Credit: HAIR HAUS

24.08.2017

Henri Schumacher & Raphael Koziollek, Ambiente – Preis - Qualität

Seit 1.Juli 2017 sind Henri Schumacher und Raphael Koziollek Geschäftsführer der HAIR HAUS GmbH. imSalon.de traf die beiden zum persönlichen Gespräch.

Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

imSalon: Wie lange sind Sie bereits im Unternehmen?
Raphael Koziollek (RK): Schon seit 10 Jahren.
Henry Schumacher (HS): Ich erst seit 8 Jahren.
RK: Und bereits seit 7 Jahren gemeinsam am gleichen Standort in Viersen.

„Großhandel muss man neu lernen…“

Wie ist die Aufteilung der Aufgaben geplant?
RK:
 Wir bilden eine Doppelspitze und haben beide Vertriebs- wie administrative Aufgaben. Durch eine klassische Trennung Vertrieb/ Standort hätten wir zu viel Know-how verloren. Henri verantwortet Großhandel, Internet und die Shopsysteme, ich bin für den Direkt-Vertrieb verantwortlich. Parallel hierzu haben wir mit Frank Baxmann einen neuen nationalen Verkaufsleiter etabliert, von dem ich aktuell viel über den Direktvertrieb lerne. Er betont immer: „Alles was ich früher in der Industrie gelernt habe, hat mir viel gebracht, aber Großhandel muss man neu lernen.“ 

Weshalb neu?
HS:
 Alleine schon das Sortiment. Die Industrie branded alles auf eine Marke, haben dort vielleicht 800 bis 1.000 Artikel. Wir sind ja ein Bauchladen, bei uns kann man 12.000 Artikel kaufen, von Farbe über Zubehör bis Einrichtung. 

Wie kann man Bauchladen aufräumen und Imagearbeit leisten?
RK:
 Der Großhandel hat sich mittlerweile dramatisch aufpoliert. Schaut man sich unsere Wettbewerberlandschaft an, was da in den letzten 10 Jahren gelaufen ist, großer Respekt. Gerade was Herr Rumpfkeil mit Gieseke oder auch Herr Hillers mit Stopperka gemacht hat – die haben sich beide von der Industrie unabhängig gemacht. 

Wie ist die aktuelle Marktanteilsverteilung? Wo steht Hair Haus? 
RK:
 Offizielle Zahlen gibt es nicht. Wenn wir den Großhandelsumsatz betrachten, sehen wir uns aktuell knapp hinter Gieseke.
HS: Hair Haus ist ja eine Besonderheit in Deutschland, denn keiner ist zugleich Wiederverkäufer, wie wir mit Comair. Wenn wir Comair dazurechnen sind wir vom Umsatz her der Größte. Stopperka, beziehungsweise der Verbund Eurofriwa, liegt hinter uns.

Eigentlich ein 3-Player-Markt?
HS:
 Man sollte als vierten Player schon REWE dazuzählen, das sind eigentlich die vier Player, die den Großhandel stark prägen. 

Gibt es eine regionale Stärke von Hair Haus? Wie Stopperka in Hamburg, Gieseke in Hannover? 
RK: 
Wir sehen uns ganz stark als nationalen Player, was Stopperka nur bedingt ist, weil er sehr stark aus Hamburg heraus agiert. Wir sehen uns schon in gewissen Regionen als die absolute Nummer 1.

„Am stärksten sind wir im Osten…“

Wo sind Sie am stärksten?
HS:
 Tatsächlich am stärksten sind wir im Osten. 

Im Osten?
HS:
 Im Osten sind wir sehr gut aufgestellt, das hat auch mit der Unternehmenshistorie vor der Unternehmenszusammenführung zu tun, die vor zehn Jahren stattgefunden hat. Natürlich haben wir im Westen auch starke Regionen, z.B. das Ruhgebiet oder auch Nordbayern. Und eine Banane quergelegt, vom Saarland hoch über das Rhein-Main-Gebiet bis nach Hannover, hier liegt das erfolgreichste West-Team.
RK: Man kann sagen, dort, wo die Konkurrenten besonders stark sind, da sind wir ein wenig schwächer. 

„Die erfolgreichste Nicht-Industrie-Haarfarbe in Deutschland.“

Wie sieht es mit Ihrem eigenen Produktportfolio aus? 
RK:
 In den letzten Jahren haben wir unsere Exklusiv-Marken ordentlich positioniert. Mit Neuheiten waren wir Vorreiter. Nehmen wir ‚Eslabondexx‘, wir haben als erstes auf diesen Trend gesetzt mit großer Visibilität am Markt. Danach haben wir als erster Großhändler Eslabondexx in die Farbe integriert und Eslabondexx Color eingeführt. Parallel hierzu haben wir mit SBC die erfolgreichste Nicht-Industrie-Haarfarbe in Deutschland im Sortiment. Wir setzen weiterhin auf das Herzstück des Friseurs, Dienstleistung Colorieren, da wollen wir hin. 

„Preiskampf: Wir versuchen alle zurück zu rudern...“

Sie wollen weg vom Preiskampf? Kann man da überhaupt rauskommen? 
HS:
 Bei Farben sehe ich den Preiskampf besonders extrem. Gerade der Großhandel ist da nicht unbeteiligt gewesen und wir versuchen alle zurück zu rudern. Tatsächlich ist Farbe ein Preisthema. Gegenüber der Industriemarke müssen wir günstiger sein, aber alleine der Preis wird’s nicht bringen. Wir müssen eine vergleichbare Qualität haben, eventuell sogar mit bestimmten Nuancen oder Qualitäten der Industrie voraus sein. Zudem müssen wir passende Materialen und Unterstützungen anbieten, die richtigen Schulungen - so, dass das Gesamtpaket überzeugt. Dann sind wir sicher werden Friseure umschwenken und sagen, wir haben einen starken Partner, der unterstützt mich bei Farbe. In den letzten Jahren haben wir unsere Marke preislich stabil gehalten und versuchen das auch weiterhin, soweit wir uns das leisten können. 

„Wir setzen verstärkt auf unsere Exklusivfarbmarken…“

Aber ihr Preis liegt auch auf einem niedrigen Level im Vergleich zu anderen Marken!
RK:
 Jein, der Preis liegt bei 5,95 für 100 ml und damit sehen wir uns im mittleren Preissegment. Also von einer billigen 2,99 €-Farbe halten wir nichts, weil man dort keine angemessene Qualität liefern kann. Wir sind in einem vernünftigen Preissegment, in dem wir gute Qualität anbieten, da sehen wir die Zukunft unserer Exklusivfarbmarken.

Gibt es andere Produkttrends? 
HS:
 Individualisierte Elektrogeräte, also weg vom langweiligen Schwarz, da passiert viel, wie allgemein beim Zubehör, welches dem Friseur weiterhilft. Also z.B. eine innovative Strähnenhaube oder sowas in der Art. 
Es gibt den Barbertrend, wobei das vom Gesamtmarkt her winzig ist. Trendthemen gibt es eher im Bereich Farbe, wie derzeit Direktzieher oder Pastelltöne. 
Pflege und Styling bleiben schwierig. Es tun sich alle schwer, ein Produkt mit einem so kurzen Lebenszyklus in den Markt zu bringen.

„Viele Marken benutzen den Friseurmarkt, um möglichst schnell in den Mass-Market zu kommen…“

Wie finden Sie neue Marken?
HS:
 Mittelfristig muss man sich überraschen lassen, was kommt. Wir strecken international auf Messen unsere Fühler aus. Leider benutzen viele Marken den Friseurmarkt nur, um möglichst schnell in den Retail- und Mass-Market reinzukommen. Eine Marke, die sich nur auf die Zielgruppe Friseur konzentriert, ist im Care- und Stylebereich nicht einfach zu finden. Aber wir bleiben auf der Suche. 

Seit 1.Juli vertreiben Sie TIGI! Was wird damit passieren?
RK:
 Wir sind sehr froh mit TIGI zusammen zu arbeiten, weil TIGI für uns eine Profimarke ist und sich vor allem über Care- und Styling-Produkte identifiziert. 

Keine TIGI Farben?
HS:
 Wir haben die TIGI Direktzieher gelistet, aber unser Fokus liegt dabei nicht auf Farbe. Wir sind mit unseren Exklusivfarbmarken so stark, werden diese weiter ausbauen und nicht noch eine Marke dazu holen. 
RK: Da spricht der Chefeinkäufer (lacht)… Ich glaube ganz entscheidend ist, dass TIGI eine Lücke bei uns im Portfolio schließt. 

Und es ist eine sehr imageträchtige Marke…
HS:
 Sie bringt uns weg vom biederen Großhandels-Image und ergänzt, was wir bereits im Farbbereich sind, modern, aufgeschlossen, den Trends folgend… Wir sind froh, diese Marke bekommen zu haben, mit diesem ganz besonderen Sortiment im Kernbereich Style & Care. 

Wie viele Außendienst Mitarbeiter haben Sie?
RK:
 Ein wohl behütetes Geheimnis (lacht)! Knapp unter 100, unsere JVB-Mannschaft bauen wir fleißig aus.

Und wie viele sind geplant?
HS:
 Tja, auf jeden Fall keine signifikante Reduktion. Das kommt immer darauf an, wie schnell die Digitalisierung auch im Friseurmarkt weitergeht. 

„Bei Digitalisierung in der Findungsphase…“

Ihre Antworten auf Digitalisierung?
RK:
 Da gibt es unterschiedliche Modelle über die wir nachdenken, da sind wir tatsächlich noch in der Findungsphase. Der Großhandel steht vor der großen Herausforderung den stationären Handel mit der digitalen Welt zu verknüpfen. Egal, in welcher Branche, noch keiner hat bislang eine passende Antwort gefunden
Nehmen wir Amazon, die gehen den Weg zurück, der größte Online-Händler eröffnet Läden.

„Fakt ist, so wie es jetzt ist, wird es nicht bleiben.“

Naja zwei Läden…
HS:
 Ja, aber sie testen es. Zalando macht jetzt Outlets. In Frankfurt gibt’s ein riesiges Zalando-Outlet. REWE geht den umgekehrten Weg, Internetbestellungen werden zum Kunden nach Hause geliefert. Alle probieren in verschiedene Richtungen etwas aus, auch wir. Fakt ist, so wie es jetzt ist, wird es nicht bleiben. 
Und man darf nicht vergessen: in unserer Branche ist der persönliche Kontakt ganz entscheidend.
RK: Grundsätzlich schätzt der Friseur das persönliche Gespräch, aber es gibt Friseure, die sagen, ich will meine Bestellung übers Handy machen. Und die Herausforderung vor der wir stehen ist: Wie kann ich beides verknüpfen?
HS: Wie kann ich jedem das bieten, was er erwartet?
RK: Und vor allem jeden mitnehmen. Sie müssen ihre Mitarbeiter, wie Kunden mitnehmen, sukzessive und nicht überfordern. Sie müssen Szenarien ausprobieren, Menschen daran gewöhnen.
Alle Leute darauf einzustellen, das ist herausfordernd!

„Der Kunde bestellt so, wie er es für richtig hält.“

HS: Aber letztendlich entscheiden nicht wir, der Kunde entscheidet, was er will und wir müssen das Unternehmen darauf ausrichten. Wir können nicht vorgeben, wie der Kunde zu bestellen hat, der Kunde bestellt so, wie er es für richtig hält. 

Sind weitere Hair Haus Shops geplant?
HS:
 Aktuell nicht. Wir haben momentan 22 in Deutschland.

Doch so viele, rechnen sich die Shops? 
RK:
 Ja auf jeden Fall. Wir fokussieren jetzt erstmal auf den Direktvertrieb. Die Herausforderung von Shop und Digitalisierung sind groß. Den Außendienst kann ich kurzfristig woanders hinfahren lassen, aber den Shop kann ich nicht einfach woanders hinschieben.
HS: In den Shop muss man Kunden hineinbekommen. Wir testen zurzeit ein Fahrrad-Kurier-Modell, das sehr stark nachgefragt wird. 
Es geht doch darum die Erwartungshaltung unserer Kunden zu bedienen, nämlich möglichst unterschiedliche Kommunikationsplattformen nützen zu können. Zu sagen, Kunde muss in unseren Shop kommen…, das funktioniert nicht, nicht mehr in der heutigen Welt. 

Sind Friseursalons in den Shops geplant?
RK:
 Nein

Wie wichtig sind Messen für Sie?
RK:
 Die TOP HAIR ist die Messe überhaupt und für uns sehr wichtig,.
HS: Alle regionalen Messen bis auf Nürnberg sind ja in der Versenkung verschwunden. Nürnberg hatte die Idee sich ganz bewusst als Nr. 2 zu positionieren. Die Nr.2 sind sie, aber die Positionierung ist ein bisschen schwierig geworden. 

Was wünschen Sie sich?
RK:
 Wir würden uns mehr Besucher wünschen und vor allem andere Öffnungstage, nämlich Samstag/ Sonntag, nicht Sonntag/ Montag. Alle Aussteller sagen das im Übrigen fast unisono.

Ist denn wieder eine Hausmesse geplant?
HS:
 Ja, die HAIR HAUS Hausmesse findet am 9./10. September statt. Wir wachsen jährlich. Zwei Tage lang (Sa/So) bieten wir Aussteller, Shows und natürlich umfassenden Verkauf, Essen, Trinken.
RK: Sie sind natürlich herzlich eingeladen. 

Wie viele Leute werden erwartet?
RK:
 Schwer zu schätzen, 4tausend, vielleicht mehr.

Jetzt arbeiten Sie beide schon lange zusammen, wie würden Sie sich denn gegenseitig beschreiben?
HS:
 Hmmm, schwierige Frage. Wir sind beide unglaublich detailverliebte Menschen, denen aber bei allem, was wir hier machen die Menschlichkeit wichtig ist. Uns geht’s nicht nur um Zahlen, obwohl wir eigentlich Zahlenmenschen sind. Jeder akzeptiert den anderen wofür er da ist, wir geben uns gegenseitig Tipps. Aber in jedem Bereich gibt’s einen, der das letzte Wort hat.

Herr Schumacher, in welchem Bereich haben Sie das letzte Wort?
HS:
 im Einkauf!

Und Sie Herr Koziollek?
RK:
 Finanzen!
Unser großer Vorteil, wir kennen uns seit 9 Jahren und sind gute Freunde geworden, treffen uns auch privat auf ein Bier. Dann quatschen wir über Gott und die Welt. Und wir sind beide Sternzeichen Stier, unsere Charaktereigenschaften passen wirklich super!
HS: Ich bin nicht so stur wie du (lacht)!
RK: (grinst) Da bin ich mir nicht so sicher. Aber wir können auch viel miteinander lachen, beruflich wie privat und wertschätzen uns. 

„Wo er die Krake ist, bin ich die Matrix…“

Was macht der jeweils andere besser als Sie selbst? 
RK:
 Ich kenne kaum jemanden, der so hart arbeitet wie Henry und in so vielen Kleinigkeiten steckt. Also wo er die Krake ist, bin ich die Matrix, weil hier wird alles hinterfragt. Und Henry ist so „nitty gritty“ (Anmk. „super gründlich“) 
HS: Zwei Dinge: Raphael ist sich für nichts zu schade, egal, ob wir in der Logistik packen müssen oder bis nachts um 2 Akten wälzen. Das andere ist, immer wieder Lust haben auf was Neues. Das ist eine hervorstechende Charaktereigenschaft, immer bereit, einen neuen Schritt zu gehen. 
RK: Wir wissen, dass wir uns beide gegenseitig blind aufeinander verlassen können. Fast so wie ein altes Ehepaar. (lachen)

Der Großhandel hat sich verändert, warum kaufen Friseure beim Großhandel versus Industrie? Neue Erkenntnisse?
RK:
 Nicht mehr wegen Zubehör! Ich glaube es ist die Sortiments-Breite, quasi alles aus einer Hand, das klingt so abgedroschen, aber es ist tatsächlich so.
HS: Da kann ich nur zustimmen. Ganz wichtig ist, dass der Großhandel immer schneller mit neuen Innovationen in den Markt kommt, teilweise noch bevor große Firmen reagieren können. Bis sich ein Lieferant überlegt hat, ob es sich lohnt einen Trend mitzumachen, haben wir diesen längst adaptiert und lanciert.

Vorhin sprachen Sie kurz vom biederen Image? Hat das HAIR HAUS?
RK:
 Generell hat sich das Image des Großhandels in den letzten Jahren extrem positiv entwickelt. Kunden, die uns kennen, müssen wir nicht mehr davon überzeugen, was wir leisten. Es gibt jedoch Kunden, die ungern beim Großhandel einkaufen, weil sie den neuen Großhandel noch gar nicht richtig kennengelernt haben.

Wenn Sie 5 Jahre in die Zukunft blicken können, wie hätten Sie gerne Ihr Image? 
HS: Sehr gute Frage… 
Ein moderner Friseurpartner, der jedem Salon bedarfsgerecht Produkte, Dienstleistungen und Ideen zur Umsetzung im Salon anbietet. 

„Neues Ambiente – Altes gutes Preis-Leistung-Verhältnis…“

Modern ist ein abgedroschener Begriff, oder?
RK:
 Und die, die sagen, dass sie modern sind, sind meist gar nicht modern.
HS: Ja, modern ist tatsächlich schwierig. Was gibt’s für ein besseres Wort als modern…hmmm
RK: Zeitgenössisch! Der Lebensmittelhandel hat das geschafft, in die Richtung wollen wir uns auch entwickeln. Nehmen Sie Aldi, was die jetzt alles gemacht haben: Prospekte sprechen in Welten, sie bekommen frische Produkte, lose, hohe Qualität. Dennoch hat Aldi eines behalten, sie kaufen zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis Qualität ein. Und das ist das, was wir vom alten Image unbedingt mitnehmen wollen. 

Danke für das sympathische, offene und lange Gespräch.