Credit: Patrizia Sgró

28.01.2022

Patrizia Gundlach: Je höher die Preise, desto weniger wird diskutiert

Geschlechtsneutrale Preise: Herren zahlen 12 Euro mehr, seit Patrizia Gundlach ihre Preise angehoben hat. Vor allem geht es ihr hier um eine gerechte Entlohnung ihrer Mitarbeiterinnen. So haben die KundInnen reagiert ...

Im Interview mit Juliane Krammer

Liebe Patrizia Gundlach, Sie haben ihre Preise angepasst und sich für ein geschlechterneutrales Pricing entschieden u.a. um die Löhne ihrer MitarbeiterInnen zu erhöhen. Wie kam es dazu?

Patrizia Gundlach: Das Thema, dass Friseure nicht gut verdienen war mir schon immer ein Dorn im Auge. Im ersten Lockdown haben wir unsere Mitarbeiter zur Kurzarbeit angemeldet, das hat den Stein ins Rollen gebracht. Wenn man Mitarbeiter plötzlich mit 60% Gehalt anmeldet und über die Rente nachdenkt, da bleibt einem bei so einem niedrigen Gehalt ja nichts mehr übrig. Wenn man Glück hat, reicht es für die Miete. Aber was ist bei Urlaub oder Krankheit? Denn das Trinkgeld fällt dann auch weg. Das bringt mir für die Rente nichts. Das ist ja nur für den Moment. Deswegen habe ich mich dazu entschieden, die Löhne meiner Mitarbeiterinnen zu erhöhen, was zur Folge hat, dass ich einen Teil meiner Preise anpassen musste.

Sie haben dazu ja auch auf Ihrer Webseite (nachzulesen ► hier) eine Argumentation verfasst, warum sich die Preise ändern. Wie kam die Preiserhöhung bei den KundInnen an?

"Trotzdem haben dann viele den Salon gewechselt. Das war mir auch klar."

PG: Ich habe die Erklärung in mehreren Ausführungen gemacht: auf der Webseite, ich habe Flyer gedruckt und KundInnen persönlich angesprochen. Das wurde sehr positiv aufgenommen. Trotzdem haben dann viele den Salon gewechselt. Das war mir auch klar. Aber jemand, der nicht bereit ist, die Leistung zu schätzen und umzudenken … - man nimmt auch bei anderen Handwerkern Dienstleistungen in Anspruch – da wird auch nicht gemeckert. Unser großes Branchen-Problem sind die Friseure, die versuchen mit niedrigen Preisen zu punkten. Das geht aber nicht, wenn man einen Anspruch an Qualität hat.

Was sagen die Herren dazu? Vor allem hier hat sich die Preiserhöhung bemerkbar gemacht.

PG: Die Kunden, die abgewandert sind, waren Herren. Frauen hingegen finden das super, weil Kurzhaarschnitte endlich gleichgestellt werden. Frauen haben gesagt, dass sie diese Ungerechtigkeit schon immer ärgert, denn bei Frauenkurzhaarschnitte braucht man nicht mehr Zeit, als beim Herren. Außerdem werden Herren anspruchsvoller, wollen ihre Kopfmassage und nach dem Schnitt die Haare ausgespült bekommen. Oftmals verlangen die sogar mehr Aufmerksamkeit. Aber die männlichen Kunden, die uns erhalten blieben, denen ist das Service wert. Ich möchte aber auch erwähnen, dass wir ein Konturen- bzw. Ponyservice anbieten, da kann man einmal zwischen den Haarschnitten vorbeikommen und sich gratis „auffrischen“ lassen bzw. das ist eben in dem Preis enthalten.

Warum sind Herrenpreise um so vieles günstiger? Und warum haben sie selbst vor der Anpassung „unwirtschaftlich“ Herrenhaarschnitte kalkuliert?

"Ich möchte niemanden ausbeuten und ein gutes Arbeitsklima bringt höhere Preise mit sich."

PG: Prinzipiell ist das Friseurgefüge hier sehr eng. Wir sind in einem ruhigen Ortsteil, hier ist mein Salon, ein Barber und ein ganz alter Salon mit sehr günstigen Herren-Preisen. Ich hatte versucht mit anzupassen, aber habe trotzdem schon höher kalkuliert, als die KollegInnen hier in der Umgebung. Oft kommen Leute rein und fragen, was ein Haarschnitt für Herren kostet. Wenn wir sagen 45 Euro – wird uns beinahe der Vogel gezeigt. Aber das ist OK. Denn ich stehe hinter meinen Preisen. Das kommuniziere ich auch so. Es kommen ja noch weitere Kosten hinzu: Ich kaufe die Scheren, Maschinen oder Rasierklingen für meine Mitarbeiter. Mir ist das als Angestellte anders wiederfahren. Aber ich denke: Man verdient schon sehr wenig, da muss man doch nicht auch noch das Arbeitsmaterial selbst kaufen. Das finden viele KundInnen gut, dass man glückliche Mitarbeiter hat. Ich möchte niemanden ausbeuten und ein gutes Arbeitsklima bringt höhere Preise mit sich.  

Kommt es bei den angegebenen „ab“ Preisen, vor allem nach der Erhöhung, nicht zu überraschten Kunden?

PG: Im Laufe meiner Selbstständigkeit habe ich festgestellt: Je höher die Preise, desto weniger wird diskutiert. Früher hatte ein Herrenhaarschnitt 33 Euro gekostet und 2 Euro gab es als Trinkgeld. Nun bei 45 Euro werden 5 Euro oftmals draufgelegt.

Was braucht es Ihrer Meinung nach, für ein großes Umdenken in der Branche?

"Wenn man sein Leben lang als FriseurInnen geschuftet hat und nicht von der Rente leben kann ist das eine Katastrophe und inakzeptabel."

PG: Es wäre wichtig, dass es eine Friseurgewerkschaft gibt – eine Institution, die sich dafür einsetzt, dass das Handwerk gut bezahlt wird. Wenn man sein Leben lang als FriseurInnen geschuftet hat und nicht von der Rente leben kann ist das eine Katastrophe und inakzeptabel. Es braucht aber auch einen Schulterschluss in der Branche, denn Friseur selbst starten Preiskämpfe und schaden somit unserem Beruf.

Vielen Dank für das Interview! Ich wünsche alles Gute für die Zukunft!

Patrizia Gundlach führt ihren Salon Patrizia Sgró im deutschen Inghelheim am Rhein in Rheinland Pfalz. Seit 2005 ist sie selbstständig. In ihrem Salon hat sie aktuell zwei Mitarbeiterinnen angestellt.