Credit: Maximilian Kamps

05.03.2019

Fatih Erbay glaubt an den 200 Euro Haarschnitt

Jugendlicher Leichtsinn? Eher nicht! Schwarze Zahlen, Friseur-Salonevents, Verkaufstricks und Nominierungen beim Handwerk. Da kann wer was! Ein Gespräch mit Fatih Erbay...

... darüber, warum sein Laden mehr kann als nur Haare schneiden und der Gewinn des Top Hair Top Salon Awards purer Bestätigungswahn war. Plus ein GHDA Schnellcheck, um die Aufregung über die Nominierung zu überbrücken…
 

imSalon: Fatih, was sich jeder fragt, der deinen Namen aussprechen möchte: Wie sagst man´s richtig?
Fatih Erbay:  (lacht) Fatich – das „ih“ sprichst du als „ich“ aus!

Du veranstaltest gern mal Salon-Events, z.B. für Tigi. Warum?
FE: Ich pflege gerne Kontakte, bewege mich dort, wo Lifestyle passiert - in Clubs, in guten Cafés oder eben auf meinem eigenen Event im Salon. Wobei es nicht immer nur um Haare geht! Ich schätze Leute mit starker Community und junge Leute, die Streetlife-Style leben, High Fashion oder Urban – alles hat seinen Reiz. Wenn ich zu mir einlade und ins Gespräch komme, erleben wirklich alle meinen Laden, sie erleben mich und sie empfehlen mich weiter. Ich will den Friseurberuf nach außen geschmackvoll machen! Unser Problem ist ja, dass das Handwerk ausstirbt, dass alle studieren wollen.

Fatih Erbay & imSalon´s Katja

Wolltest du denn mal studieren?
FE: Nein, null! Ich habe sogar ein Jahr lang als Industriemechaniker gearbeitet und Autoteile gedreht und gefräst. Mein Glück war, dass eine Freundin zeitgleich ihre Ausbildung bei Toni&Guy in Stuttgart machte und mir die Haare schneiden wollte. Also bin ich hin und habe dort einen Video-Spot mit Anthony Mascolo gesehen, wie er live Haare schneidet. In dem Moment wurde mir klar, was mein Traumjob ist. Bis 16 war ich überhaupt nicht modebewusst!

Du bist Anfang 30, seit 3 Jahren Unternehmer. Was ist besonders bewegend?
FE: Naja, die große Frage: Wie hebe ich mich von den anderen ab?

Und wie?
FE: Mit einem Superkonzept! Das zieht sich durch meinen kompletten Salon. Genau genommen geht es schon los, bevor die Kunden zu mir finden. Der Weg zu mir führt über einen kleinen stylischen Hinterhof…

…ich habe vorn auf der Straße wirklich nichts gesehen Keine Idee, dass da ein Salon ist!
FE:  (lacht!) Das ist auch gut so! Hier drin sollen die Leute ja runterkommen und nicht im Schaufenster sitzen. Anfangs waren wir nur zu zweit und haben ganz bewusst Kunden aufgebaut. Erstaunlicherweise hatten wir nie ein Zahlentief, aber klar, trotzdem jeden Tag Bauchschmerzen. Bis heute! Und ich frage mich stets, können wir das Level halten? Was ist, wenn die Bandscheiben versagen oder Allergien kommen? Da ist schon viel Druck dabei.

Auf Instagram hat letztens eine Influencerin von Ihrem Besuch bei dir gepostet. Machst du da Koops?
FE:
Ich bekomme immer wieder Anfragen von Influencern, die für mich werben würde, wenn ich ihnen gratis die Haare mache. Ich bin sicher kein Spießer, aber Nein, das mach ich nicht! Ich glaube nicht, dass dadurch mein Laden boomt. Meine Mitarbeiter und ich sind der Kern des Salons.

Fatih Hairdressing Stuttgart

2016 hast du den Top Salon Award gewonnen, ein Jahr nach Eröffnung. Alle Achtung!
FE: Ja! Darauf habe habe ich mich richtig aufwändig vorbereitet, mit einer 50-seitigen Bewerbung.

Wie bitte? 50 Seiten Bewerbung?
FE:
  (lacht) Ja! Ok, davon waren ungefähr 18 Seiten Fotos, aber ich habe gemeinsam mit meinem Architekten das ganze Konzept hineingeschrieben: Woher kamen unsere Inspirationen für den Salon? Welche Geschichte möchten wir erzählen? Wer bin ich? Wie verbindet sich das mit dem Handwerk? Welche Stoffe haben wir verwendet und warum? Nicht nur die Fotos waren da wichtig, sondern auch das geschriebene Wort. Ich wollte, dass die Jury die Fotos sehen und den Salon fühlen kann. Denn hier ist alles Unikat! Die Stühle und die Einrichtung, die Theke, die Marmorplatten, die Corian Waschbecken, die flexiblen Wände…

Warum hast du dich beim Salon Award beworben?
FE: Weil ich bei den German Hairdressing Awards eine echt gute Männerserie eingereicht, aber nichts gewonnen hatte. Innerlich dachte ich, jetzt muss ich irgendwas abräumen! Nachdem das mit dem Künstlerischen nicht funktioniert hat, wollte ich wissen, was ich als Jungunternehmer erreichen kann.

Du bist jung. Steigt das zu Kopf?
FE: Ich bin noch weit weg davon zu sagen, ich habe es geschafft. Mein erster Chef sagte immer: Erst muss man das Laufen lernen, dann kannst du rennen. Wir haben in den ersten 3 Jahren laufen gelernt und laufen stabil. Jetzt sind wir an dem Punkt, dass wir anfangen können zu rennen. Mit guten, kreativen Leuten. Wir wollen zeigen, dass der Beruf toll ist und mehr bedeutet als nur Haare zu schneiden! Wir sind zwar noch recht klein. Aber das bedeutet nicht, dass man uns nicht hört!

Wie stehst du zu Lehrlinge ausbilden?
FE: Das ist auf jeden Fall Thema. Wenn der, oder die Richtige kommt.

Als was siehst du dich beruflich?
FE: Als ganzheitlichen Berater. Und ich finde alle meiner Kollegen sollten so denken! Denn ohne uns würden die Leute nicht so aussehen, wie sie aussehen. Kunden kommen ja nicht nur zu uns wegen der Haare, sondern auch wegen der Gespräche und unserer Meinung. Wir müssen das nicht immer betonen, aber wir sind Typberater nicht nur im Optischen. Leider signalisieren Kunden immer noch - wenn auch oft unbewusst – „Du bist halt nur Friseur!“ Aber langsam wendet sich das. Und das ist wichtig.

Was sagst du, wenn dich jemand fragt, was du beruflich machst?
FE: Ich habe einen Salon. Ich bin Hairdresser. Ich bin Kundenberater. Ich bin Creative Director. Ich bin Style Director oder Art Director im Haarbereich. Es kommt immer auf die Situation an.

Fatih Hairdressing Stuttgart

Du spielst mit englischen Worten. Würdest du Friseur umbenennen?
FE: Hmm… Friseur ist ein sehr deutscher Begriff...

Du arbeitest vor allem mit Tigi. Warum?
FE: Tigi kenne ich seit Stunde null. Ich habe bei Gianni (Anm. D’Assero) gelernt, damals noch bei Toni&Guy. Aber später, als ich in Berlin, London und Istanbul war, kamen natürlich auch andere Marken dazu. Ich arbeite u.a. mit TIGI Copyright und bin begeistert. Die Treatments geben uns die Möglichkeit, Kunden optimal und ganz individuell zu bedienen.

(Während wir hier sitzen, kauft eine Kundin beim Gehen ein Shampoo. Kurz darauf kommt eine weitere herein, „nur“ um ein Shampoo und Pflege zu kaufen.)
Wow, ein guter Schnitt in 5 Minuten, das schaffen nicht viele!
FE: Ja. (lächelt) Es gibt da Tricks! Wir reden offen und locker über Produkte. Das fängt schon beim Haarewaschen an, da machen wir immer eine Haaranalyse. Das dauert 2 Minuten. Wir gehen beim Arbeiten auf die Produkte ein, stellen sie vor den Kunden hin, lassen sie riechen und fühlen. Wenn du die das mal in der Hand haben, ist Interesse geweckt, da musst du gar nicht viel reden, nur nebenbei erklären, was was ist. Wenn du gut kochen willst, brauchst du gute Zutaten. Du brauchst also Shampoo, Conditioner und Booster, damit deine Suppe schmeckt.

Warum geben Friseure meist nicht die richtigen Mittelchen mit nach Hause?
FE: Weil sie Angst haben, den Leuten nach Schneiden und Färben für 160 Euro noch ein Produkt um 60 Euro aufzuschwatzen. Ich sage meinen Mitarbeitern immer: Seid euch nicht zu schade, verlangt euren Preis! Ihr macht Menschen glücklich, spätestens in der Minute, in der sie den Salon verlassen. Der Kunde zahlt euer Gehalt und wenn er das nicht tut, kann ich euch nichts mehr überweisen. Ein Haarschnitt wird irgendwann 200 Euro kosten. Das muss so kommen, daran glaube ich!

Nominierung GHDA 2019 Damen Süd | Foto: Silke Schlotz

Du bist, wie die letzten Jahre auch, wieder bei den German Hairdressing Awards nominiert, Kategorie Damen Süd. Der GHDA im Fatih Schnellcheck:

Warum machst du immer wieder mit?
FE: Um meine Stimme da zu lassen.

Wie hoch war dein Budget?
FE: Im 4-stelligen Bereich. Modelle und Fotograf werden professionell gebucht und auch bezahlt. Denn sie sollen ihren Job gut machen, genauso wie ich.

Wie verwendest du die Bilder?
FE: Für Presse, Magazine, Social Media und für mich.

Wie viel macht ein gutes Foto aus?
FE: Es spricht über dich, deinen Spirit, deine Handschrift, deine Passion.

Wie denkst du über Retusche?
FE: Je weniger davon, desto mehr zeigt der Friseur von sich. Der GHDA ist kein Fotodressing Award.

Dein GHDA Fazit?
FE: Mitmachen! Am Ende des Tages sieht man, was man in der Lage ist zu schaffen.

Fieberst du der GHDA Gala entgegen?
FE: Unbedingt! Ich freu mich drauf.

Nun, dann sehen wir uns am 26.05.2019 bei der Gala in Hamburg und vielen Dank für deine Zeit!