Petra Brockmann-Knödler | Credit: Sandra Kühnapfel

17.09.2021

Petra Brockmann: Der Friseurberuf wird nicht weitergehen, wie wir ihn kennen!

Dienstleistung neu denken, weg vom 6-Wochen-Rhythmus, antizipieren und sich Fragen stellen, deren Antworten weh tun. Petra Brockmann hat Lust auf Zukunft, deshalb hat der Salon jetzt eine eigene Salonabwasser-Kläranlage und sehr viel mehr...

„Wie kann man diesen Beruf in die nächsten Jahrzehnte bringen!“ 

Liebe Petra, ihr habt soeben euren  neuen Standort  in Berlin eröffnet, in welchem ihr bereits vieles ganz anders macht. Welche Gedanken beschäftigen dich aktuell federführend?
PB:
Der Friseurberuf wird so nicht weitergehen, wie wir ihn kennen. Die Frage lautet also „Wie kann man diesen Beruf in die nächsten Jahrzehnte bringen!“ 

"Diese Dogmen machen nichts anderes, als Menschen zum Konsum zu bewegen, wie möglichst oft zum Friseur gehen!"

Was werden einschneidende Änderungen sein?
PB:
Wir werden anders Haare färben!
Wir bewegen uns in einer gesellschaftlichen Maschinerie von Zwängen, Frauen wollen aber über sich selbst bestimmen. Nimm zum Beispiel dieses Dogma „Grau muss weg“! Warum muss Grau weg?

Diese Dogmen machen nichts anderes, als Menschen zum Konsum zu bewegen, wie möglichst oft zum Friseur gehen!  Aber den 6-Wochen Rhythmus, den wird es nicht mehr geben. Das ist ok, mit diesem Fakt müssen wir umgehen und nicht herumjammern. Menschen wollen aus diesem fremdbestimmten Kreislauf heraus und sich gesellschaftlicher Konventionen entledigen! Die Aufgabe des Friseurs wird es sein, Menschen dabei zu unterstützen, sich hin, zurück zu sich selbst zu entwickeln.

Es sollte halt wirtschaftlich sein.
PB:
Es ist ein Trugschluss, dass wir mehr Geld verdienen, wenn wir Kundinnen auf den Besuch alle sechs Wochen trimmen! Hier muss sich der Friseur emanzipieren.
Da gibt es Frauen mit zu Tode blondierten, langen Haaren und Friseure machen sie immer kaputter, mit jeder weiteren Behandlung. Das kann doch nicht der Sinn unseres Handwerks sein? Die Haare sollten doch eigentlich immer besser werden, so verstehe ich meine Aufgabe als Friseurin!

Dem Friseur die Dienstleistung Farbe, wie er sie kennt, wegzunehmen, wird weh tun.
PB:
Ja, umso wichtiger ist es, die Zeichen der Zeit zu erkennen und sich jetzt neu zu definieren. So machen wir das auch mit Ressourcen, da müssen wir als Geschäftsleute vorausschauender denken.

Wasserknappheit wird Thema werden!

Mit welchen Themen rechnet ihr da?
PB:
  Die Wasserknappheit wird Thema werden! Was, wenn es irgendwann im Sommer, wie in einigen Ländern bereits Usus, kein Wasser zum Haarewaschen gibt? Oder, wenn die ersten Umweltschutzorganisationen dahinterkommen, was alles mit dem Salonabwasser in den Kanal geleitet wird? Dann schieben die ganz bald einen Riegel vor, das wird dann aber richtig weh tun! 

"Wenn die ersten Umweltschutzorganisationen dahinterkommen, was alles mit dem Salonabwasser in den Kanal geleitet wird? Dann schieben die ganz bald einen Riegel vor, das wird dann aber richtig weh tun!"

Was kann man denn dagegen bereits heute unternehmen?
PB:
Wir haben eigens eine Kläranlage, für die Salon-Abwasser Aufbereitung, entwickeln lassen und eingebaut. Das war mir ein Herzensprojekt. Unser gesamtes Abwasser vom Haare shampoonieren, Farbe rauswaschen, etc. wird bei uns im Salon biologisch gereinigt und aufbereitet, bis es wieder Trinkwasserqualität hat. so, dass wir es als Grauwasser nutzen können. So geht es frei von salonarbeitsbedingten chemischen Rückständen in die Natur zurück! Unser klares Ziel ist es, das Wasser in Trinkwasserqualität aufzubereiten.

Das klingt teuer, wie finanziert sich das?
PB:
Unserer Branche wird es guttun, immer sauberer zu werden. Der Kunde spürt das, als Erstes in der Grundästhetik des Raumes und wenn wir Friseure das vorm Kunden zelebrieren.
Dieser Anspruch soll erfüllt werden!  Das geht nicht billig, ist aber seinen Preis wert und führt zu mehr Anerkennung des Friseurs auch vom Kunden.

"Wir achten darauf, dass unsere Hunde glänzendes Fell haben, füttern und pflegen entsprechend,... und unser Haar?"

Ist der Kunde denn bereit dafür zu zahlen?
PB:
  Ja, absolut. Wir achten darauf, dass unsere Hunde glänzendes Fell haben, füttern und pflegen entsprechend, koste es, was es wolle. Und was ist mit unseren Haaren und unserer Haut? Wir sind alle organisch und das müssen wir auch als solches begreifen und mit der Natur schwingen. Menschen wollen gesund bleiben und ihrer Kopfhaut, ihrem Haar und sich selbst als Gesamtheit das Beste tun! Dafür sind sie bereit zu zahlen, wenn man es authentisch im Salon lebt.

Benötigt es auch ein neues Selbstverständnis für den Friseur?
PB:
Ja, einen neuen Fokus darauf, als Haarspezialist wahrgenommen zu werden, auf den Kunde sich voll verlassen kann. Wir Friseure leben vom Handwerk und bräuchten im Worst Case, abstrakt gesehen, nur das Haar, unsere Hände und Wasser.

Leben und Lebendigkeit.

Es bewegt sich immer mehr um den Begriff Nachhaltigkeit. Wie verstehst Du diesen?
PB:
Ich kann den Begriff schon nicht mehr hören, da so viel dahinter falsch versteckt wird. Wir leben Orgaenic, das ist unsere Philosophie und da geht es um Leben und Lebendigkeit. Wir werden den Mensch nicht ändern. Weißt Du, was Jeff Bezos geantwortet hat, als er gefragt wurde, was Amazon so erfolgreich macht?

Was hat er gesagt?
PB:
„Amazon ist deswegen so erfolgreich, weil die Menschen so faul sind.“ Und das stimmt, wir beschweren uns alle über die Marktmacht von Amazon und bestellen dann doch wieder. Das zeigt mir, wir können gar nicht mehr zurück, wie viele es glauben. Evolution ist immer nach vorne und nicht zurück gerichtet. Orgaenic ist für uns Neo-Ökologie und nicht das alternativ geprägte Weltuntergangsszenario.

Ich habe große Lust auf die Zukunft und dahinein lege ich all meine Energie.

Liebe Petra, vielen Dank für deine Zeit und ein hochinteressantes Gespräch. Auch ich freue mich auf die Zukunft und bin schon sehr gespannt, was bei euch als nächstes passiert!

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