Credit: Екатерина Алдошинаj, Patrick Franz

02.11.2022

Andrea Hecker: Long-Covid und Haarausfall – es braucht mehr Aufklärung

Andrea Hecker wurde vom eigenen Long Covid-bedingten Haarausfall völlig überrascht. Der Farb-Expertin wurde bewusst: Es ist an der Zeit für die Branche, nicht nur in die Optik des Haares zu investieren, sondern auch in die Haarausfall-Prävention.

Credit: Andrea Hecker, Long Covid Haarausfall nach einmal Bürsten

Im Gespräch mit Juliane Krammer
 

Andrea, als Folge von Long Covid hattest du Haarausfall. Wann hast du bemerkt, dass etwas nicht stimmt?
AH:
Drei Monate nach meiner Covid-Erkrankung habe ich meine Haare morgens gekämmt und mir war klar, dass etwas anders ist.

Wie meinst du das?
AH:
Man merkt das einfach sofort, weil man seine Haare kennt …

Wie war deine Reaktion?
AH:
Ich habe erstmal abgewartet und es auf eine stressige Zeit geschoben, aber nach sieben Tagen wurde ich nervös. Ich konnte meine Haare einfach aus der Kopfhaut ziehen. Vor allem in der Kontur hat es sich so richtig bemerkbar gemacht. Dann habe ich Alarm geschlagen.

Wer war deine erste Anlaufstelle?
AH:
Ich habe das Glück, Patricia Ogilvie, eine der besten Dermatolog*innen, unter meinen Kund*innen zu haben. Als ich meine Bürste fotografierte und ihr das Bild sendete, hat sie gesagt, ich soll so schnell wie möglich zu ihr kommen.

Welche Behandlungen hast du gemacht?
AH:
Meine Dermatologin hat sofort eine Eigenblutbehandlung unternommen. Dabei wird Blut abgenommen, zentrifugiert und Blutkörper getrennt - und in meinem Fall direkt in die Kopfhaut zurückgeführt. Ziel war eine Immunreaktion, die mein Abwehrsystem stimuliert. Parallel dazu habe ich aber auch ein Blutbild erstellen lassen, um sonstiges Pathologisches ausschließen zu können.

Wie erging es dir mit der Eigenblutbehandlung?
AH:
Es waren fast 50 Injektionen direkt in die Kopfhaut. Das war irre schmerzhaft, aber es war mir wichtig, alles zu unternehmen, um den Haarausfall zu stoppen. Meine Ärztin hat mich darüber aufgeklärt, dass ca. 12 Wochen nach Narkosen, Operationen oder auch Covid-Erkrankungen oftmals eine Reaktion mit diffusem Haarausfall auftritt. Dabei werden die Haare auf dem ganzen Kopf gleichmäßig dünner und die Kopfhaut beginnt durchzuschimmern. Im Haarzyklus gibt es die Wachstums-, Übergangs- und Ruhephase und in letzterer haben sich bei mir die Haare gleichzeitig herausgelöst. Ich habe überwiegend lange Haare rausziehen können.

"Irre, was Haarausfall mit einem psychisch machen kann."

Wie bist du mit dem Thema mental umgegangen?
AH:
Ich hatte absolute Panik. Obwohl ich wusste, dass es Schwachsinn ist, habe ich sogar weniger meine Haare gewaschen und gekämmt. Es war mir klar, dass du einen Haarausfall-Zyklus nicht verhindern kannst. Irre, was Haarausfall mit einem psychisch machen kann. Ich ging alles in meinem Kopf durch: Hormone, Vergiftung, etc. Ich war Wochen vorher in Griechenland arbeiten und hatte viele Meerestiere gegessen. Diese haben den Ruf, dass mit dem Verzehr Verunreinigungen im Körper passieren. Mir ist klar, dass meine Leber auch aufgrund meines Berufes viel entgiften muss, denn als Friseurin arbeite ich mit sehr viel Chemie. Ich bin deswegen sehr achtsam, meinen Körper in meiner Nicht-Arbeitswelt gut zu versorgen.

Wie beugst du hier vor, damit dein Körper so gut wie möglich geschont wird?
AH:
Ich greife auf Alternativen auch aus der Natur zurück, wie Gerstengrassaft oder Biotin. Warum die Industrie hier auch noch nicht reagiert, verstehe ich nicht – es braucht oftmals einfach Supplements. Wir Friseur*innen benötigen unbedingt Unterstützung, um zu entgiften.

Was meinst du, ist das Problem, dass es hier keine Unterstützung gibt?
AH:
Ein Friseurkollege aus England meinte, dass solche Probleme, die Aufgabe von Apotheker*innen oder Ärzt*innen seien, nicht das der Friseur*innen. Es gibt leider so wenig Aufklärung und auch das Wissen bei uns Friseur*innen fehlt. Aber ich kann auch nur gute Farbe machen, wenn ich gute Haare habe, somit ist der Haarausfall meiner Kund*innen auch mein Problem.

"Uns muss bewusst werden, dass sich unser Beruf in Zukunft verändert und wir uns auf die Bedürfnisse unserer Kund*innen einlassen und unser Wissen erweitern müssen."

Was ist die Lösung?
AH:
Uns muss bewusst werden, dass sich unser Beruf in Zukunft verändert und wir uns auf die Bedürfnisse unserer Kund*innen einlassen und unser Wissen erweitern müssen. Expertise wird ausschlaggebend bei der Wahl der Stylist*innen werden. Momentan treibe ich mich viel auf TIK TOK zum Thema Haarausfall herum. Von Zwiebelsaftwasser oder Rosmarin-Tinkturen vorm Schlafengehen wimmelt es dort nur.

Noch mal zurück zu deinem Haarausfall. Hast du diesen nun in Griff bekommen?
AH:
Ja, nach sechs Wochen war alles überstanden. So wie er kam, war er dann plötzlich auch vorbei.  

Welchen Tipp hast du für Betroffene bzw. Kolleg*innen, die Long Covid-Kund*innen mit Haarausfall haben?
AH:
Ernährung und zusätzliche Mikronährstoffe sind wichtig, um den nächsten Haarzyklus zu erhalten. Natürlich muss man sich hier reinlesen, aber es gibt wirklich gute Marken und Produkte, die unterstützen. Ich habe hier aber Profis herangezogen, um mich auf diesem Weg zu unterstützen. Es ist wichtig, nicht nur in die Haarfarbe bzw. die Optik des Haares zu investieren, sondern auch in die Haarausfall-Prävention.

Danke, Andrea, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast und alles Liebe für die Zukunft.