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08.11.2024

"Unsere Wertigkeit steigt mit jeder Preiserhöhung"

Voller Freude blickt Carlos Barroca auf die Farbpalette 2025 und sieht dabei folgende Entwicklung: Extreme Farbgegensätze, Strähnen sind wieder in, Colour Correction muss auf die Preisliste, ebenso wie Hair Repair.

Carlos Barroca, Salonunternehmer und L'Oréal Professionnel Akteur, im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Du warst gerade einer der Main Acts der Future You Tour von L'Oréal Professionnel. Was verändert sich im Farbsektor?
Carlos Barroca:
Wenn ich auf der Bühne stehe, wie vor kurzem in München für L'Oréal Professionnel,recherchiere ich immer monatelang, denn wir müssen lernen über den Tellerrand hinauszuschauen. Ein bedeutender Einfluss hat auf mich Pantone, denn daran orientieren sich die großen Modelabels. Die 2025er-Farbpalette präsentiert eine Mischung aus natürlichen, warmen Tönen sowie mutigen, modernen Akzenten. Warme Gold-, Bronze- und erdige Rottöne, sowie Gelbgold und Kupfer stehen im Fokus und werden von kühleren Nuancen wie Asch- oder Mocca-Rose durch die Saison begleitet. Die Farben bilden starke Gegensätze, zeitgleich erleben wir ein Revival von sehr dunklen, düsteren Farben, aber auch hier durchzogen von lebendigen Tönen, wie grünen Akzenten.

Was sind aktuelle Kundenwünsche?
CB:
Wir merken einen Rückgang von Balayage und einen starken Anstieg an Strähnentechniken. ‚Strähnen‘ ist leider ein angestaubter Begriff, da wählen wir entsprechendes Wording, ob in Preislisten oder sozialen Medien.

Was sind die gängigsten Alternativbegriffe für Strähnen?
CB:
Ich benutze gerne Begriffe wie „Highlighting, Babylighting, Lowlighting, Face Framing, Foilyage, Rooted Blonde, Dimension Color“, aber genauso „klassische Strähnen“, wenn ich Ü50 Kundinnen bediene. Ich finde, man muss das Wording immer an die Kundschaft anpassen.

Wie emanzipiert sind Kundinnen heutzutage, wenn es ums Wissen der Chemie bei Haarfarben geht?
CB:
Circa jede fünfte Colorationskundin möchte wissen, was da auf ihre Haut kommt, dieses Bewusstsein ist in den letzten Jahren extrem gestiegen.

Das erfordert sehr viel Fachwissen von Seiten des Friseurs. Wie bereitest du dich und dein Team darauf vor?
CB:
Mit jedem Update müssen wir uns weiterbilden. In meinem Salon machen wir das als Gruppe, manchmal holen wir uns einen L'Oréal Professionnel Trainer für ein Salon-Coaching ins Boot oder arbeiten mit dem Online-Portal ACCESS oder nutzen Social-Media-Plattformen. Unsere Kunden erwarten von uns, dass wir uns auskennen.
Außerdem gibt es nichts Professionelleres, als vor Kunden über Besonderheiten zu sprechen. Nimm zum Beispiel iNOA; es gibt viele ammoniakfreie Haarfarben im Markt, aber eben keine auf Öl-Basis mit patentierter Technologie. Das begeistert und überzeugt unsere Kunden.

Welche Trends beobachtest du bei Haarschnitten?
CR:
Ganz stark im Kommen sind Ponys, von Micro-Bangs über lange, seitlich fallende Ponys bis hin zu voluminösen Blunt Bangs.
Ponyvariationen bieten viel Spielraum und Veränderungsmöglichkeiten. Friseure, die nicht in diese Trickkiste greifen und eine schöne Beratung damit aufbauen, verlieren definitiv an Ideenreichtum und Diversität. Das wird im nächsten Jahr riesig und darin liegt eine große Chance.

„Meines Erachtens wurde zu stark auf Balayage gesetzt, das rächt sich jetzt.“

Auch Ponyschneiden will gelernt sein, gibt es denn hierzu eigene Seminare?
CB:
Wir brauchen ganz sicher Pony-Schneidetrainings. Ich sehe aber auch einen großen Bedarf an Seminaren zu klassischen Foliensträhnen und deren Trendvarianten, weil zu viele Friseure nur noch weichzeichnen können. Viele junge Coloristen können nicht mehr Strähnen. Meines Erachtens wurde zu stark auf Balayage gesetzt, das rächt sich jetzt. In meiner Masterclass mit L’Oréal Professionnel zeige ich darüber hinaus der Friseur-Community, wie sie das Ponyschneiden und andere Haarschnitte an die jeweilige Coloration anpassen kann.

Was tust du, um Kundinnen aktuell zu halten? Viele beklagen den Rückgang bei Kundenbesuchen.
CB:
Daran ist die Branche selbst schuld! Wir haben es zugelassen, dass ein Balayage-Trend so stark wird, dass Kunden nicht mehr alle 8 Wochen zum Färben kommen, sondern nur noch ein- bis zweimal pro Jahr. Wir haben das als Trend deklariert und viel zu spät das richtige Pricing angesetzt für eine Balayage-Kundin, die teilweise bis zu 5 Stunden im Salon sitzt. Viele Herausforderungen sind Selfmade. 

Und wie sieht es mit Zusatzservices aus?
CB:
Es wurde einiges angeboten, von Fresh-ups bis Glossing-Services. Meiner Meinung nach hat das nicht den gewünschten Effekt gebracht. Wir haben das alles aufgegriffen, einige Kunden nehmen das an, aber eben nicht alle. Das liegt aber auch daran, dass mehr und mehr Kundinnen flexible Looks verlangen.

Was glaubst du, würde sinnvoller sein?
CB:
Es gibt Services, mit deren Umsetzung sich Friseure enorm schwertun, dazu zähle ich die Color Correction. So viele Leute laufen mit verkorksten Haarfarben herum und wünschen sich eine Farbkorrektur, nur das findest du auf keiner Preisliste. Ebenso ist Hair Repair ein ganz starkes Thema. Kopfhaut ist wichtig, wir haben so viel Haarausfall, wie nie zuvor. Mittlerweile schicken Hautärzte die Leute zu uns, weil wir tolle Kopfhaut-Services, wie Peelings anbieten. Aber all das muss kommuniziert werden.

Stichwort Preise, wie gehst du kalkulatorisch vor?
CB:
Bei uns werden die Preise jedes Jahr neu kalkuliert. Das basiert auf Materialkosten, der Arbeitszeit, Weiterbildung sowie den allgemeinen Betriebskosten.  Aber auch sämtliche Benefits meiner Mitarbeitenden fließen da hinein. Ich brauche kein Unternehmen zu führen, das keine Gewinne abwirft.

Wo liegt ihr preislich?
Unsere Preise sind kategorisiert nach Erfahrung. Waschen, Schneiden, Föhnen kostet bei mir persönlich 100 Euro, beim Master 82 Euro und beim Top-Stylisten 77 Euro. Top-Stylisten sind junge Mitarbeiter, entweder frisch ausgelernt oder mit bis zu drei Jahren Berufserfahrung.

Gibt es bei euch Diskussionen über Preise vonseiten der Kundschaft?
CB:
Eher weniger. Wir sind sehr transparent mit unseren Preisen, die stehen überall. Neuen Kunden machen wir deshalb immer einen Kostenvoranschlag oder bieten einen kostenlosen Beratungstermin vor Ort oder online per FaceTime. Wenn sich das jemand trotz alternativer Beratungsansätze nicht leisten möchte, dann ist das voll ok für mich. Ich bin Unternehmerkind und auf Effizienz und Gewinn trainiert. Was anderes gibt es für mich nicht.

Wie schaffen wir es, eine Wertigkeit aus Kundensicht zu erreichen?
CB:
Das ist ja ein Generationenthema. Da geht es um Werte und diese kriegst du bis zu deinem 12. Lebensjahr beigebracht, danach ist es vorbei und du entwickelst daraus deine eigene Persönlichkeit. Das heißt, diese ganzen Leute, die jetzt damit nicht klarkommen, die wirst du mit unserer Preisklasse niemals abholen. Gäste unter 30 sind mittlerweile bereit, diese Preise zu bezahlen.

„Unsere Wertigkeit steigt mit jeder Preiserhöhung.“

Aber wir müssen doch trotzdem dafür kämpfen?
CB:
Wieder mal ist es so, dass die Branche selbst daran schuld ist. Wenn ich die Kommentare in diversen Internet-Foren sehe, was da von Unternehmern geschrieben wird: „Ich kann nicht nochmal meine Preise erhöhen, weil ich habe sie letztes Jahr schon erhöht“. Ja, aber die Situation hat sich doch seit einem Jahr auch in deinem Laden verändert. Die Wertigkeit in diesem Job steigt nicht, indem die Preise sinken oder gleich bleiben. Unsere Wertigkeit steigt mit jeder Preiserhöhung.

Dann wäre da noch die Schwarzarbeit!
CB:
Wer heutzutage als Gast 15 bis 40€ für einen Haarschnitt zahlt, handelt grob fahrlässig, denn das unterstützt Schwarzarbeit. Solange dieses Bewusstsein nicht vorhanden ist, tut man der ganzen Gesellschaft nichts Gutes.

2025 rückt immer näher, was prognostiziert für das nächste Jahr?
CB:
Ich hoffe, dass die Education-Zahlen weiter steigen und die Saloninhaber weiterhin in die Ausbildung ihrer Mitarbeitenden investieren, denn das macht unsere Professionalität aus. Da es keine großen Trends mehr gibt, werden wir immer wieder kleine Updates sehen. Und wie eingangs gesagt: Bangs, geschickt platzierte geometrische Farbkontraste und tolle Farben wie gelb, grün, Moccha-rosé,… Ach, ich freue mich darauf.

Lieber Carlos, ich danke dir für das Gespräch und wünsche dir weiterhin viel Erfolg.