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15.05.2024

Forderung nach Mindestlohnanhebung auf 15 Euro - Bundeskanzler kritisiert Mindestlohnkommission

Ein Paukenschlag für alle Arbeitgebenden im Friseurhandwerk und die große Frage, wer bestimmt in Zukunft den Mindestlohn und auf welcher Grundlage...

"Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben", so Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit dem Magazin Stern, worin er ebenfalls mit einer Kritik an der Mindestlohnkommission aufhorchen ließ. "Die Arbeitgeber haben nur auf einer Mini-Anpassung beharrt." 

Mit diesen Aussagen hat der Bundeskanzler für ordentlich Kritik gesorgt. Nicht nur Arbeitgeberverbände, Wirtschaftsvertreterinnen*Wirtschaftsvertreter, Medien und freilich die Opposition riefen umgehend mit umfangreicher Kritik zur Debatte auf. 

Auch der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks kritisiert den Vorstoß des Kanzlers und die damit verbundene Verunsicherung und Existenzängste der Unternehmenden des Friseurhandwerks. Der mit der Forderung verbundene Lohnanstieg von 17,2% hat unabsehbare Konsequenzen für Beschäftigte wie für Unternehmende in der wirtschaftlich angeschlagenen Branche.

„Der Vorstoß des Kanzlers ist zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollziehbar. Die Verhandlungen zum Mindestlohn gehören nicht in die Presse, sondern in die Mindestlohnkommission“, äußert sich Manuela Härtelt-Dören, Präsidentin des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks (ZV), zum Statement des Bundeskanzlers. Dem Friseurhandwerk, welches ohnehin durch Krisen, Inflation und anhaltende Konsumzurückhaltung geschwächt ist, drohen existenzgefährdende Auswirkungen durch die Erhöhung des Mindestlohns.

Der gesetzliche Mindestlohn hat negative Auswirkungen auf das gesamte Lohngefüge und bedeutet einen Eingriff in das bewährte System der Sozial- und Tarifpartnerschaft. Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage kommt die Forderung zur Unzeit. Kritisch ist ebenfalls zu bewerten, dass die Debatte in der Öffentlichkeit ausgetragen wird. „Der gesetzliche Mindestlohn ist kein politischer Spielball“, kritisiert Christian Kaiser, Vorsitzender des ZV-Wirtschaftsausschusses. Weiter sagt er: „Das sozialpartnerschaftliche System hat sich Jahrzehnte bewehrt. Der politische Eingriff wirkt sich immens auf die bestehenden Tarifverträge im Friseurhandwerk aus und konterkariert aktuell laufende Tarifgespräche mit Verdi. Aus guten Gründen sitzen Arbeitnehmende und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zusammen. Beide Seiten sind Experten ihrer Branche und wissen, was für die Betriebe wirtschaftlich tragbar und zumutbar ist.“

Die Sozial- und Tarifpartnerschaft ist zentrales Element einer funktionierenden und sozialen Marktwirtschaft. Dieser Austausch gewährleistet den Interessenausgleich zwischen der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und den Lohn- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Die Tarifverträge der Landesinnungsverbände im Friseurhandwerk zeigen deutlich, dass hier die regionalen Eigenheiten und Wirtschaftssituationen berücksichtigt werden. Das erzeugt hohe Akzeptanz im Rahmen der Tarifgemeinschaft, sowohl auf Seiten der Betriebe als auch auf Seiten der Beschäftigten. Eine Festsetzung des Mindestlohns wirkt sich dagegen vollkommen anders aus und ignoriert die branchenspezifische Marktsituation. Der Vertrauensverlust der Betriebe durch den Vorstoß und Eingriff der Politik in die Mindestlohndebatte ist nicht mehr gut zu machen. Mindestlohn ist kein Thema für den politischen Wahlkampf. Die Politisierung öffnet der Willkür und dem Populismus Tür und Tor. Die Vorgehensweise der politischen Parteien und des Bundeskanzlers mit der Mindestlohndebatte auf Stimmenfang zu gehen und ihn zum wahltaktischen Element zu degradieren, ist scharf zu kritisieren. Damit droht eine Politisierung der Festsetzung des gesetzlichen Mindestlohns. Die Abkopplung des Mindestlohns von der Entwicklung und der Produktivität der Betriebe ist brandgefährlich. Negative Beschäftigungseffekte sind hier vorprogrammiert. Der Entscheidung über die Entwicklungen des Mindestlohns gehört in die Hände der Tarifkommission und nicht in die Hände der Politik.