

15.05.2025
„Wir müssen endlich Verkrustungen aufbrechen, das geht nicht Smoothie“
Als Neo-Obermeisterin will Denis Sabur viel in einem veralteten und verkrusteten System bewegen. Aber wie einen wir die unglaublich diverse Branche und verschaffen uns das nötige Gehör?
Denis Sabur im Gespräch mit Raphaela Kirschnick
Denis, du bist seit kurzem Obermeisterin der Friseurinnung Minden-Lübbecke, und du bist im Vorstand des Landesverbandes NRW. Wie geht es dir in deinem neuen Posten?
Denis Sabur: Genau, seit vier Monaten, ich bin als noch Baby-Obermeisterin. Es geht mir gut und ich freue mich etwas bewegen zu können.
Wie viele Innungsmitglieder gibt es denn in deinem Bezirk Minden-Lübbecke?
DS: Insgesamt sind 55 von 260 Betrieben in der Innung organisiert. Davon unterstützen mich aktiv 5 Betriebe, die sich engagieren.
Nur 21% der Betriebe sind zahlende Innungsmitglieder, das klingt traurig.
DS: Das spiegelt leider voll den Bundesdurchschnitt wider.
Woran liegt das?
DS: Wir haben eine Vielzahl an Kleinbetrieben, Solo-Selbständigen, Barbershops, sowie Salons von alteingesessenen Traditionsbetrieben bis hin zu hippen, jungen Konzeptsalons. Das ist eine ziemlich bunte Mischung, denn jeder Unternehmer hat natürlich seine individuellen Bedürfnisse und Probleme.
Kann man es da überhaupt schaffen Innungsmeisterin für alle zu sein?
DS: Das ist mein Ziel. Deshalb arbeiten wir daran, die richtige Schnittmenge zu finden, um dann jeden mitzunehmen. Die große Schnittmenge, die wir früher gehabt haben und die uns alle vereint hat, das haben wir heute nicht mehr.
„Wenn wir uns nicht gegenseitig unterstützen, wächst parallel eine Subkultur, die wir alle nicht wollen.“
Was sind Themen, die dich bereits beschäftigen?
DS: Wir haben viele selbstständige Frauen und die alle eint das Thema Schwangerschaft und dem mangelhaften Mutterschutz für Unternehmerinnen. Wir überlegen, wie wir das natürlich politisch voranbringen, aber auch wie man durch Kooperationen diesen jungen Frauen die Chance gibt, trotzdem glücklich Mutter zu sein und ihr Unternehmen nicht an den Haken hängen müssen. Ich versuche, dieses ganze Thema Konkurrenzdenken mal auszublenden. Wenn wir uns nicht gegenseitig unterstützen, wächst parallel eine Subkultur, die wir alle nicht wollen.
Aktuell sind die Zollbehörden sehr aktiv mit Schwarzarbeit-Kontrollen. Wie ist hier eure Erfahrung?
DS: Ganz spannend. Ich habe im vergangenen Herbst einen offenen Brief an unseren Landrat geschrieben, worauf ein langes Gespräch im Januar folgte. Er hat im Anschluss diverse Dinge veranlasst, unter anderem wurden einige Betriebe auf ihre Meisterpflicht hin überprüft und die waren bei uns alle sauber. Nichtsdestotrotz wissen wir von Kollegen, die Barbershops ohne Meister führen. Hier bereiten wir gezielte Angebote vor, um sie auf die Meisterprüfung vorzubereiten und a la long zu legitimieren.
„Wir müssen endlich Verkrustungen aufbrechen, und das geht eben nicht immer nur Smoothie.:.“
Du bist angetreten, um etwas zu ändern. Ich kenne ein paar FriseurInnen, die das auch wollten und irgendwann aufgaben, weil sie immer wieder zurückgepfiffen wurden. Wie nimmst DU das wahr?
DS: Naja, es ist ja auch eine eigene Welt, die über viele Jahre in einer Komfortzone gelebt hat. Jetzt sind wir gezwungen, uns zu bewegen. Das heißt eben auch, dass wir alte Strukturen verändern müssen. Wir müssen Verkrustungen aufbrechen, und das geht eben nicht immer nur Smoothie, das ist mit Anstrengung verbunden.
„Die Widerstände aus altem Denken sabotieren…“
Also auf in den Kampf?
DS: Ja. Die Widerstände aus altem Denken sabotieren – bis hin zu Versuchen der Diskreditierung der Personen, die für den Wandel stehen – sind der häufigste Grund, warum KollegInnen mit neuem Spirit wieder aufgeben.
Die Schärfe kommt aus den nicht konstruktiven Reihen. Ein empörtes ‚Das hätten wir uns niemals getraut‘ oder ‚Daran hätten wir uns nie gewagt zu denken‘ zeigt, wie sehr Ängste dominieren. Am liebsten würde ich dann sagen: „Ja, ich weiß! Genau deshalb sind wir da, wo wir sind.“
Ich fürchte mich nicht davor, klar zu sagen, was ich sehe und erlebe – und das ist nicht respektlos. Aber ich glaube, wenn man eine Vision und viel Durchhaltevermögen hat, dann gelingt das auch.
Was ist deine Vision?
DS: In der aktuell schwierigen Situation liegt eine riesige Chance, es findet eine Selektion von Betrieben statt und ich bewerte das als gut für uns, da wir uns alle neu erfinden dürfen. Also Individualismus nicht nur in der einzelnen Person, sondern auch in der Kreativität des eigenen Unternehmens schaffen. Wenn dieser Findungsprozess abgeschlossen ist, dann sehe ich eine schöne neue Friseurwelt, in der wieder echt gemeinsam agiert wird.
Du bist im Vorstand des NRW Landesverbands, einem der wichtigsten Bundesländer. Was können wir politisch auf Länderebene tun, um stärker gesehen zu werden?
DS: Da passiert schon eine ganze Menge. Aber Fakt ist, wir sind als Handwerk zu klein, um echtes Interesse bei der Politik zu wecken. Wir können Rettung durch uns selbst haben, indem wir uns qualitativ und unternehmerisch, aber auch fachlich weiterentwickeln, die Preise stark weiterentwickeln, sodass wir irgendwann auch als Gemeinschaft ein Volumen haben, was für die Politik auch tatsächlich interessant wird.
„Irgendwann greifen alle einmal auf den Fachkräftemarkt zurück, wenn sie Personal brauchen, das heißt, irgendjemand hat da mal investiert. Einen Ausbildungsfonds finde ich deshalb nur fair.“
Bis dahin müssen wir dennoch für faire Rahmenbedingungen kämpfen. Das beginnt mit Kleinunternehmergrenze, Schwarzarbeitskontrollen und Ausbildung.
DS: Korrekt und da haben wir ja auch unglaublich viel in den letzten beiden Jahren angestoßen und auch dank imSalon sehe ich, wie vieles synchronisierter läuft. Du erwähnst Ausbildung, auch das ist ein ganz wichtiges Thema. Ich finde diesen Gedanken, eine Art Fonds zu gründen, superschön. Das muss allerdings auf Bundesebene passieren. Alle Betriebe, die sich bewusst gegen Ausbildung entscheiden, sollten in einen Fonds einzahlen, um die, die aktiv ausbilden zu unterstützen. Es ist völlig legitim nicht auszubilden und ich verstehe das auch. Dennoch greifen alle irgendwann einmal auf den Fachkräftemarkt zurück, wenn sie Personal brauchen, das heißt, irgendjemand hat da mal investiert. Einen Ausbildungsfonds finde ich deshalb nur fair.
Dies fordern viele, zumindest all jene 10%, die noch ausbilden. Es passiert hier aber auch nicht viel.
DS: Weil alles so unendlich lange dauert. Aber wir haben bereits einige Gespräche mit der Handwerkskammer geführt. Ich glaube, es geht um den Verwaltungsaufwand, der dahintersteckt, obwohl auch das leicht umsetzbar sein müsste, denn die Handwerkskammer hat den Überblick über die Handwerksrolleneinträge und darüber wer ausbildet. Aber unterm Strich glaube ich, dass das Problem noch nicht richtig erkannt wurde, das heißt für mich dranbleiben und kämpfen.
Was wünschst du dir für das Verbandswesen? Was, was muss passieren, damit da ein Umdenken und in Teilen auch eine Erneuerung stattfindet?
DS: Ich glaube, dass einige schon zu lange an ihren Stühlen kleben. Das ist auch ein Zwiespalt zwischen respektvoller Ehrfurcht vor jemanden, dem man nicht sagen möchte ‚Du musst jetzt mal gehen‘.
Der berühmte Biden-Effekt?
DS: Optimal ist natürlich, wenn jemand nicht aus dem eigenen Ego heraus getrieben sein Amt besitzt, sondern der Sache wegen und erkennt, wenn er oder sie nicht mehr richtig ist an der Stelle und jemand anderes das vielleicht besser machen könnte. Ich bin auch überzeugt, dass das etwas ist, was Frauen grundsätzlich besser können. Ich sag’ das jetzt mal so und lade alle, alle, alle Frauen, die wirklich Lust haben, was zu bewegen, ein, sich zu engagieren in diesen Ämtern, denn die Zeit ist jetzt reif.
Dann werden wir genau diesen Aufruf jetzt starten und nochmal betonen, Frauen gebt nicht auf und macht euch in Ämtern stark.
DS: Es wird besser, ich spüre und sehe den Umbruch.
Liebe Denis, ich danke dir für dein Engagement und deinen sprühenden Optimismus. Das tut gut und wir imSalonistas unterstützen das gerne. Jetzt genießen wir noch einen Nachmittag mit spannendem Austausch beim Wella Destination Event auf Malta. Schön, was sich alles bewegt.

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