18.04.2024

Heftige Registrierkassenkontrollen und höhere Gehälter…. Wie Schweden Schwarzarbeit im Griff hat

Während die Schwarzarbeit das ehrliche Friseurhandwerk quält, gehört es in Schweden längst der Vergangenheit an. Was wir vom schwedischen System lernen können …

Raphaela Kirschnick im Gespräch mit Henrik Haverkamp

Henrik, Wella war großer Unterstützer des Zukunftskongresses. Der Bedarf an größerer politischer Wahrnehmung ist im Friseurhandwerk groß. Was würdest du mit Wella gerne anstoßen?
Henrik Haverkamp:
Grundsätzlich glaube ich, liegt die Zukunft der Friseure in der Hand der Friseure und das können Lieferanten nicht übernehmen. Wir müssen aber unseren Beitrag in der Unterstützung leisten. Aktuell liest man in vielen Foren zum Thema Schwarzarbeit, welches bei unseren Kunden immer wieder zu Verzerrungen im Wettbewerb führt, das beschäftigt auch uns.

"Was Recht und Gesetz ist, gehört durchgesetzt,..."

Die aktuell veröffentlichten Zahlen zur Schwarzarbeit zeigen die fatalen Auswirkungen auf unsere Branche. Welche Hebel siehst du?
HH:
Zum einen die mangelhafte Durchsetzung dessen, was politisch bereits gilt. Was Recht und Gesetz ist, gehört durchgesetzt, aber da fehlen häufig die Ressourcen und vielleicht manchmal auch der richtige Wille.
Das andere ist die grundsätzliche Wertschätzung des Friseurs, denn das ist ein wichtiger Hebel, denn Schwarzarbeit entsteht insbesondere dann, wenn die Entlohnung so gering ist, dass man sich alternative Möglichkeiten sucht.
Man sieht ja, wie das beispielsweise in Schweden besser funktioniert.

Was macht Schweden anders?
HH:
Offiziell gibt es ja in Deutschland noch immer keine Pflicht zur Registrierkasse. In Schweden wurde 2010 eine Registrierkassenpflicht eingeführt und genau zu diesem Zeitpunkt ist die Friseurindustrie explodiert, plötzlich haben sich viele angemeldet. In Schweden war man zur Einführung sehr streng und auch seitdem gibt es immer wieder heftige Kontrollen, maßgeblich bei Friseursalons und in der Gastronomie. Es braucht Kontrollen und diese werden dann auch medienträchtig kommuniziert.

Sind denn die Friseurgehälter in Schweden höher?
HH
: Das ist ganz interessant. Konkret verdient ein Friseur umgerechnet etwa 3.200,- € brutto, teils fix, teils variabel. Das ist mehr als ein Polizist oder eine Krankenschwester. Wichtig ist zu wissen, dass das Lohnniveau in Schweden ziemlich genau dem deutschen Lohngefüge entspricht. Eine Friseurin verdient also im direkten Ländervergleich in Schweden um einiges mehr. Dadurch entfällt der Anreiz nebenher noch etwas dazuverdienen zu müssen.

Sind die Preise entsprechend anders?
HH
: Die Friseurdienstleistungspreise liegen ca. 30-40% höher als in Deutschland. In Skandinavien sind die Menschen bereit, mehr für den Friseur zu zahlen.

Viel diskutiert, die Abschaffung des Bargeldes. Wenn alle mit Karte zahlen, dann wird die Schwarzarbeit in Salons (Sozialversicherungsbetrug/ illegale Beschäftigung) auch schwieriger. 
Die skandinavischen Länder sind führend, was elektronische Zahlung anbelangt. Welche Erfahrungen hast du hier im Friseurhandwerk gemacht?
HH:
Bargeld ist in Skandinavien ungewöhnlich. Hier dominierte ursprünglich der Sicherheitsgedanke, nicht mit Bargeld herumlaufen zu müssen. Es hilft definitiv bei der Nachvollziehbarkeit.

Wie ist eigentlich die Mehrwertsteuersituation bei Friseuren in Schweden?
HH:
Der Mehrwertsteuersatz liegt in Schweden bei 25%. Es gibt auch hier Kleinunternehmer, die weniger als 20.000 € Umsatz machen. Für diese gilt keine Registrierkassenpflicht, diese werden aber auch stärker kontrolliert.

"In Schweden ist die Steuerbehörde sehr aktiv und hat dort übrigens den Rang wie die Polizei, da spaßt man nicht."

Gibt es eigentlich auch eine Barbershop-Szene?
HH:
Ja, die gibt es, aber nicht in dem Ausmaß wie hier. In Schweden ist die Steuerbehörde sehr aktiv und hat dort übrigens den Rang wie die Polizei, da spaßt man nicht.

Wie sieht es denn mit dem Nachwuchs in Schweden aus. Es heißt ja immer, höhere Gehälter bringen mehr Mitarbeiter.
HH:
Auch in Schweden geht der Nachwuchs leicht zurück, nur eben lange nicht so extrem wie in Deutschland. Auch der Mitarbeiterschwund ist bei weitem nicht so drastisch, wie bei uns.

Und wie ist Ausbildung organisiert?
HH:
Mehrheitlich privat, dafür gibt es Akademien und Schulen.

Vielen Dank Henrik für die spannenden Informationen aus dem schwedischen Markt.
 

Henrik Haverkamp war von 2017 bis 2022 Geschäftsführer Wella Skandinavien und Benelux. Seit 2022 ist er Geschäftsführer der Wella Company DACH.