Credit: Rodolf Reisbeck

06.11.2018

Joachim M. Weckel (ZV) sieht Stuhlmiete kritisch

Wir haben für euch zum Thema Stuhlmiete beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks nachgefragt: Lest nach, was wir spannendes vom Justiziar erfahren haben...

Wie stehen Sie dem Thema Stuhlmiete generell gegenüber?

„Generell steht der Zentralverband dem Vermieten von Stühlen kritisch gegenüber, denn es besteht das grundsätzliche Risiko einer Scheinselbstständigkeit, was zu einer Nachentrichtung von Sozialbeiträgen führen kann. Zwar kann ein Stuhlmietverhältnis rechtskonform gestaltet werden, dann müssen die handwerksrechtlichen Voraussetzungen zur selbstständigen Ausübung des Friseurhandwerks aber vollständig erfüllt sein und der Stuhlmieter muss völlige Autonomie besitzen. Oft führt aber ein Stuhlmietverhältnis auch zu einer ungeregelten Konkurrenz im eigenen Betrieb und früher oder später zu kaum lösbaren Konflikten.“

Wie geht man rechtmäßig vor, um Scheinselbstständigkeit zu vermeiden?

„Das Verhältnis zwischen Saloninhaber und Stuhlmieter muss rechtmäßig in Form eines modifizierten Miet- und Untermietvertrages geregelt werden. Es muss eine pauschale Miete (oder eine prozentuale Umsatzbeteiligung) und die Modalitäten der Überlassung des Bedienplatzes und die Nutzung anderer Saloneinrichtungen festgelegt werden. Ebenso müssen Nebenkosten, Abrechnungsformalitäten und allgemeine Bestimmungen wie Laufzeiten und Kündigung klar geregelt werden. Es empfiehlt sich auch, Nebenpflichten (wie z.B. über Instandhaltung, Mängelanzeigen etc.) zu definieren. Die praktikable und konfliktfreie Integration des selbstständigen Stuhlmieters ins eigene Salonkonzept wird aber sehr oft zum Problem.“

„Für eine Scheinselbstständigkeit sprechen zum Beispiel mangelnde unternehmerische Disposition [...]"

Wie merkt man, ob man „ungewollt“ scheinselbstständig agiert?

„Für eine Scheinselbstständigkeit sprechen zum Beispiel mangelnde unternehmerische Disposition. Indizien dafür sind z.B. keine eigenen Kassen oder eigene Buchführung, vom Vermieter vorgegebene beeinflusste Öffnungszeiten oder auch die Verrichtung ähnlicher Aufgaben wie angestellte Mitarbeiter im Salon. Die vertragliche Konstruktion eines Stuhlmietverhältnisses muss deshalb konsequent vermeiden, den Mieter in seiner unternehmerischen Eigenständigkeit einzuschränken. Besonders kritisch wird es bei Kontrollen gesehen, wenn es sich um ehemalige Mitarbeiter handelt, die sozusagen aus dem Arbeitsverhältnis heraus einen Stuhl im Salon mieten.“

Wie setzt man das konkret um?

„Das bedeutet nach herrschender Auffassung: Verzicht auf Zeit- und Preisvorgaben, keine fachlichen oder sonstigen Direktiven, getrennte Kassen und selbstständige Buchhaltung, eigene Warenwirtschaft und eigenverantwortlicher Produkteinsatz, unabhängiges Kundenmarketing, eigene Werbung und Geschäftsauftritt.“

Gibt es für junge Friseure Alternativen zur Stuhlmiete?

Ja, die GbR zum Beispiel, also eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Das ist eine Gesellschaftsform, bei der man sich partnerschaftlich zusammenschließt und zu gleichen Teilen am Erfolg und Risiko beteiligt ist. Bei dieser Personengesellschaft tritt die Gefahr einer Scheinselbstständigkeit in der Regel nicht auf, weil man eben gleichberechtigt agiert. Das wäre ein Modell, das man als Jungfriseur zunächst einmal ausprobieren kann, aber man sollte sich gut beraten lassen. Grundsätzlich sind Formen der Kleinst- und Pseudoselbständigkeit für eine nachhaltige Marktentwicklung schlecht. Ganz überwiegend trifft es nicht zu, dass man mit dem Mieten eines Stuhls im Salon mehr Geld als in einem Arbeitsverhältnis verdienen kann. Das funktioniert nur, wenn man auf die soziale Absicherung verzichtet, die in einem Arbeitsverhältnis besteht.“