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01.06.2015

Retail – und sie will es doch

Beraten hört beim Haaremachen nicht auf – wer ein professioneller Friseur sein will, unterstützt Kundin beim Finden der richtigen Frisur ebenso wie bei den geeigneten Pflege und Styling Produkten für zuhause …

Beraten hört beim haaremachen nicht auf – wer ein professioneller Friseur sein will, unterstützt Kundin beim Finden der richtigen Frisur ebenso wie bei den geeigneten Pflege- und Styling Produkten für zuhause …

Gute Salons erreichen locker einen Verkaufsanteil von 20 – 25% am Gesamtumsatz, der österreichische Durchschnittssalon aber gerade mal 6%? Das hinterlässt seit Jahrzehnten Fragezeichen in den Köpfen der Industrie, der Berater, vieler Chefs im Salon und und nicht zuletzt aller Kundinnen, die sich nach einer persönlichen Produktempfehlung sehnen.
Warum das so ist? Die Ausreden sind zahlreich, wir haben diese in unserem Beitrag ‚Verkaufen verboten!‘ zusammengetragen. Mit unserem heutigen Beitrag wollen wir allerdings Mut machen und weitere interessante anbieten zusammentragen, um das ‚Produkte empfehlen‘ zukünftig ein wenig leichter zu gestalten.

Willkommen bei Station 6 der L’Oréal Professionel Studie: Die 7 emotionalen Schlüsselmomente beim Friseurbesuch:
 

Was Kundin will

Retail, Verkauf, Beratung oder Produktempfehlung - ist ein Prozess indem Friseurin Ihrer Kundin Produkt- und Anwende-Empfehlungen mit auf den Weg gibt und Kundin glücklich persönliche und personalisierte Hilfe erhält.
In anonymen Zeiten wie heute sehnen sich Menschen förmlich nach Aufmerksamkeit in Form von persönlicher Beratung. Sehnen sich nach jemandem der ihnen das Gefühl gibt, das Richtige zu kaufen und gekonnt anzuwenden, das Gefühl gibt, nicht irgendwer zu sein.

Selbstverständlich kostet ein Shampoo in Salon mehr: Beratung, Ambiente, Fachkompetenz sind Werte die inkludiert sein müssen. Kundin kauft manchmal billig, manchmal hochpreisig, aber sie entscheidet selbst, wofür sie Geld ausgibt. Starbucks Kaffee ist im Vergleich zu Tchibo teuer und dennoch pilgern täglich Millionen Menschen dorthin. Der Becher in der Hand ist einfach cooler, ein Lebensgefühl. Und die Baristas kennen sich aus mit Kaffee, lächeln, sind gut geschult. Die Jeans von 7mankind kostet € 190, die von HM € 30 und dennoch präferieren abertausende von Menschen erstere – Besseres Produkt, mag man glauben, mag auch sein, aber rechtfertigt es eine Teuerung von 600%? Sicher nicht. Aber dafür gibt’s ein fettes Logo auf dem Po. Menschen entscheiden sich selbst wofür sie ihr Geld ausgeben, so auch Ihre Friseurkundin. Basta!
 

Verkaufen ist ein Prozess …

… der mit der Diagnose des Haares beginnt. Sie empfehlen der Kundin einen maßgeschneiderten Service mit darauf abgestimmten Produkten. Diese können Sie hier bereits erwähnen.

Am Waschplatz nimmt die Kundin den Duft und das Gefühl der Pflegeprodukte mit. Aber bitte niemals die Kundin am Waschplatz mit Produktinfos vollquatschen (siehe Waschplatz ), das können Sie im nächsten Schritt.

Am Bedienplatz – nun dürfen Sie Ihrer Kundin die Produkte hinstellen. Auf einem kleinen Tablett sauber präsentiert kann Kundin nochmal riechen, Flasche in der Hand halten, Etikett lesen ….
Sobald Ihre Kundin das Produkt wieder hinstellt, können Sie sie darauf ansprechen. Hierbei ist ein toller Einstieg eine Anmerkung, warum Ihnen persönlich (für sie) das Produkt besonders gut gefällt.

Der Leidenschaftsfaktor


Mitarbeiter verkaufen durchschnittlich 10 Produkte richtig gut, immer die gleichen. Der Leidenschaftsfaktor ist dabei Antriebsmotor, denn man kann andere nur mit etwas berühren, von dem man selbst wirklich überzeugt ist.
Alle hundert Produkte des Sortimentes zu kennen und zu lieben ist unmöglich und so sollten Sie Mitarbeiter mit deren Lieblingsprodukten loslegen lassen. Ein rascheres Erfolgserlebnis motiviert dann langfristig.

Verkaufen an Nicht-Service-Kunden

Auch das kommt vor: Kundin betritt Salon und sucht ein bestimmtes Produkt.
Öffnen Sie Tester und lassen Sie die Kundin am Produkt riechen. Auch wenn Kundin nicht in Ihrem Stuhl saß, fragen Sie vorsichtig, ob Sie ihr kurz ins Haar greifen dürfen. Hiermit zeigen Sie sofort, dass der Profi am Werk ist.
Lassen Sie die Kundin das Produkt selbst halten. Optimaler Weise hält Ihre Kundin dann 3 Produkte in der Hand und Sie können Sie fragen, welches der drei Produkte ihr denn am meisten zusagt.

Wünsche wecken

Regale befüllen ist eine Philosophie für sich, dennoch können Sie mit dem ein oder anderen Tool bereits mehr Aufmerksamkeit erzielen.

  • Branden Sie die Regale mit den Markenlogos
  • Heben Sie „Hero-Produkte“ gesondert hervor.
  • Auch die Wiederholung im Regal, auf separatem Tisch und an der Rezeption demonstrieren, dass das Produkt etwas Besonderes ist.
  • Emotionale Videos (z.B. auf I-pad) geben Impulse und berühren
  • QR Code mit Link zu Info und Step-by-Step Techniken für zuhause anbieten
  • Preisschild

Emotionale Themenwelten

Bella Venezia bei Tschibo – French Riviera Glam bei Ihnen: Fotos im Schaufenster und ein großer Tisch mit Accessoires, Glanzprodukten und Lockenschaum. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, Sie müssen nur den Kick-off geben.

Angenehme Anreize

Auch wenn klassische Mitarbeiterwettbewerbe niemanden mehr hinterm Ofen vorlocken. Ein Extraeinkommen von € 300 im Monat mag sich so leicht niemand entgehen lassen. Vorausgesetzt es ist erreichbar. Dass es das ist beweisen einige gute Salons.

Machen Sie es Ihren Mitarbeitern einfach. Es ist schwierig monatlich neue Produktbenefits zu erlernen und ob das neue Shampoo nun mit Ananasenzymen oder Tomatenradikalen arbeitet ist den meisten Kundinnen in Zeiten von Ingredients-Overload vollkommen egal. Kundin mag Produkt spüren, riechen und einfach schön finden. Das sensuelle Erlebnis, das mit dem Produkt einhergeht ist essentiell. Trifft man genau den Duftgeschmack der Kundin kauft sie das Produkt. Gefällt die Flasche kauft sie das Produkt, Ist sie von der Anwendung und dem Ergebnis überzeugt, dann kauft sie das Produkt wieder.

Drei Arten von Verkaufen/ Kaufen

1. Impulskauf
Wir alle kennen es. Der Blick fällt auf etwas und wir können nicht widerstehen … freuen uns wie ein kleines Kind über den soeben erworbenen Artikel, das Mitbringsel oder einfach nur ein besonderes Highlight, das unser Leben versüßt.
Jeder Salon kann hier ganz einfach Umsatz generieren.
Lippenbalsam, Handcreme, wunderschöne Haaraccessoires sind sogenannte No-Brainers, die jeder braucht und die durch etwas Besonderes hervorstechen, manchmal auch nur die Positionierung an der Rezeption.
Je besonderer der Artikel (Verpackung, Inhalte, Duft) desto größer die Kaufmotivation.

2. Regalverkauf
Sicher nicht der übliche Weg bei Friseuren. Nur wenige haben einen eigenen Shoppingbereich. Aber sollten Sie genügend Raum haben, um eine Shopping-Area einbauen zu können, dann bedarf dies eines eigenen durchdachten Shopkonzepts. Da kommen dann ganz eigene Regeln zum Tragen.
Die meisten Salons nutzen freien Raum lieber für weitere Bedienplätze und das erscheint sinnvoll, da das fachmännische Verkaufen über die Beratung viel einfacher ist.

3. Beratungsverkauf
Hierin sollte jeder Friseur Profi sein. Das Schöne daran, wer gut berät hat den Verkauf meist automatisch in der Tasche.
Der Verkauf beginnt bereits mit der Eingangsberatung und wird während Technik& Service dank Ihrer Euphorie intensiviert. Danach sollte die Frage danach „Welches Produkt darf ich Ihnen mitgeben“ nur noch Formalie sein.

Ein klares Nein

Und dann sagt Kundin „Nein“! Auch gut, Sie muss ja nicht.
Seien Sie nicht aufdringlich, mag die Kundin nichts kaufen, dann hat sie Ihre Entscheidung getroffen.
Der unentschlossenen Kundin können Sie nun Proben empfohlener Produkte mitgeben. Das zeigt, dass sie es ernst meinen und wenn Kundin begeistert ist, dann wird sie Sie beim nächsten Mal darauf ansprechen. Parallel machen Sie sich einen Vermerk in Ihren Unterlagen, denn dann können Sie beim nächsten Mal nachhaken.

Das große und einzige Hauptproblem der allermeisten Friseure jedoch bleibt, dass sie gar nicht über Produkte sprechen, dass das Thema Produkte vollkommen außen vor gelassen wird. Ein unternehmerisches Trauerspiel.