Credit: Ulrich Junga

20.09.2024

Berufsbild Herrenfriseur wäre Lösung gegen Barber-Schwarzarbeit

Ulrich Junga ist "The Historical Barber" und lebt sein Konzept authentisch und mit Leidenschaft: Nur Rasiermesser, über 120 Jahre alte Barbierstühle, eigene Seifenrezeptur und politisches Engagement für die Einführung des Herrenfriseurs.

Im Gespräch mit Katriina Janhunen

imSalon: Wenn du nicht in deinem Laden im Harz stehst, bist du als „The Historical Barber“ auf Mittelalter-Märkten und Fantasy-Festivals unterwegs – erzähl mal!
Ulrich Junga: Ich habe auf Mittelalter-Märkten Seifen verkauft und mich selbst seit gut 20 Jahren mit dem Messer rasiert. Immer wieder kamen Nachfragen „Kannst du mich auch mal rasieren?“ – also habe ich mich informiert, was ich machen darf.

Beim Gewerbeamt hat man mir gesagt, eine historische Messerrasur wäre kein Gewerbe, das ich eintragen kann, sondern eine „Darstellung“. Also habe ich den Verkauf von Seifen auf Rasiermesser erweitert und ein Gewerbe angemeldet. Fast 10 Jahre hatte ich einen Laden als Barbier in einem Wildwest-Freizeitpark und jetzt meinen eigenen in einer alten Fleischerei im Harz. Bei den Festivals bin ich in ganz Deutschland unterwegs. 

Wie hast du das Rasieren gelernt?
Den Großteil meines Wissens habe ich aus alten Friseurbüchern, die ich in Antiquitätenläden finde. Alte Kataloge aus den Staaten, zum Teil mit alten Rezepturen drinnen, ein bisschen Goldstaub eben. Wenn man das liebt, legt man den Beruf am Abend nicht einfach ab.

Ich bin sehr tief in dem Thema drin und habe mir immer mehr historisches Wissen angeeignet. Meine Tapete ist Original aus 1900 und meine Rasiertassen aus Amerika – alles soll so sein wie damals. Ich arbeite wie im 19.Jahrhundert mit manuellen Handclippern und habe die alten Seifenrezepturen selbst ausprobiert. Ich würde auch gerne Friseure und Barbiere zu dem Thema Messerrasur und Bartpflege schulen und dieses alte Wissen weitergeben.

Was erwarten sich die Kunden von einem Besuch bei dir?
Es geht vielen um das Erlebnis und die Historie – manche kommen extra angereist oder planen einen Besuch bei mir im Urlaub dazu, so als kleine Zeitreise. Sie genießen es, ohne das Getue und den Lärm der Maschinen. Manche schlafen auch ein – in den alten Stühlen liegt man ja fast.

Ich hole die Kunden aus ihrem hektischen Alltag raus, daher habe ich auch Kunden, die regelmäßig kommen. Viele Handwerker aus der Gegend, die den Bart vernünftig gemacht haben wollen. Und auf den Festivals sind es natürlich einfach alle.

Ich stimme den Bart wirklich auf den Kunden ab – viele Kollegen benutzen ja nicht mal einen Kamm und können nur ein, zwei Schnitte. Ein guter Bartschnitt ist nachhaltig, weil der Kunde soll ja länger was davon haben.

Eine Friseurausbildung hat dich nie interessiert?
Das war für mich nie ein Thema – ich verdiene so viel wie ein Friseur, nur mit Rasieren. Drei Jahre unterbezahlt eine Ausbildung machen, lohnt sich da nicht. Ich könnte meine Wohnung nicht bezahlen und wenn ich danach nur die Herrenschiene mache, brauche ich die Hälfte nicht mehr.

Ich habe zum Innungsobermeister gesagt, wir müssen den Herrenfriseur wiederbeleben, dann hätte ich auch die Ausbildungen gemacht. Aber so muss ich als „Industrie und Handel“ angemeldet bleiben.

"Der Herrenfriseur muss als Gewerbe und als Ausbildung eingeführt werden, nach amerikanischem Vorbild"

Wie, du hast dich bei der Innung für einen Herrenfriseur starkgemacht?
Ja, ich habe mich eigentlich mit der Innung getroffen, weil ich die Schwarzarbeit eines Barbiers angezeigt habe. Wir haben uns lange unterhalten, was gerade Phase ist. Ich habe mich gefragt, was man machen kann, um den Barbier aus der Schmuddelecke herauszuholen. Der Herrenfriseur muss als Gewerbe und als Ausbildung eingeführt werden, nach amerikanischem Vorbild. Damit würde man einen Sack um das Thema Barbier machen.

Wie waren die Reaktionen darauf?
Die Kreishandwerkerschaft, der Innungsobermeister und ich haben versucht, eine Ausnahmegenehmigung für mein Konzept zu kriegen, wenn ich die nötigen Fortbildungen dazu mache. Die Handwerkskammer hat das abgelehnt. Mein Salon läuft jetzt in Absprache mit der Innung als „Teiltätigkeit Herrenfriseur" für Rasur und Bartpflege.

Mit meinem Salon nutze ich auch diese Lücke, die es in Deutschland gibt, aber wenn man die Schwarzarbeit der Barber unter Kontrolle bekommen möchte, muss man den Beruf des Herrenfriseurs einführen. Die aktuell Arbeitenden könnten ja Amnestie kriegen, bis sie eine Prüfung machen können. Die Frage ist, ob das gewollt ist, oder nicht. Der ewige Kleinkrieg zwischen Friseuren und Barbieren würde damit aufhören.

Wie reagieren denn die Friseurkollegen auf dein Konzept?
Viele lernen mich auf den Veranstaltungen kennen und sind begeistert, weil ich mit den alten Werkzeugen arbeite. Viele Kollegen machen ja 50er oder 20er Jahre Frisuren auf Veranstaltungen – teilweise holen sie mich dann für die Rasur dazu, weil sie wissen, dass ich das gut mache.

Richtiges Handwerk, bei dem die Leute danach gut aussehen, das läuft immer. Ich bin jedes Jahr auf einem Gothic Festival, da stehe ich den ganzen Tag am Stuhl und danach bin ich richtig geschafft. Die Konzentration ist nach so einem Tag einfach durch, die Leute stehen aber Schlange. Ich trinke dann immer demonstrativ mein Feierabendbier, damit keiner mehr kommen kann, ob es nicht doch noch geht.

Die zwei ältesten Barbierstühle Europas stehen bei dir im Laden und du nimmst sie auch mit auf die Festivals - wo kamen die her?
Beide sind aus den USA – dort sind Barbiere ein sehr großes Thema und die hydraulischen Stühle gibt es dort seit 1895. Den Zweiten hatte ich nur als Ersatzteillager für den Ersten gekauft, bis ich an der Seriennummer gesehen habe, dass er noch älter ist, nämlich von 1898. Die Kunden sind schon beeindruckt davon, aber haben auch manchmal Angst, etwas kaputtzumachen.

Wonach wählst du deine Produkte aus?
Ich selbst verwende meine originalen, alten Messer. Die Rasiermesser, die ich verkaufe, sind nur von deutschen Traditionsherstellern, zum Teil streng limitiert und natürlich Neuware.

Ich teste alles, was ich verkaufe an mir selbst und gerade bei Rasierseifen bin ich sehr kritisch. Ich habe mich mit einem Seifenmeister zusammengesetzt und so lange daran gearbeitet, bis die Konsistenz wirklich gepasst hat. Damit schaffe ich Arbeitsplätze bei einer Lebenshilfeeinrichtung und habe ein Top-Produkt nach meinen Vorstellungen, mit meinem Namen. Manche meiner Kunden kaufen auch nur Seife und Pinsel und brauchen dazu noch die Beratung.

Wie sind die Zukunftspläne eines historischen Barbiers?
Ich habe genug Pläne! Ich muss noch ein, zwei Brettchen zusägen und ich reise viel auf den Märkten.  Da ist man eine Woche raus aus der Welt mit 12.000 Menschen, die alle ihre Rolle spielen…