30.11.2015

Silvia Rausch ist stilaffin

Ihren Elan spürt man sofort! Silvia Rausch ist Unternehmerin mit Leib und Seele, sie mag Sachen, die Geschichten erzählen und lebt Multikultur in ihrem Salon. Ein Gespräch über Dinge, die zu kurz kommen, einen Ritterschlag, ihre Affinität zu Kunst und Design sowie eine offensichtliche Liebeserklärung…

Fakten

  • seit 34 Jahren Friseurin
  • seit 1993 Salonunternehmerin
  • 2 Salons in Waldshut-Tiengen und Kadelsburg
  • 16 Mitarbeiter | 2 Auszubildende

imSalon: Ihr Salondesign ist bestechend anders: Industriehalle trifft auf warmes Gold, kaltes Eisen und schwere Ledersofas unterm Kronleuchter auf 210 m2. Wo haben Sie das alles aufgetrieben?
In verschiedenen Ländern: Die Kronleuchter sind von Swarovski aus Österreich, die schweren Ledersofas aus der Schweiz, die Spiegel aus Holland und die Sessel kommen aus Italien. Mein Mann ist Franzose, deshalb sind wir häufig in Frankreich unterwegs, viele Dekorationselemente kommen von dort, wie das veraltete Destillationsverfahren oder die verschiedenen Koffer. Die Eisentreppe ist eine Eigenkonstruktion, vor Ort gefertigt, die Ablagen kommen aus der gemeinnützigen „Christiani Stiftung“. 

imSalon: Woher stammen denn die Gefängnistüren?
Aus einem Frankfurter Frauengefängnis. Wir haben nur zwei Türen im Salon und diese sollten ein einzigartiges Flair haben. Die führen ins Farblabor und zu den Toiletten. Die wiederum sind komplett aus Stahl, die Decken aus 100 Jahre altem Eichholz gefertigt und wir haben historische Baustoffe aus dem Schwarzwald verwendet.

imSalon: Wie lange haben Sie gebraucht alles zusammenzutragen?
Wir haben die Immobilie gekauft und in Eigenregie im 3-monatigen Crashverfahren renoviert. Da steckt viel Liebe im Detail drin, das Interieur ist Stück für Stück gewachsen und wächst noch immer. 

imSalon: Ist das Einrichtungskonzept einer persönlichen Sammelleidenschaft geschuldet? 
Im Endeffekt schon. Mein Mann und ich haben eine Leidenschaft für außergewöhnliche Dinge, die eine Geschichte erzählen, für Antiquitäten und Liebhaberstücke. Wie diese alten Plakate bzw. „Affiche“, wie man sie im französischen nennt. Mit denen haben wir die obere Etage des Salons komplett ausgestattet.
 

imSalon: Lassen Sie mich raten: der Männerbereich? 
Stimmt, die hängen im Herrenbereich! Beim Einrichtungskonzept war es uns wichtig, Persönlichkeit auszustrahlen und internationales Flair herein bringen, die Leute in eine andere Welt einzuladen. Von außen ist es ein ganz normales altes Stadthaus, aber innen hat es diesen großzügigen Loftcharakter mit den schönen Details.

imSalon: Wer putzt eigentlich die riesigen Luster, die hängen ziemlich weit oben…
Das macht unsere gute Fee des Hauses 2-mal im Jahr. Dafür haben wir eine hohe Leiter, die Kronleuchter sind in ca. 5 Metern Höhe.

imSalon: Haben Sie künstlerische Ambitionen?
Mein Mann und ich sind beide künstlerisch veranlagt. Farben und Formen und Kreativität begleiten mich mein Leben lang. Ich mal sehr gern, mache abstrakte Kunst, die auch schon auf Vernissagen ausgestellt war. 

imSalon: Da wär der eigene Salon eine super Plattform…
Ja, das war früher auch so, aber jetzt, im neuen Salon ist dafür kein Platz mehr. Da hängen ja die Plakate (lacht). Leider ist derzeit kein Platz für Malerei in meinem Leben. Seit der Neueröffnung komme ich nicht mehr in mein Atelier, tobe meine künstlerische Seite ausschließlich im Salon aus, wir veranstalten auch Ausstellungen oder arbeiten mit Designern zusammen. 

"Wir vermitteln ein Erlebnis im Geiste der Zeit."

imSalon: Ihre Unternehmensphilosophie?
Einzigartigkeit. Kreativität. Exklusivität. Umfangreiche Weiterbildung. Lifestyle am Punkt. Dafür stehen wir seit 20 Jahren. Wir vermitteln dem Kunden ein Erlebnis im Geiste der Zeit.

imSalon: Nun ist Waldshut-Tiengen mit knapp 23.000 Einwohnern nicht gerade groß. Wie kommt der Salon bei den Kunden an? 
Wir haben ein tolles, durchwachsenes Publikum von jung bis alt. Vom Professor bis hin zum Arbeiter und denen, die nur zweimal im Jahr kommen können. Ich mag das, das ist interessant und multikulturell. Unsere Kunden schreiben in den Gästebögen, dass wir Großstadtflair hierher geholt haben. Klar, wenn man so einen Salon eröffnet, polarisiert das sehr. Aber ich habe mit 5 Mitarbeitern begonnen und innerhalb kürzester Zeit aufstocken können. 45% mehr Kunden und Personal! Der neue Salon war die beste Entscheidung meines Lebens.

"Wenn man so einen Salon eröffnet, polarisiert das sehr."

imSalon: Ihr Team von 12 Mitarbeitern spricht zusammen 8 Sprachen. Beeinflusst das die Kundengewinnung?
Natürlich! Unsere Kunden sind genauso bunt durchmischt. Aber ich schätze, 50% unserer Kunden kommen von der Schweiz über die Grenze. Sie mögen unser Ambiente, unseren Lifestyle und sie beeinflussen das Preissegment positiv. 

imSalon: Was verlangen Sie bspw. für einen Damenhaarschnitt?
Zwischen 45-57 Euro bei meinen Mitarbeitern, zwischen 56-64 Euro bei mir.

"Wir sind eine Einheit ohne Querschläger."

imSalon: Bringt das Multikulturelle Differenzen mit sich und wenn ja, wie handhaben Sie diese?
Differenzen – das Wort klingt so negativ – gibt es bei uns eigentlich nicht. Ich denke, ich spreche hier auch für meine Mitarbeiter. Das Multikulturelle ist spannend und interessant. Wir akzeptieren uns, sprechen Dinge offen an, wachsen gemeinsam. Wir sind eine Einheit ohne Querschläger. Das hat oberste Priorität. Ich bin gespannt, was der Flüchtlingszuzug, der uns alle betrifft, mit sich bringt. Aber ich glaube an die positive Weiterentwicklung unserer Gesellschaft. 

imSalon: Seit wann sind Sie Intercoiffeurin und warum?
Seit diesem Jahr. Im April wurde ich vorgeschlagen, im November aufgenommen. Das ist für mich der Ritterschlag! Mit 14, als ich meine Ausbildung begonnen habe, bin ich zum ersten Mal mit den Intercoiffeuren in Berührung gekommen. Für mich waren sie damals so unerreichbar. Jetzt dazuzugehören, macht mich sehr froh. Die Intercoiffure ist eine große Familie. Das sind Kollegen, die sich austauschen, beim Lifestyle an vorderster Front stehen. Sie sind weltoffen, modeinteressiert und bieten meinen Mitarbeitern die Chance, auch international arbeiten zu können. Und, was mir besonders wichtig ist, ist das soziale Engagement der Vereinigung!

"Die Leute unterschätzen die Disziplin, den Fleiß, die Langlebigkeit. Jeder muss seinen Teil beitragen!"

imSalon: Könnten Sie über Nacht etwas in der Branche verändern, was wäre anders?
Die Anerkennung und die Wertschätzung der Branche! Der Beruf wird unterschätzt. Meine Tochter ist hierfür das beste Beispiel: Sie ist in der 10. Klasse vom Gymnasium weg, um die Ausbildung zu machen und ihr Umfeld war dem gegenüber negativ eingestellt, denn sie hätte ja auch etwas anderes, „anspruchsvolleres“ machen können. Handwerker-Nachwuchs finden wird immer schwieriger, nicht nur in unserer Branche. Das fängt bei den Eltern an: Meine Kinder sollen studieren! Die Leute unterschätzen die Disziplin, den Fleiß, die Langlebigkeit, die dieser Beruf mit sich bringen. Ich habe mit 26 Jahren mit 2 Mitarbeitern begonnen. Das war nicht immer leicht, aber ich bin kontinuierlich dran geblieben, habe nie aufgegeben, mich nicht unterkriegen lassen. 
Für mehr Wertschätzung muss aber jeder seinen Teil beitragen!

imSalon: Wollte ihre Tochter Joelle immer schon Friseurin werden?
Nun ja, ich würde sagen, mein Mann und ich haben sie diplomatisch auf den Weg gebracht und sanft begleitet (lacht). Sie hatte immer schon Interesse für Mode und Lifestyle. Jetzt ist sie 19, hat ihre 3-jährige Ausbildung gemacht, ist Innungssiegerin und plant, ein Jahr in Australien zu arbeiten. Durch die Intercoiffure-Kollegen hat sie die Möglichkeit dazu. Kontakte sind hergestellt und der 4-wöchige Intensiv Sprachkurs beginnt im Januar. Ich wünsche mir, dass sie neue Dinge sieht und mit einer anderen Dynamik zurückkommt. 

"Mein Mann - ohne ihn gibt es kein Wachstum."

imSalon: Auch Ihr Mann abreitet im Familienunternehmen.
Ja. Und das muss ich unbedingt noch loswerden: Mein Mann Gerard war von Anfang an meiner Seite, er stärkt mir den Rücken, wir ergänzen uns, tauschen uns aus. Mir scheint, es gibt nichts, dass er nicht kann! Für die Familie und unseren Salon hat er seinen Beruf aufgegeben. Er war Hardware und Software Techniker in der Schweiz. Er hat die Salons mitentwickelt, in Eigenregie komplett umgebaut und er trägt sie mit. Jeden Tag. Ohne ihn gibt es kein Wachstum! Dass wir so erfolgreich sein werden, wie wir es jetzt sind, hätte ich nicht zu wünschen gewagt. Wir sind ein unschlagbares Dreierteam mit tollen Mitarbeitern. 

imSalon: Ein wunderbarer Schlusssatz! Wir danken Ihnen für Ihre Zeit!