Credit: Vladimir Dimitrov

13.06.2020

Guido Paar: 16 % MwSt - weniger abgeben zu müssen, ist doch toll!

Alles halb so wild: Die bereits abgeführte Mehrwertsteuer bei Gutscheinverkäufen sieht er wie eine Mehrwertsteuer-Vorauszahlung, die bei Einlösung korrigiert wird; es gibt nichts zu kalkulieren, aber dafür positive Vibes auf allen Ebenen. Unser Talk mit Guido Paar.

Nachgefragt von Katja Ottiger
 

Die Senkung der Mehrwertsteuer – Fluch oder Segen?
Ich finde, jede Steuerreduzierung ist ein Segen. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, was sein müsste, dass ich eine Reduzierung doof fände. Weniger abgeben zu müssen ist doch toll!

Sie geben die Senkung an die Kunden weiter?
Natürlich wird das an die Kunden von uns weitergegeben! Für mich ist das keine Steuer des Unternehmens und ich fände es äußerst bedenklich, das so zu spielen. Ich möchte keinen Shitstorm. Was war denn als 2007 die Mehrwertsteuer von 16 % auf 19 % angehoben wurde? Damals hat doch keiner gefragt: Geben wir die Erhöhung an unsere Kunden weiter oder tragen wir die selbst? Das hat niemand diskutiert! Die Preise gingen nach oben und ungerade Preise wurden noch ein bisschen nach oben gerundet.

Das heißt keine neue Preise, keine neuen Preisaushänge?
Nein, allenfalls ein Hinweis, dass die ausgehängten Preise inklusive 19 % MwSt. sind. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was das Problem ist. Ich bin ein Freund der einfachen Lösungen. Oft frage ich mich, wann in unserem Leben haben wir eigentlich beigebracht bekommen, dass wir es kompliziert machen müssen? Wir brauchen nichts neu zu kalkulieren! Die Beträge sind im Kassensystem, wo wir einfach den MwSt.-Satz verändern: Wenn ein Haarschnitt bisher 57 € kostete, dann kostet er, ab Juli eben nur noch 55,56 €. Dann wird die Kundin mich sicher fragen: „Warum ist das so eine krumme Zahl?“, "Weil Sie weniger Mehrwertsteuer zahlen!“ Ich bin mir sicher, das hinterlässt immer einen guten Eindruck. Deshalb belassen wir unbedingt die krummen Preise, denn sonst bekommt das womöglich niemand mit!

„Meine Kunden geben weniger Geld bei mir aus, aber ich bekomme die gleiche Summe.“

Das gefällt mir!
Ich hätte auch noch ein Argument für die ehrliche Kommunikation im Salon: Was passiert, wenn ich die MwSt. einbehalte und die Kunden berechtigte Fragen stellen: „Ich dachte, es gibt eine Steuerreduzierung, was macht ihr denn mit dem Geld?“ Ich möchte meine Mitarbeiter nicht in die Situation bringen, darauf antworten zu müssen. Seit ich mir bewusst bin, dass alles, was wir tun, einen Eindruck hinterlässt, entscheide ich mich meist für den guten Eindruck. 
Meine Kunden geben ab Juli weniger Geld bei mir aus (brutto), aber ich bekomme von den Kunden die gleiche Summe (netto).

Viele sind der Meinung, die Unternehmen brauchen die Hilfe, sprich die 3 %. Was sagen Sie?
Wir Unternehmen haben bereits unsere Quellen der Unterstützung: Kurzarbeitergeld, Prämien für Auszubildende, Soforthilfe, Stundungsmöglichkeiten, Kreditvergabevereinfachungen usw.. Die Mehrwertsteuer ist Verbraucherunterstützung!

Die heiß diskutierte Frage nach den Gutscheinen. Wie gehen Sie damit um?
Die bereits abgeführte Mehrwertsteuer bei Gutscheinverkäufen sehe ich wie eine Mehrwertsteuervorauszahlung, die bei der Einlösung des Gutscheines korrigiert wird. 
Unsere jetzt im System liegenden Gutscheine wurden mit 19 % MwSt. versteuert. Werden diese jetzt vom Kunden mit 16 % MwSt. eingelöst, ergibt sich eine Überzahlung, die vom Finanzamt erstattet wird, bzw. wie die Vorsteuer von der Umsatzsteuer abgezogen wird. 
Wenn der Kunde umgekehrt ab dem 01.07. einen 16 % Gutschein kauft und diesen dann im nächsten Jahr zu 19 % einlöst, ergibt sich eine Nachzahlung. Beides, die Erstattung und die Nachzahlung, wird vom Kunden getragen, bei korrekter Anpassung der Preise.

16 % , 19 % - wie behält man den Überblick?
Die jeweils16% und 19% sollte man buchhalterisch auf verschiedenen Konten buchen. Das verdeutlicht die abziehbare Vorsteuer und mögliche Umsatzsteuerkorrektur.

Und wenn ich kein Buchungskonto in dieser Art habe?
Ganz einfach: Dann drucken Sie am 30.06 eine Liste mit allen Gutscheinen zu 19 % aus und am 31.12. die zu 16 %. Das Stichwort heißt, "Vorauszahlung", sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater, denn es ist sein Job. 

Ein Blick in die Zukunft: Kommen im Januar wieder die 19 % oder werden es evtl. gar 21 % Mehrwertsteuer?
Puh! Also das wär wirklich frech! Ich gehe davon aus, dass die 19 % bleiben, anders wäre das ein verdammt schlechter Eindruck!

"Corona hat eine neue Verbindlichkeit geschaffen.“

Eigentlich möchte ich nicht über Corona sprechen, aber was ist hier das Gute für Sie?
Corona hat in meinen Augen eine neue Verbindlichkeit geschaffen. Corona hat gezeigt, dass wir alle lediglich Teile von Netzwerken sind. Meine Nachbarschaft, meine Familie, mein Job, mein Sportverein usw. - das sind alles Netzwerke, meine Netzwerke. Und je besser und verbindlicher die Einzelnen im Netzwerk sind, desto stärker und wertvoller ist das gesamte Netzwerk. Durch Corona hat selbst das coolste Individuum erkannt, dass man gar nicht so cool sein kann, ohne Netzwerke zu überleben.
Tue was du sagst; und sag, was du tust! Das gilt. NUR meine Netzwerk-Strukturen helfen mir in der Krise, nicht Louis Vuitton, Gucci oder Brad Pitt.

Ärgern Sie sich manchmal über weniger lebensbejahende Menschen / Kollegen, wie Sie einer sind?
Im Moment haben wir doch alle gut gehende, sprudelnde  Salons und viele denken jetzt schon an den Herbst. Dass die Kunden ausbleiben könnten, eine zweite Welle kommt, man spürt schon, dass es ruhiger wird usw. Warum nur? Über die Sorgen von morgen mach ich mir morgen Sorgen, sagte mir mal ein geschätzter Kollege!  Wenn alles läuft, dann genieße es! Wenn sich zukünftig etwas ändert, dann reagiere darauf. Aber grüble dir doch nicht jetzt schon reale, gute Momente kaputt, durch schlechte Gedanken an eine unreale Zukunft. 

„Dieses große Ganze ist positiv!“

Wieso nicht einfach mal glühen? Wir haben in dieser Zeit gute Strukturen geschaffen, neue Kunden gewonnen, neue Öffnungs- und neue Arbeitszeitensysteme installiert, die gut funktionieren, und von denen vieles bleiben wird. Mein Team ist motiviert und gewillt, neue Beschlüsse zu akzeptieren und auch umzusetzen - das geht jetzt schneller als früher! Denn durch Corona haben wir gelernt: Wenn die Mutti (Angela Merkel, Anm.) das sagt, dann müssen wir das tun. Und dieses große Ganze sehe ich positiv! Ich lasse mir meine Stimmung jetzt nicht kaputtmachen, zumindest nicht von jedem und allem. (lacht)

Wissen Sie, als ich 1988, mit 21 Jahren, mein Geschäft eröffnete, hatte ich zwei Visionen, zwei Dinge, die mir bis heute wichtig sind und die Antworten auf viele Fragen geben. Erstens: gute Haare! Und zweitens: gute Stimmung! Wenn du diese zwei Dinge managest, hast du ein gutes Mindsetting und einen guten Salon. Nehmen wir das Thema bargeldloses Bezahlen: Trägt das bei zu "guten Haaren"? Nein! Trägt das bei zu "guter Stimmung?" Nein.  Dann kann es passieren, dass ich diesem Thema keine Aufmerksamkeit gebe, es sei denn, es macht mir sehr viel Spaß. 

Guido, ich danke Ihnen für dieses herzlich offene Gespräch!


Guido Paar ist
Vorstand der Intercoiffure Deutschland und erfolgreicher Friseurunternehmer aus NRW, L'Oréal Businesspartner, Initiator Salongespräch