26.01.2015

Sylvie Moreau im Interview

Wir haben mit Sylvie Moreau geprochen, über Karrierefrauen, französisches Lebensgefühl, jugendliche Social Media Experten und Weiterbildung, die sich immer neu erfinden muss...

Fakten

  • Geboren und aufgewachsen in Frankreich
  • Bei P&G seit 1994
  • Global Wella Executive Vice President

imSalon: Wie würden Sie einem Friseur erklären, was Sie tun? Sie haben eine sehr wichtige Position bei Wella, aber was ist es eigentlich, was Sie im Alltag arbeiten?
Sylvie Moreau: Nun ja, ich leite die internationalen Marketing-Teams und wir entwicklen neue Produkte und deren Auftritt am Markt. Das heisst Verpackungsdesign, Werbung und wir sind in enger Zusammenarbeit mit der Forschungsabteilung bei der Entwicklung der Formulierungen. Wir arbeiten mit den Agenturen zusammen und wir erarbeiten die Kommunikationsmaterialien. Wir arbeiten auch mit Stylisten zusammen für die Fotoshootings. Ganz simpel: Wir sind die "Inhalts-Erstellungs-Maschine". Wir sind verantwortlich für alle Produkte und Materialien, die wir den Friseuren anbieten. Seit kurzem bin ich auch verantwortlich für die „Global Operations“, also unsere Vertriebsgesellschaften in den Ländern.

imSalon: Sie organisieren aus Genf die ganze Wella-Welt?
Ja – in Genf ist unser internationales Headquarter. Die Entwicklung, also unsere Wissenschaftler, sind grossteils in Deutschland. Ein paar davon auch verteilt in USA, China und Japan. 

imSalon: Sie reisen viel, haben eine tolle Karriere, sind Mutter – was treibt Sie persönlich an?
Die Branche ist phantastisch, es ist eine Branche, die wirkliche Werte für die Kunden erschafft. Es macht einen Unterschied im Aussehen der Kunden und in Ihrem Leben. Es ist eine sehr wertvolle, liebevolle und liebenswerte Industrie. Bei uns gibt es keine Konfrontationen – wir unterstützen uns gegenseitig. Das alles zusammen gibt mir viel Energie. 

"Ich wurde mit dem Wissen erzogen, dass Männer und Frauen gleichwertig sind"

imSalon: Sie sind eine so energiegeladene Person. Sie haben Familie und sind damit auch ein Vorbild für andere Frauen, was eine Führungsposition betrifft. Wie bringen Sie das alles mit Ihrem Privatleben unter einen Hut?
Ich lebe eine Partnerschaft mit meinem Mann. Ich wurde mit dem Wissen erzogen, dass Männer und Frauen gleichwertig sind. Beide meine Eltern haben gearbeitet und ich dachte nie, dass es etwas anderes gibt. 

imSalon: Das ist etwas sehr Französisches, oder?
Ja – und ich glaube daran, dass die Gesellschaft unsere Einstellungen sehr stark prägt. So auch bei mir. Meine Mutter hat immer gearbeitet, hatte drei Kinder – mein Vater hat auch gearbeitet. Und ich habe meinen sehr unterstützenden Mann, der gut bügelt, den Geschirrspüler bedienen kann und auch kocht. Wir sprechen immer darüber wie es ist eine Karrierefrau und Mutter zu sein, aber worüber keiner redet, ist der logistische Part dahinter! 

imSalon: Ein Thema, was mir immer wichtig ist, sind die Frauen in der Branche. Wir wissen alle: 95% der Friseure sind weiblich. Wenn man sich aber die Chefetagen ansieht, sind dominieren Männer. Auch bei der Besetzung der Kreativ-Jobs. Bei Wella sind es Eugene and Josh. Ich finde, es wird Zeit für Frauen – was glauben Sie, warum Frauen es bisher nicht geschafft haben?
Genau das denke ich mir auch schon lange! Das ist ein wichtiger Punkt, den ich schon lange ändern möchte. Persönlich liebe ich es, in einer Branche zu sein, in der Frauen dominieren. Ich bin sehr gerne mit Frauen zusammen, ich habe eine Zwillingsschwester, also von Minute eins an, war ich in einem weiblichen Kontext. Darum habe ich auch viele Frauen in meinem Team und heuer werden wir die Jury der ITVA zu 50% mit Frauen und Männern besetzen

imSalon: Oh, das ist neu!
Ja – wir müssen Frauen in der Branche unterstützen, wo es geht. Aber ich denke auch, wenn ich mein Leben mit dem einer weiblichen Friseurin vergleiche, dass es für sie schwieriger ist. Man muss sich entscheiden, wenn du z.B. Editorial Stylings machen möchtest - du musst hart arbeiten, auch an Wochenenden und Abenden. Ich denke, es ist schwierig ein komplettes Leben zu haben und gleichzeitig eine große Karriere zu starten. 

"Ich möchte nicht Frauen vorwerfen, dass sie nicht präsent genug sind"

imSalon: Im Hintergrund sind oft Frauen, die ebenfalls ihre Abende und ihre Wochenenden verwenden, aber dennoch nicht gesehen werden. In Österreich wirkt es manchmal so, als ob Männer sich in den Vordergrund drängeln und nach aller Aufmerksamkeit haschen und tolle, talentiere Frauen eher an sich zweifeln. 
Oh ja! Es ist sehr herausfordernd an die Spitze und in den Vordergrund zu kommen. Sicherlich gibt es Unterschiede in männlichen und weiblichen Verhaltensweisen, die es Männern einfacher macht an die Spitze zu kommen. Wir müssen das Frauen zeigen. Es gibt Fähigkeiten, die ganz natürlich Frauen zugesprochen werden, wie Kommunikationsgabe, Teambuilding, aber weniger Dinge wie Strategie und Analyse. Daher halten sich Frauen vielleicht eher zurück und zeigen sich nicht so sehr wie sie sollten. Ich möchte das aber nicht so sehen. Ich möchte lieber unterstützen und nicht Frauen vorwerfen, dass sie nicht präsent genug sind. Ich möchte das positiv angehen und ihnen das Gefühl geben, dass sie es schaffen können. Ich will nicht, dass Frauen auch noch diesen Druck dazubekommen – dass sie anders sein müssen als sie sind. 

imSalon: Auf Bühnen sind auch immer Männer. 
Bei Wella sehen wir das auch. Fakt ist aber, es gibt weniger Angebot an weiblichen Bühnentelenten. Hier gibt es schon einen Unterschied. Die talentierten Stylisten, die sich an uns wenden, die sich präsentieren, die wir für unsere Shows auswählen, sind in erster Linie Männer! Ich möchte keine Frauen auf die Bühne stellen, die dafür noch nicht reif genug sind, nur weil sie Frauen sind. Damit tue ich den Frauen keinen Gefallen. 

"Endlich haben auch jene Leute eine Stimme, die sonst niemand gehört hätte"

imSalon: Man nent sie auch "Social Media Queen". Was mögen sie lieber- Facebook oder Instagram?
Instagram ist für Friseure phantastisch! Es ist ein in erster Linie visuelles Tool, da gibt es diesen künstlerischen Aspekt, durch die Filter und die Möglichkeiten die Bilder zu verändern. Und, ehrlich: Es ist superpraktisch, du kannst einfach auf beiden Plattformen posten. Endlich haben auch jene Leute eine Stimme, die sonst niemand gehört hätte, kleine Friseure, für deren Styles sich früher niemand interessiert hätte. 

imSalon: Wie viele Followers haben Sie?
Auf Facebook etwa 2000 und auf Instagram vielleicht 500 – es sind nicht so viele. Aber wissen Sie: Meine Tochter hat mehr!! Sie ist zwölf und hat 4500 Follower – sie hat eigentlich gar nichts zu sagen! (lacht) Schon die Zehnjährigen wissen, was als nächstes kommt und ich denke die Jugend ist eher auf Instagram. 

imSalon: Was sind andere Webseiten, die Sie gerne ansehen?
Die meisten Sachen finde ich eigentlich auf Instagram. Dort sind alle Fashion Blogger und Street Styler! Da kann ich auch Friseuren und Style Bloggern folgen. Wir haben doch alle keine Zeit und auf Instagram kannst du dich schnell inspirieren. Ich liebe auch die Vogue- das ist für mich DIE Beauty-Ikone. Sie ist vielleicht nicht sehr edgy, aber ich denke, man muss in der Mitte bleiben. Natürlich lese ich auch französische Wirtschaftsblätter. 

imSalon: Heute auf der Bühne haben Sie von Befreiung und Individualität gesprochen. In welcher Richtung wird Wella sich in den nächsten Jahren befreien?
Ich denke unsere Reise ist geprägt von den Talenten, die wir im Team haben, alle Künstler, die etwas beitragen. Wir kreieren Plattformen, die uns präsentieren und die sind groß genug, dass jeder mitmachen kann. Wir möchten, dass diese Bibliothek der Inspiration von überall gespeist wird. 

"Wir sind 'Haute Casual' "

imSalon: In vielen Teilen der Welt hat Wella dieses sehr traditionelle, konservative Image. Soll das so bleiben oder möchten Sie auch mal mehr edgy sein? Oder sind das die Marken Sebastian und Sassoon, die dafür stehen?
Wir würden gerne die Marke sein, die zu vielen Friseuren weltweit passt. Wella möchte einladend sein und Sebastian kann gerne ein bisschen mehr edgy sein. Wella sollte die modernste Marke sein, der Friseure vertrauen – ich denke, dass wir das verbinden können. Wir sind "Haute Casual" – universell und dennoch ein professioneller Service. Damit kann jeder etwas anfangen. Mit Hilfe von Social Media werden wir da weiterwachsen und weltweit Inspirationen teilen können. 

imSalon: Wird sich das auch in der Education zeigen?
Ich denke der Wella Friseur Service ist der stärkste Part unserer Wella Familie. Es ist das Herz von allem. Da sind wir bei einer tollen Etappe auf unserer Reise: mit tollen Produkten ausgestattet, mit einem Blickwinkel auf Haare, der recht streng ist, aber einladend. 

imSalon: Friseur Weiterbildung ändert sich momentan stark. Viele Friseure gehen nicht mehr zu Seminaren, Video-Education startet... merken Sie das schon?
Wir verändern unser Angebot natürlich auch, von den Inhalten und den Wegen, wie wir Information verarbeiten – darin haben wir uns richtig spezialisiert. Ein Konzept ist etwa der "Flipped Classroom". Früher war es so: Die Theorie machst du in der Klasse und alles andere in Gruppenarbeit ausserhalb. Es gibt jetzt neuere Ideen: Bevor du in ein Seminar gehst, machst du deine Hausarbeit, siehst dir online Videos an, dann in der Gruppe wirst du von den Leuten inspiriert, du kreierst und nachher gibt es ein Follow-Up. Wir möchten wirklich herausfinden, wie die Menschen lernen und das meiste aus sich herausholen können. 

imSalon: Eine letze Frage: Es gibt Gerüchte, dass Sie immer Ihren eigenen Stylisten auf Reisen dabei haben – stimmt das?
Ja, das stimmt. Es gibt einen Education Mitarbeiter aus unserer Gruppe, ihm vertraue ich sehr. Zu ihm kann ich immer gehen und er kümmert sich um mich. Es zeigt, dass es immer um Haare geht – wie meine Oma schon sagte: Schuhe und Haare. Das ist wohl Teil des Glamours, den mein Job mit sich bringt, dass ich ein bisschen Prinzessin spielen kann.