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29.09.2022

Wie funktioniert Stuhlmiete: Leitfaden für Stuhlmieter

Was bedeutet das Arbeitsmodell für Stuhlmieter*innen im Friseursalon und was muss man unbedingt berücksichtigen, um in keine finanzielle Falle zu tappen?

Stuhlmiete: Der vorsichtige Weg in die Selbstständigkeit? Oder die Abkürzung zur Schwarzarbeit? Meinungen gibt es viele! Im Vergleich zu Amerika, wo Stuhlmiete (Booth Rental) ein sehr beliebtes und weit verbreitetes Unternehmens-Modell ist, tun sich hiesige Stuhlmiete-Interessent*innen häufig schwer.

Stuhlmiete – was ist das, was kann das?

Für Friseur*innen ist Stuhlmiete eine Form der Selbstständigkeit, ohne große finanzielle Risiken einzugehen: Bedienplatz in einem Salon mieten inklusive Mitbenutzung der gesamten Salon-Infrastruktur. Somit sind Stuhlmietende ihr eigener Chef und agieren auch wie Unternehmer*innen. Sie sind verantwortlich für Terminvereinbarungen, den Produkteinkauf, für die ordnungsgemäße Einzahlung Ihrer Haftpflichtrentenversicherung und haben keine Ansprüche auf bezahlten Urlaub bzw. Sonderzahlungen, wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.

Was bedeutet es eigentlich, einen Friseur-Stuhl zu mieten? Welche Punkte sind zu bedenken?

  • Handwerksrechtliche Voraussetzungen: Für die Ausübung von Friseurtätigkeiten als Stuhlmieter*in braucht es einen Meisterbrief
  • Handwerksrolle bei Handwerkskammer eintragen lassen, ansonsten ist Ausübung des Handwerks unzulässig und im schlimmsten Fall droht die Schließung des Betriebes.
  • Gewerbe beim Gewerbeordnungsamt anmelden
  • Betriebshaftpflichtversicherung abschließen
  • Zahlung der Haftpflichtrentenversicherung organisieren
  • Nicht verpflichtend, aber empfehlenswert ist es eine Krankenversicherung abzuschließen
  • Öffnungs- und Arbeitszeiten werden selbst bestimmt
  • Um Auslastung und Termin-Koordination muss man sich selbst kümmern
  • Unternehmerisches Risiko aufgrund der Eigenverantwortung
  • Es besteht eine eigene Kassenpflicht
  • Eine ordentliche Kostenübersicht muss geführt werden
  • Wenn nicht anders mit Stuhlvermieter*in vereinbart, ist ein eigener Unternehmensauftritt notwendig (Logo, Website, Salon-Schild)
  • Achtung: Nicht mit Sonderzahlungen oder finanziellen Zuwendungen rechnen
  • Produkteinkauf muss organisiert werden, sofern die Verwendung der Salonprodukte im Salon nicht vereinbart wurde

Vorwurf Scheinselbstständigkeit

Was ist Scheinselbstständigkeit?

Scheinselbstständigkeit tritt dann in Kraft, wenn die Trennung zwischen dem Stuhlvermieter*in und –mieter*in nicht strikt vollzogen wird und sich daraus ableiten lässt, dass es sich um ein Angestelltenverhältnis des Stuhlmieters handelt zum Zweck Sozialversicherung zu sparen und Schwarzarbeit zu verschleiern.

Wie verhindere ich Scheinselbstständigkeit?

Wichtig ist die 100-prozentige Trennung und Anmeldung, sowohl bei der Eintragung der Handwerksrolle, als auch der Gewerbeanmeldung, der beiden Unternehmen, jeweils von Stuhlmieter*in und -vermieter*in. Zur Trennung, die von außen ersichtlich sein muss, gehört auch die Anbringung der Logos Ihres bzw. aller Stuhlmieter vor dem Salon. Ebenso unterliegen Stuhlver- und -mieter*in der korrekten Einzahlungspflicht der Haftpflichtrentenversicherung sowie Steuern und es braucht eine individuelle, ordnungsgemäße Buchführung.

Was kann passieren, wenn ich als „scheinselbstständig“ geoutet werde?

Bei einer Steuerprüfung durch das Finanzamt oder Überprüfung durch die Sozialversicherungsträger, die in den meisten Fällen die Kontrollorgane darstellen, werden die Finanzen des Salons genau unter die Lupe genommen. Ein erstes Indiz für Scheinselbstständigkeit ist, wenn sich zum Beispiel eine Differenz zwischen dem tatsächlichen Materialverbrauch und den Aufzeichnungen ergibt. Gefährlich wird es, wenn es sich um ein Angestelltenverhältnis handelt und Sozialversicherungsbeiträge seitens des Stuhlvermieters unterschlagen wurden, denn dies hätte erhebliche Auswirkungen auf beide Parteien. Im schlimmsten Fall könnte man zur Zahlung bis zu 4 Jahren rückwirkend belangt werden.

Der Zentralverband erklärt es folgendermaßen: „Es ist wichtig, dass der Stuhlmieter seine eigene Salonstruktur hat. Alles was man tut, muss völlig selbstständig und weisungsfrei sein und man muss nach außen hin verdeutlichen, dass es zwei getrennte Unternehmer in einem Salon sind. Der Stuhlvermieter und auch der Stuhlmieter müssen gesondert angemeldet sein, das heißt auch extra Steuern bezahlen, extra Buchführung, extra Kassen besitzen und so weiter. Falls das nicht der Fall ist und eine Kontrolle durch einen Rentenversicherungsträger durchgeführt wird, kann das erhebliche Auswirkungen haben.“

Stuhlmiete-Produkte

Szenario 1: Produkte des Saloninhabers mitbenützen – geht das?

Wenn man sich mit der Salonmarke identifizieren kann, besteht die Möglichkeit, die Produkte des Salons mitzubenützen.

Tipp: Vor der vertraglichen Fixierung Unklarheiten beseitigen:

  • Wie wird die Verrechnung geregelt: Zahlen pro verwendete Flasche oder Pauschalpreis? Gibt es eine Strichliste für verwendete Produkte? Wird verwendete Farbe abgewogen?
  • Herrscht eine gewisse Vertrauensbasis zwischen zu Vermieter*in? Diese ist bei einer Strichliste unumgänglich!
  • Wie verrechnet der Stuhlvermieter*in den Produktpreis? Einzelhandelskaufpreis, Rabatte, mit oder ohne Aufschlag?
  • Gibt es ein gemeinsames Lager oder die Möglichkeit Produkte zu versperren?
  • Produktverkauf an Kund*innen: Wie wird verrechnet?

imSalon-Praxis Tipp:

Tipp für eine akkurate Produktverrechnung: Zählen Sie die Pumphübe, die sich aus einer Shampoo- oder Conditionerflasche ausgehen und berechnen Sie den Preis eines Pumphubes. Anhand einer Strichliste über die Pumphübe der einzelnen Produkte können Sie Kosten monatlich verrechnen.

Szenario 2: Die eigenen Produkte mitnehmen

Folgende Fragen sind hier zu klären:

  • Wie läuft die Logistik der beiden Produktlager ab?
  • Gibt es einen eigenen, absperrbaren Abstellraum oder Kasten für Produkte?
  • Wie werden die eigenen Produkte im Salon platziert?
  • Sollen die Produkte auch verkauft werden?

Der ZV zur Stuhlmiete

Was man unbedingt berücksichtigen muss, weiß der Zentralverband des deutschen Friseuhandwerks: „Die Miete eines Stuhles beruht darauf, dass ich den Stuhl oder mehrere zur Verfügung gestellt bekomme, dafür Miete und Nebenkosten zahle und je nach vertraglicher Vereinbarung Saloninfrastruktur mitbenützen kann, aber alles andere muss eigenständig geführt werden. Dazu gehört eine eigene Warenwirtschaft mit eigenverantwortlichem Produkteinsatz und dazugehöriger Buchführung. Waren abwiegen würde ich als spekulative Methode sehen“.

Idealerweise hat also der Stuhlmieter*in und -vermieter*in eine eigene Warenwirtschaft bzw. ein separiertes Warenlager. Wenn das aus Platzgründen nicht möglich ist, sollten die Vorräte eindeutig dem jeweiligen Unternehmen, also Stuhlmieter*in oder -vermieter*in zuzuordnen sein. Nur dann ist die jährliche Inventur korrekt möglich.

Die wichtigsten To Do’s als Stuhlmieter auf einen Blick:

  • Als Stuhlmieter*in treten Sie als Einzel- oder Kleinunternehmer auf und man muss das Handwerk in die Handwerksrolle eintragen lassen und das Gewerbe anmelden
  • Mit dem Stuhlvermieter muss über folgende Punkte gesprochen werden:
    - Mietpreis
    - Nebenkosten
    - Kündigungsfrist
    - WLAN
    - Reinigung
    - Öffnungszeiten und Nutzungsumfang der Salon-Infrastruktur (Kassenbereich, Service - Kaffee und Getränke, Wartebereich, Zeitschriften, Mitbenutzung der Auszubildenden im Salon)
  • Haftpflichtrentenversicherung organisieren
  • Miete und Nebenkosten wie Energiekosten müssen kalkuliert werden
  • Es gilt Eigenverantwortung bei Auslastung und Termine, Öffnungs- sowie Arbeitszeiten
  • Thema Produkte: Selbstständiger Produkteinkauf oder monatliche Produktabrechnung bei Mitverwendung, Produktlagerung
  • Werbung, Marketing, Aktionen, Logo nicht vergessen
  • Keine Sonderzahlungen oder Urlaubsanspruch
  • Finanzpuffer für geplante Auszeiten zulegen
  • Es wird empfohlen, eine eigene Betriebshaftpflichtversicherung und eine Krankenversicherung abzuschließen
  • Gewerberechtlich gelten für Stuhlmieter die gleichen Voraussetzungen wie für Saloninhaber. Sie benötigen den Abschluss der Meisterprüfung, sowie die Zulassung zum Gewerbe, also den Gewerbeschein, bevor Sie Ihr Unternehmen bei der Gewerbebehörde anmelden.