf im Salon?
WL:
Das ist die große Schwäche des Friseurs. Er verkauft nicht, also wird es online gekauft. Wimpernwachstum ist ein Wachstumsmarkt, das Produkt funktioniert sensationell, ergo wird es gekauft. Gerade jetzt, wo jeder eine Maske aufhat, haben die Augen ja noch mehr an Bedeutung gewonnen. Das wird auch nicht mehr zurückgehen.

Habt ihr im Corona Jahr Verlust geschrieben?
WL:
Überhaupt nicht. Aber nicht aufgrund des Kernsortimentes, sondern aufgrund des Boosters.

Wie verteilt sich euer Umsatz auf die einzelnen Vertriebskanäle?
WL:
Wir machen ungefähr 25% über den Onlinehandel, den wir direkt beliefern. 75% sind die beiden professionellen Märkte, davon 60% Friseurgroßhandel, 40% Kosmetikinstitute. Es gibt ca. 50.000 aktive Kosmetikerinnen und dem stehen 80.000 Friseurbetrieb mit ungefähr 250.000 Mitarbeitern gegenüber.

Wie ist eigentlich die Kosmetiklobby?
WL
: Die gibt es nicht. Die Industrie ist zersplittert und es gibt kein Organ, dass sich nachhaltig für die Interessen der Kosmetikerinnen einsetzt.
Es wird immer über die Arbeit des Zentralverbandes geschimpft. Aber Fakt ist, die Friseure haben ein Organ, welches über Jahre etabliert ist und sich stark gemacht hat. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Friseure öffnen dürfen und die Kosmetikerinnen nicht.

Wie siehst du die Zusammenarbeit mit dem Zentralverband?
WL:
Es ist unstrittig, dass die Zusammenarbeit zwischen Zentralverband, Berufsgenossenschaft und den Ministerien stattfindet. Vielleicht geht es dem ein oder anderen nicht schnell genug oder es ist nicht zufriedenstellend, wie für mich der Brauen/Wimpern-Hickhack.

Was müsste sich für gesichtsnahe Dienstleistungen richtungsweisend ändern?
WL:
Der Zentralverband müsste die BGW Empfehlung eins zu eins bundesweit bei der Politik durchsetzen. Denn solange eine Maske getragen wird, findet keine Tröpfcheninfektion statt. Es ist also sicher. Die Maske ist anerkannter Weise das A und O, Gesichtsdienstleistungen sollten möglich bleiben. Und einige Bundesländer erlauben es ja, aber halt nicht alle.

„Brauenlamination! Das wird das nächste große Thema.“

Services rund um Augen boomen, was sind denn die nächsten großen Trends bei Augenbrauen?
WL:
  Brauenlamination! Das wird das nächste große Thema.

Und das ist was?
WL:
Nach der Wimpernwelle werden jetzt auch die Brauen in Form gebracht und nachhaltig fixiert. Quasi wie bei einer Dauerwelle. Das funktioniert ganz einfach in nur 10 Minuten mit durchschlagendem Erfolg.

Eine neue Dienstleistung im Salon?
WL:
Ja, und das brauchen wir. Wenn Friseurunternehmer wieder auf die gleiche Rendite kommen möchten wie vor Umsetzung aller Hygienemaßnahmen, dann muss er seinen Ertrag um 10% steigern. Wie steigere ich den Ertrag? Preiserhöhungen wird der Kunde auf Dauer nicht unbegrenzt mitmachen. Schon im letzten Jahr gingen Kunden verloren, die Besuchshäufigkeit ist zurückgegangen. 

„Der Friseur darf sich diese Dienstleistung nicht wegnehmen lassen.“

Und der Braune-/Wimpern-Service soll hier helfen?
WL:
Natürlich! Mit dem Augen-Wimpern-Service haben wir eine Dienstleistung für die man 20,- € nehmen kann. Der Materialeinsatz liegt bei 2 € und man hat keine zusätzliche Arbeitszeit. Und das mit einer Dienstleistung, die gerade gehypt wird, und zwar über alle Generationen hinweg. Der Friseur darf sich diese Dienstleistung nicht wegnehmen lassen.

„2€ / 1 Minute“

Welche Preisgestaltung empfehlt ihr für Brauenlaminating?
WL:
Ich sage immer 2€ / 1 Minute Arbeitsleistung. Laminating braucht 10 Minuten, 20 € kann man dafür locker nehmen.

Kann ich eigentlich Augenbrauen formen und gleichzeitig färben?
WL:
Ja, das geht, erst kommt die dauerhafte Formgebung, dann die Farbe, da benötigt man dann auch nur eine ganz kurze Einwirkzeit. Kunde bekommt hiermit seine Wunschbraue.

Also Lamination plus Farbe plus Wimpern plus Booster, heißt Kundin geht mit knapp 100 € für die Augen aus dem Salon?
WL:
Genau, das wird unterschätzt in dieser Branche. Wir haben hier eine so interessante Nische und viele lassen das einfach links liegen.

„Da reden wir von 30.000 € Umsatz pro Monat an einem Standort…“

Vor ein paar Jahren ist der Trend der Brow-Bars aus USA herübergeschwappt. Haben die sich auch bei uns etabliert?
WL
:   Ich sehe das grundsätzlich positiv. Aber ich brauche dafür einen guten Standort und diese sind leider oft teuer. Ich kenne viele, die sind sehr erfolgreich unterwegs. Da reden wir von 30.000 € Umsatz pro Monat an einem Standort. Das ist ein Spezialistentum, Oliver Schmidt hat das sehr erfolgreich etabliert. Nach Corona wird das Weiterwachsen, davon bin ich überzeugt.

Gibt es denn eine Refectocil Brow Bar?
WL:
Ich möchte nicht mit unseren eigenen Kunden in Konkurrenz treten. Wir unterstützen sie aber gerne dabei, so wie in Österreich. Mit den Friseuren Ultimativ Group haben wir Browbars in Wien und Salzburg eröffnet, sehr erfolgreich übrigens. Das will ich für Deutschland nicht ausschließen, aber man braucht professionelle Partner dafür.

Danke Wilfried, dann beobachten wir den Markt mal ausführlich weiter.