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14.05.2024

Bekämpfung Schwarzarbeit essenziell - Ein Bekenntnis mit wenig Futter dahinter

Die Situation im Friseurhandwerk spitzt sich weiter zu, ehrliche Unternehmen ächzen unter dem massiven Anstieg der Schwarzarbeit. Auf die Bekämpfung der Finanzkriminalität wurde vom Finanzministerium ein wichtiger Schwerpunkt gesetzt. Das scheint aber auch schon alles, denn echte Lösungsansätze werden abgeschmettert.

Wir haben nachgefragt beim Bundesfinanzministerium, wie man die Herausforderungen des Friseurhandwerks sieht und welche konkreten Lösungsansätze es gibt. 

Mit uns persönlich sprechen will man nicht, eine Interviewanfrage mit Christian Lindner wird sofort abgeschmettert, aber gerne beantwortet man Fragen, halt schriftlich. Klar, als "kleines Fachmedium" haben wir uns mehr erhofft, aber nicht erwartet und so freuen wir uns, zumindest weiterhin an politischer Stelle anzuklopfen und auf die Belange des Friseurhandwerks aufmerksam zu machen. Gut, wenn man sich auf bundespolitischer Ebene mit dieser wichtigen Branche auseinandersetzt. 

Die Antworten freilich hochpolitisch, rückwärtsgerichtet und völlig unverbindlich. Zwischen den Zeilen kann man dennoch so einiges lesen:

Spart der Staat bei Schwarzarbeit Kontrollen?

imSalon: Auf die Bekämpfung der Finanzkriminalität wurde im Koalitionsvertrag ein wichtiger Schwerpunkt gesetzt. 
Dennoch wurde die konkrete Forderung von Handwerkskammer und ver.di nach mehr Zollkontrollen nicht erhört. Im Gegenteil, 2023 fand nur ein Bruchteil an Kontrollen im Vergleich zu den Vorjahren statt. Dabei waren die Ergebnisse der wenigen durchgeführten Kontrollen erschreckend.

Weshalb spart der Staat hier?


FINANZMINISTERIUM: Die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung ist auch aus Sicht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) essenziell für einen fairen Wettbewerb, die Gewährleistung gerechter Arbeitsbedingungen und die Sicherung der Sozialsysteme. Deshalb verfolgt das BMF das Ziel, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung zukunftsadäquat aufzustellen.Ihre Arbeit soll noch effizienter und wirksamer werden.

Die FKS verfolgt den Grundsatz „Qualität vor Quantität“. Sie hat im vergangenen Jahr ihre strategische Ausrichtung gestärkt. Dabei wurden insbesondere bei Arbeitgeberprüfungen mit Sichtung von umfassenden Geschäftsunterlagen entsprechende Anpassungen vorgenommen. Strategisches Ziel der FKS ist es, durch eine risikoorientierte Wahrnehmung der Prüfungs- und Ermittlungstätigkeiten die Bekämpfung von Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und Mindestlohnunterschreitung zu intensivieren. Dadurch soll sie stärker zur Sicherung der Sozialsysteme, Steuereinnahmen und Lohngerechtigkeit beitragen. Dabei arbeitet sie intensiv mit allen Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen zusammen, die in die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung eingebunden sind.

Die Prüfungen der FKS richten sich überwiegend an die besonders von Schwarzarbeit betroffenen Branchen. Der Schwerpunkt der Prüftätigkeit der FKS lag im Jahr 2023 erneut auf lohnintensiven Branchen, hierzu zählt auch das Friseurhandwerk sowie die Kosmetiksalons. Durch die Entwicklungen im Bereich des Risikomanagements entstehen Steuerungsmöglichkeiten jenseits rein quantitativer Vorgaben. Damit steht perspektivisch nicht mehr die reine Anzahl von durchgeführten Prüfungen im Vordergrund, sondern vielmehr, wie viele substanzielle Verstöße aufgedeckt werden können. Dadurch soll insbesondere der Fokus stärker auf unredliche Wettbewerbsteilnehmer in einer Branche gelegt werden, da diese letztlich die Existenz der redlichen Marktteilnehmer gefährden können. Der Blick auf die reine Anzahl der Arbeitgeberprüfungen ist daher nur beschränkt aussagekräftig.

Ein besonderes und erfolgreiches Instrument der Prävention stellen zudem die branchenbezogenen Aktionsbündnisse gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung mit den jeweiligen Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften dar. Ein solches Bündnis besteht seit 2016 auch im Friseurhandwerk.

FAZIT 1: Man hat das Problem erkannt und auch den Bedarf an Kontrollen im Friseurhandwerk.

Aber, Ziele zu verfolgen und daran zu arbeiten heißt übersetzt, dass man noch weit davon entfernt ist. Aus diversen Quellen haben wir erfahren, dass die Zolldirektionen massiv unterbesetzt sind, bzw. wichtige Planstellen fehlen und somit gar nicht das Personal vorhanden ist, stärker zu kontrollieren. 

Das Problem liegt in der Umsetzung. "Qualität vor Quantität" klingt da zwar gut und richtig, ist jedoch gleichzeitig ein Killerargument hinter dem man sich wunderbar verstecken kann, wenn man nicht mehr vorzuweisen hat. 
 

Absetzbarkeit Friseurdienstleistung

imSalon:Als Personalintensives Handwerk ist der Friseur aktuell stark benachteiligt. Haushaltsnahe Dienstleistungen sowie diverse Handwerkerpositionen sind steuerlich absetzbar. Die Absetzbarkeit der Friseurdienstleistung, wie vom Zentralverband für das deutsche Friseurhandwerk gefordert, wäre ein enormer Hebel gegen Schwarzarbeit. Kunden müsste nach einem Kassenbeleg fragen, Salons kämen in Handlungszwang.

Wie bewertet das Finanzministerium diesen Vorschlag?


FINANZMINISTERIUM: Ausgaben, die im Zusammenhang mit der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen stehen, können steuerlich grundsätzlich nicht geltend gemacht werden. Das ist in § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelt. Der privaten Lebensführung sind Aufwendungen immer dann zuzuordnen, wenn sie in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stehen, also keine Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind. Bei Aufwendungen für den Friseur handelt es sich um solche Kosten, die allein der privaten Lebensführung dienen.

Einige solcher privaten Ausgaben können dennoch in gesetzlich genau bezeichneten Fällen, z. B. als Sonderausgaben (§ 10 EStG) oder als haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen (§35a EStG) steuerlich geltend gemacht werden. Gemäß § 35a Absatz 2 Satz 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer u. a. für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleitungen um 20 %, höchstens um 4.000 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.

Die Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen (§ 35a Absatz 2 EStG) und Handwerkerleistungen (§35a Absatz 3 EStG) wurde zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in privaten Haushalten eingeführt, da steuerliche Vorgänge im Privathaushalt für die Finanzverwaltung nur schwer überprüfbar sind. Anders als bei gewerblichen Betriebsstätten ist im Privathaushalt eine Betriebsprüfung nicht möglich und der Privathaushalt unterliegt dem vollen grundrechtlichen Schutz. Auch sollte der private Haushalt als Feld für neue Beschäftigungsmöglichkeiten steuerlich gefördert werden.

 

Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG knüpft daher an das Erbringen der Leistung im Haushalt des Steuerpflichtigen an (§ 35a Absatz 4 Satz 1 EStG). Voraussetzung für die Steuerermäßigung ist des Weiteren, dass der Steuerpflichtige eine Rechnung für die Aufwendungen erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers erfolgt ist (§ 35a Absatz 5 EStG). Unter diesen Voraussetzungen kann im Haushalt des Steuerpflichtigen erbrachte Friseurdienstleistung in den o.g. Grenzen steuerlich berücksichtigt werden.
Eine im Friseursalon erbrachte Dienstleitung kann mangels Erbringung im Haushalt des Steuerpflichtigen nicht nach § 35a Absatz 2 EStG berücksichtigt werden.
Nachdem § 35a EStG außerdem eine Subventionsnorm ist, widerspräche eine Ausweitung hier zusätzlich den subventionspolitischen Leitlinien der Bundesregierung und den von der Bundesregierung definierten Ziele zum Abbau von Subventionen.

Zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, die letztlich allen schadet und vor allem steuerehrliche Unternehmen benachteiligt, wurde bereits mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016 die Belegausgabepflicht eingeführt. Die Belegausgabepflicht hat derjenige zu befolgen, der Geschäftsvorfälle mit Hilfe eines elektronischen Aufzeichnungssystems i. S. d. § 146a Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung, zum Beispiel elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen, erfasst.

Eine Evaluierung des Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen ist Ende des Jahres 2025 vorgesehen. Unter anderen soll das Zusammenspiel aller Maßnahmen, die mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen eingeführt worden sind, untersucht und beurteilt werden. Hierzu wird auch die Wirkungsweise, Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Praktikabilität der Belegausgabepflicht untersucht. Die vorgesehene Evaluierung bleibt abzuwarten.

imSalon: Sie schreiben „Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG knüpft daher an das Erbringen der Leistung im Haushalt des Steuerpflichtigen an (§ 35a Absatz 4 Satz 1 EStG). Voraussetzung für die Steuerermäßigung ist des Weiteren, dass der Steuerpflichtige eine Rechnung für die Aufwendungen erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers erfolgt ist (§ 35a Absatz 5 EStG). Unter diesen Voraussetzungen kann im Haushalt des Steuerpflichtigen erbrachte Friseurdienstleistung in den o.g. Grenzen steuerlich berücksichtigt werden.“

Dies würde bedeuten, dass Mobilfriseure, die im privaten Haushalt Ihre ordentliche Dienstleistung gegen Rechnungslegung erbringen, vom jeweiligen Haushaltsmitglied steuerlich geltend gemacht werden können. Dies wäre ein guter Hebel gegen die auch im Privaten boomende Schwarzarbeit im Friseurhandwerk. Allerdings liegen uns hierzu widersprüchliche Aussagen vor. Der Zentralverband für das deutsche Friseurhandwerk sowie Deutsche Handwerkskammer betonen, dass das nicht richtig sei:
Diese sind nämlich der Rechtsauffassung, die auch von den Finanzämtern geteilt wird, dass die Friseurdienstleistung
keine haushaltsnahe Dienstleistung ist und daher §35 EStG nicht zur Anwendung kommt. 

Was denn nun?

Die Begünstigung von Friseurdienstleistungen ist nur in Ausnahmefällen möglich. Die konkrete Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die Inanspruchnahme von einzelnen Dienstleistungen nach § 35a EStG – so auch den Friseurdienstleistungen - ergibt sich aus dem BMF-Schreiben „Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen (§ 35a EStG)" vom 9. November 2016 (BStBl. I, 1213). Danach sind Friseurdienstleistungen als personenbezogene Leistungen unter den dort dargelegten engen Voraussetzungen (Rn. 12, 13) absetzbar. D.h. Friseurdienstleistungen können ausnahmsweise nur dann begünstigt sein, wenn sie gegenüber Pflegebedürftigen erbracht werden. Der konkrete Steuervollzug im jeweiligen Einzelfall obliegt jedoch den Ländern.

FAZIT 2: Wie soll unsere Arbeit in einem solchen Paragrafendschungel jemals auch nur ansatzweise entbürokratisiert werden? Offensichtlich kennt man selbst die vielen Ausnahmen der Ausnahmen der Ausnahmen nicht bis ganz ins Detail. 

Nun denn Mobilfriseure, die einen Pflegebedürftigen frisieren sind offensichtlich steuerlich absetzbar. Das ist freilich lobenswert aber in der Masse marginal und bringt das Handwerk nicht weiter. 

Auf die eigentliche Frage, ob dies nicht ein guter Hebel sei, dazu hält man sich bedeckt. Offensichtlich sieht man diesen Hebel aber eben nur bei Handwerkerleistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen. Wo bleibt da die Gleichberechtigung, die sonst immer als Killerargument herhalten muss?
"Die Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen wurde zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in privaten Haushalten eingeführt ..."  Es scheint also zu funktionieren, weshalb aber nicht bei der persönlichen Dienstleistung?


imSalon:Zielführend wäre es, wenn sich Schwarzarbeit weniger lohnen würde. Je höher Steuer- und Sozialabgaben sind, desto mehr lohnt sich Schwarzarbeit.
Weshalb gibt es keine Ansätze, die zumindest für Personalintensive Unternehmen eine Reduktion der Steuerlast andenken? Denkbar ist hier nicht nur die Senkung der MwSt., sondern auch die Deckelung der Lohnnebenkosten auf 40%.


FINANZMINISTERIUM: Die Steuerlast auf Arbeitnehmer ist in Deutschland zuletzt gesunken, auch in Folge der Anhebung des Grundfreibetrags und des Ausgleichs der Effekte der kalten Progression im Inflationsausgleichsgesetz. Dies erhöht die Nettoeinkommen bei gleichbleibenden Bruttoeinkommen und kommt damit auch arbeitsintensiven Betrieben zugute. Eine Begünstigung einzelner Sektoren über die Senkung der Umsatzsteuer ist nicht zielführend.

Der demographische Wandel wird die Sozialversicherungen in Zukunft noch stärker belasten. Sozialversicherungsbeiträge dürfen nur in dem Umfang erhoben werden, der für die Finanzierung sozialer Sicherung in den einzelnen Zweigen unerlässlich ist. Für eine Begrenzung des absehbaren Ausgabenwachstums und der Beitragssätze sind Strukturreformen in allen Sozialversicherungszweigen erforderlich.

FAZIT 3: Das beantwortet unsere Frage nicht, diesem Thema weicht man im großen Bogen aus. 


imSalon: Energiepreisbremse und ähnliche Subventionen sind toll für Unternehmen, die in diesen Bereichen hohe Ausgaben haben. Nicht jedoch für personalintensive Dienstleister wie Friseure und Kosmetik, die immerhin 15% der Handwerksbetriebe stellen.
Es ist die Aufgabe der Politik faire Rahmenbedingungen für alle Gewerke zu schaffen.
Wo bleiben hier Lösungen, die gezielt nachhaltig helfen?


FINANZMINISTERIUM: Mit dem im März 2024 verabschiedeten Wachstumschancengesetz werden Unternehmen in allen Sektoren entlastet. Neben steuerlichen Entlastungen enthält das Wachstumschancengesetz wichtige Maßnahmen, welche das Steuersystem vereinfachen und so den Erfüllungsaufwand gerade für kleinere Betriebe reduzieren.

FAZIT 4: Siehe Fazit 3.