

17.01.2025
"Ohne das Duale System verlieren wir im internationalen Wettbewerb"
Nur noch 10 % der Friseurbetriebe bilden aus und zur gleichen Zeit sinkt die Anzahl der Auszubildenden. Da stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Warum.
Ist es das Image, die Entlohnung oder einfach nur null Bock auf Handwerk? Wie ein vertrauensvolles Duales System dem Berufsbild des Friseurs wieder neues Leben einhauchen kann, erzählt Inge von Thun.
Wie das Ausbildungssystem zukunftsfähig gestaltet werden kann, dazu hat Inge von Thun, Public Relations, der Beruflichen Schule Burgstraße (BS12) in Hamburg gute Lösungsansätze.
Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Auszubildenden im Friseurhandwerk hat die BS12 individuelle Unterrichtsdesigns entwickelt, die es jedem Auszubildenden ermöglichen, entsprechend seinen Stärken zu arbeiten und zusätzliche Kompetenzen und Qualifikationen während des Berufsschulunterrichtes zu erwerben. Und die Zahlen sprechen für sich: Derzeit verzeichnet die Berufliche Schule Burgstraße 360 Friseur-Auszubildende. Tendenz steigend!
Wir waren neugierig und haben nachgefragt bei Inge von Thun, Public Relations der Beruflichen Schule Burgstraße (BS12)
Wie kann die Ausbildung besser werden?
Inge von Thun: Nach Rücksprache mit meinen Auszubildenden empfehle ich:
1. Die Struktur der Ausbildung transparent machen und konsequent die Ausbildungsschritte verfolgen.
2. Der Grundstein aller Kompetenzen kann schon im 1. Ausbildungsjahr gelegt sein. Danach kommt das Training, die unbedingt nötige Erfahrung. (Beispiele für eine Ergänzung des „Grundsteins“: Ryf Junior College, Meininghaus Young Stylist)
3. Im 2. und 3. Ausbildungsjahr würde so schon selbstständig an Kunden/Gästen gearbeitet werden. (Stichworte: Peter Polzer und sein Konzept des Lernsalons, Rentabilität der Ausbildung)
4. Lernbegleitung mit „Personalentwicklung“ in Schule und Betrieb sind bedeutsam, um Motivation zu wahren und „Rückschläge“ zu verdauen. Das kostet Zeit.
5. Die nationale und internationale Welt der Friseure bereits als Auszubildende erleben zu dürfen, sichert Friseurbegeisterung.
Die BS12 bietet individuell auf die Bedürfnisse der Auszubildenden angepasste Klassen, wie Plus-, Salon-, Frühlings- und Vielfaltklassen an. Welchen Vorteil hat das?
IvT: Die berufsbildende Schule im dualen System bietet strukturierte Ausbildung und Lernbegleitung, sie eröffnet Bildung in jedem Lebensalter. In meinen plus-Klassen habe ich Azubis von 16 bis 50 Jahren, ehemalige Banker, Informatiker, Designer, etc. So gelingt es uns, die Herausforderungen in Bezug auf Heterogenität, Leistungs- wie Sprachvermögen, Vorbildung, Arbeitsauffassung und Motivation individuell zu lösen. Mit unserem Beratungsdienst begleiten wir Auszubildende erfolgreich in der Bearbeitung sozialer Probleme.
Das duale System ermöglicht außerdem bei entsprechenden Voraussetzungen eine Lehrzeitverkürzung auf anderthalb Jahre. Alles andere wäre aus meiner Sicht eine ‚Hilfsarbeiter‘- Qualifikation.
Wo liegt der Schlüssel für eine erfolgreiche Ausbildung?
IvT: Eine gute, vertrauensvolle, wertschätzende Zusammenarbeit mit, allen voran, unseren Partnern im DUALEN SYSTEM: Ausbildungsunternehmen, mit Innung, Handwerkskammer, Industriepartnern und berufsbildender Schule ist die Voraussetzung für den Ausbildungserfolg. Das Sprichwort ‚Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf‘ gilt auch für die Ausbildung. Wir arbeiten innerhalb einer festen Lernstruktur: ein (Lehrerinnen)-Team – zwei Klassen – ein Kooperationspartner. Alle unsere Kooperationspartner aus der Fachindustrie sind einfach großartig.
Was bietet die BS12 über die „normale“ Ausbildung hinaus?
IvT: Wir bieten, als berufsbildende Schule die Welt der Friseure zu erleben, u.a. durch Eventgestaltung, Auslandsaufenthalte, Projekte und Seminare, mit unserem Konzept ‚Für jeden Kopf etwas!‘ individuelle Lernchancen, z.B. mit den plus-Klassen der Hamburger Friseure ein passgenaues Ausbildungs-Upgrade für den Führungsnachwuchs der Hamburger Friseure. Die Auszubildenden meiner Hamburger plus-Klassen für Friseure stellen regelmäßig mindestens zwei der drei Landessiegerinnen, sind also nicht nur intellektuell gut, sondern auch praktisch ausgezeichnet.
Und wie könnte es nach der Ausbildung weitergehen?
IvT: Mit dem erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung im dualen System und dem Besuch der berufsbildenden Schule ist es möglich, weiterführende allgemeine Abschlüsse zu erwerben. In Hamburg kann zudem parallel an der Beruflichen Hochschule Hamburg (BHH) kostenfrei studiert werden (Abschlüsse: Bachelor, Meister). Im internationalen Wettbewerb würden wir verlieren, wenn wir das duale System infrage stellten (Friseurausbildung derzeit hart erkämpft auf Stufe 4 im Europäischen und Deutschen Qualifikationsrahmen EQR/DQR).
Doch Abschlüsse sind es nicht allein. Wir eröffnen (Weiter-) Bildungschancen in jede Richtung und begeistern stets als Lehrerinnen – wir sind ausgebildete Friseurinnen bis hin zum Meister – für eine Entwicklung innerhalb des Berufsbildes Friseurin. Unser Ziel ist klar: Wir möchten gute, ja sogar sehr gute Friseure, auf jeder Ebene, in jedem Konzept. Und dazu braucht es Teamwork, ein Miteinander in der Ausbildung.
Wir sind überzeugt: Friseurin ist und bleibt der schönste Beruf der Welt!
Liebe Frau von Thun, wir bedanken uns für die spannenden Einblicke und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!
Ilayda Dilmec ist Auszubildende an der Beruflichen Schule Burgstraße in Hamburg. Sie mag ihre Schule und sie mag ihre Ausbildung, die sie zudem noch mit zusätzlichem Mentoring-Programm ergänzt. Uns hat sie davon erzählt, hier nachzulesen in unserem Interview: ►„Friseursein ist ein super Job, nur am Gehalt muss sich etwas ändern!“