05.04.2016

Trauer um Ulrich Junge - Ein Nachruf von Oliver Schmidt

Am 01.03.2016 verstarb der Friseurunternehmer an den Folgen eines Unfalls.

Wegbegleiter, Schüler und Freund Oliver Schmidt erinnert sich

Tief betroffen erreichte mich die Nachricht vom Tod Ulrich Junges. Nicht nur für mich, sondern für viele in der Branche war der Verlust groß – das war deutlich bei der diesjährigen Top Hair Messe zu spüren. Mit seiner außergewöhnlichen Lebensleistung gab er vielen Friseuren eine klare Orientierung und seine kreativen Ideen inspirierten die Friseur-Szene der 70er/80er Jahre maßgeblich.

Bei Ulrich Junge habe ich damals gelernt, seine Geschichte kenne ich sehr gut, die mag ich erzählen, denn sie ist es, die ihn geprägt hat.

...60 Tage auf hoher See, daran erkennt man Ulrich Junge...

Ulrich Junge kam aus Ost-Deutschland, aus Warnemünde und darin liegt seine schon immer große Leidenschaft zum Meer begründet. Er war Hobbysegler, hat Wahnsinnstouren gemacht, insgesamt dreimal den Atlantik überquert. 60 Tage auf hoher See, daran erkennt man den Menschen Ulrich Junge.
Irgendwann ist er dann mit klitzekleinem Koffer nach Westdeutschland gekommen und hat seine Karriere vorbereitet. Begonnen hat er auf einem Bauernhof im Sauerland, um sich eine erste finanzielle Basis zu schaffen.

Von dort aus kam er nach Düsseldorf und beschloss eine Friseurlehre zu machen. Er fing beim damals bekannten Salon von Karl Degenhardt an. Auf der Königsallee hat auf 400qm alles was Rang und Namen hatte gelernt, in den 50ern war Degenhardt eine Koryphäe.
Ulrich Junge hat sich dort an die Spitze gearbeitet. Seine Frau Karin war dort Maniküristin, sie haben dann geheiratet und 3 Töchter bekommen - aus späterer Ehe hat er noch einen Sohn. Zuerst jedoch gingen sie gemeinsam nach Amerika, wollten in die große Welt, haben in Denver und Dallas gearbeitet. Dort blieben sie 3 Jahre und kamen mit tollen Ideen im Gepäck zurück.

Der erste Salon wurde dann im Düsseldorfer Zooviertel eröffnet. Das ist ein topnobler Stadtteil. Dort wurde sein Salon zur Top Adresse mit mega Anziehungskraft. Er konnte Leute toll motivieren. Sein Salon in der Brehmstraße wurde dann in Marmor umgebaut und damit prägte man in den 70er Jahren die Epoche der Marmorsalons. Das war damals revolutionär, ein unheimlicher Prunk wurde sichtbar gemacht. Prunksalons nannte man auch Marmorsalons.

In jedem Fall hat Ulrich Junge es so weit gebracht, dass er Schwarzkopf Top-Akteur wurde. Wolf Tümmler war damals Chef von Schwarzkpof Professional und gründete mit fachlichen Koryphäen das sogenannte Top Team. Ulrich Junge war dort federführend. Dieses Team entwickelte die methodische Dienstleistung. Das war damals eine Revolution und wurde auf den gesamten Friseurservice übertragen. Von der Beratung bis zum Produktverkauf wurde in einer Kette erarbeitet, das war damals ungewohnt, aber damals war das eben neu.

Unter diesen elf tollen Top-Team Friseuren lernte Ulrich Junge Erwin Michaelis kennen. Gemeinsam haben sie dann die Junge-Michaelis Akademie entwickelt und rund um die ganze Welt gearbeitet. Er mal irgendwie überall einmal gearbeitet und so war der Name Junge in den 80ern ein Name mit internationaler Ausstrahlung.

Viele Friseure haben sich auch der Arbeitsgemeinschaft Junger Friseure (AJU) angeschlossen, um sich das Wissen anzueignen. In dieser Gruppe erwuchsen tolle Salons. Ulrich Junge gründete dann noch einen Salon auf der Königsallee im KÖ-Center, dem Noblesse-Viertel.

Sassoon-Schnitte waren Ulrichs großes Steckenpferd...

Beide Salons, KÖ und Brehmstraße, liefen hervorragend und viele junge Leute kamen dort an Trainingsabenden zusammen. Ich kenne eine Reihe von Friseuren, die dort privat hingefahren sind, um sich die Methoden anzueignen. Es war die Sassoon Ära, die Schnitte waren Ulrichs großes Steckenpferd.
Junge-Michaelis haben eine ganze Friseurgeneration geprägt. Die Schule in Köln war super erfolgreich und als junger Lehrling stieß auch ich dazu. An einem Tag wurden dort 3 Veranstaltungen durchgeführt, zum Teil mit 200 Teilnehmern. Ich erinnere mich, dass es zwischen meinen Eltern immer Streit gab, denn ich hab da ja kostenlos mitgearbeitet. Meine Mutter meinte immer ich würde ausgenutzt, mein Vater meinte ich lerne und andere zahlen dafür. Mein Vater hatte recht ich habe dort so unglaublich viel gelernt.

Später wechselte Ulrich Junge zu Wella, da kamen weitere sehr erfolgreiche Jahre. Ulrich Junge war ein absoluter Gentlemen, niemals aufbrausend. Niemand konnte so viele junge Talente aufbauen, fördern und auf Bühnenqualität bringen.
Ich musste immer die Modelle schneiden, eine Seite mussten wir schneiden und die zweite wurde dann auf der Bühne fertiggestellt. Dann musste ich das plötzlich auf der Bühne schneiden, ganz ohne Vorwarnung. Ich war im zweiten Lehrjahr und so perplex, dass ich auf der Bühne stand und den Faden verlor.
Ulrich Junge hat das sofort erkannt und sagte plötzlich „Und jetzt sehen Sie wie Oliver Schmidt einen Scheitel zieht und dann mit der Schere…“ Er hat mich durch den ganzen Haarschnitt geführt auf der Bühne. Das war eine großartige Stärke. Überhaupt hatte er ein unglaubliches Verständnis dafür Leuten etwas beizubringen, war ein ständiger Motor im Leute heranziehen.

So ein starkes Niveau, wie bei Ulrich, habe ich nie mehr in einem Salon gesehen, auch nicht in Paris, wo ich nachher war.
Im Alter hat er sich zurückgezogen und im Alter von 82 führte er noch den Salon auf der Brehmstraße. Und ich möchte betonen, dass das kein finanzielles Muss war, sondern Leidenschaft, bis zum letzten Dezember. Im Februar hatte er einen Autounfall und ist an den Spätfolgen gestorben.

Ulrich Junge war ein großartiger Friseur, Segler, Motivator, ein hervorragender Redner und ein unglaublicher Beobachter des Zeitgeistes.

Mir hat er viel erklärt, viel beigebracht, ich habe ihm viel zu verdanken. Freundschaftlich waren wir ein Leben lang verbunden. Über 25 Jahre haben wir uns regelmäßig ausgetauscht und es hat mich besonders gefreut, wie er sich auch über meinen Lebensweg freute, obwohl wir direkte Konkurrenten waren.

In den letzten 10 Jahren hat sich Ulrich Junge in der Friseur-Branche etwas zurückgezogen, schade denn sein Wissen, sein Denken und sein Verständnis hätten wir weiterhin gut gebrauchen können. Er hat viel für die Branche getan. Mit Ulrich Junge geht der Branche eine echte Größe verloren. Größe kommt nicht einfach so, man muss groß sein und Größe zulassen können.

Oliver Schmidt