Credit: Martin Steiger für imSalon

08.04.2022

Maskenpflicht beim Friseur – Die Crux der klaren Aussagen

Orientierungshilfe, Empfehlung, bindend, sollen, müssen, könnte, Hausrecht – die Unsicherheit im Falle der Maskenpflicht ist verständlich. Es schwirren unterschiedlichste Aussagen und Interpretationen durchs Netz, jeder sucht die eine Aussage, auf die man sich voll verlassen kann. Warum das so schwierig ist und wir wieder lernen müssen eigenverantwortlich zu handeln …

Die BGW und ihr Arbeitsschutzstandard

Die Berufsgenossenschaft (BGW) ist eine gesetzliche Unfallversicherung für Mitarbeiter*innen, unter anderem Friseur*innen. Die Hauptaufgabe ist der Versicherungsschutz bzw. der Arbeitsschutz. Somit formuliert die BGW Vorgaben, um die Arbeitssituation für Salon-Mitarbeiter*innen so sicher wie möglich zu gestalten. Mit dieser Hauptaufgabe ist auch der ► Arbeitsschutzstandard gestaltet. Salonunternehmer*innen oder Solostylist*innen sind hier freilich nicht inbegriffen.  

Der veröffentlichte Arbeitsschutzstandard dient laut BGW „zur Orientierung und Unterstützung der Gefährdungsbeurteilung“. Die BGW erklärt, dass bei einer Umsetzung, Mitarbeiter*innen sicher arbeiten können, da Saloninhaber*innen erforderliche Maßnahmen zur Verhütung von u.a. Berufskrankheiten umsetzen.

Versicherungsfall, aber wie nachvollziehen?

Die BGW sagt: „Saloninhaberinnen und -inhaber müssen erforderliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren treffen und umsetzen. Verbotswidriges Handeln schließt die Anerkennung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten nicht aus, aber der Unfallversicherungsträger hat die Möglichkeit Regress zu fordern. Dies ist im Sozialgesetzbuch VII geregelt.“

Covid19 als Berufskrankheit

Bis einschließlich 28. Februar 2022 wurden der BGW insgesamt 214 beruflich bedingte Corona-Verdachtsmeldung im Friseurhandwerk gemeldet. Im Vergleich zu allen anderen Berufsgruppen war das verschwindend gering.

Mittlerweile gibt es kein Contact Tracing mehr, Kundendaten werden nicht mehr dokumentiert. Wir dürfen ohne Masken zu zehntausenden ins Fußballstadion, zum Konzert, in die Mall und auf die Party, alles ohne Maske. Wer soll da überhaupt nachvollziehen können, ob eine Ansteckung im Salon erfolgt ist? Freilich heißt das alles nicht, dass man sich am Arbeitsplatz nicht schützen sollte, könnte oder müsste. Das wissen Sie am allerbesten.

Vorhanden Ängsten muss auch Raum gegeben werden. Genauso muss abgewogen werden: Gibt es vulnerable Personen im Team, zum Beispiel aufgrund von Vorerkrankungen oder Altersgruppen, auf die Rücksicht genommen werden sollte? Das sind alles Punkte, die in die Gefahrenbeurteilung miteinfließen sollten. Und um diese geht es. Ihre persönliche Gefahrenbeurteilung für den Friseursalon.

Das kann auch beinhalten, dass Kund*innen Masken tragen, sie selbst, das können Sie als Unternehmer*in frei bestimmen. Folgt man den SM Posts, so ist klar erkennbar, viele Salons fahren unterschiedliche Strategien, gut so, wichtig ist für den eigenen Salon eine Entscheidung zu treffen

Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks

Der ZV vertritt die politischen und wirtschaftlichen Interessen des Handwerks. Als Sprachrohr des Friseurhandwerks zählen viele Friseur*innen darauf, was der ZV bekannt gibt. Mit der Veröffentlichung des aktualisierten BGW-Arbeitsschutzstandards reagierte der ZV und versendete diesen an die Mitglieder und Abonnenten mit den Worten „Der aktualisierte SARS-Cov-2-Arbeitsschutzstandard ist weiterhin für die Betriebe bindend. Dies bedeutet im Ergebnis, dass auch angesichts der aktuellen Lockerungen (…) grundsätzliche eine Pflicht für die Beschäftigten in den Salons besteht, mindestens einen Mund-Nasen-Schutz (..) zu tragen, wenn der Mindestabstand von 1,5m nicht eingehalten werden kann“.

Aber ist das so einfach?

Noah Wild: Juristisch ist der neue Standard für euch nicht verbindlich

Noah Wild führt gemeinsam mit seiner Schwester die Wild Beauty GmbH in zweiter Generation und versorgt damit über 5.000 Salons in Österreich und Deutschland mit den Marken von Paul Mitchell und Kemon. Er hat sich gemeinsam mit einem Anwalt für seinem aktuellen ►Blog mit dem von der BGW veröffentlichten Arbeitsschutzstandard auseinandergesetzt. Dabei kam er zum Schluss: Der neue Standard ist für die Salon-Betreiber*innen nicht verbindlich. 

 Warum?

  • Er ist keine Unfallverhütungsvorschrift, sondern eine unverbindliche Leitschnur.
  • Keine Landesverordnung schreibt die Einhaltung des BGW-Branchenstandards explizit vor. Auch die Arbeitsschutzverordnung tut dies nicht.

Demnach darf man, so argumentiert Noah Wild, vom Branchen-Standard abweichen. Trotzdem ist in der Arbeitsschutz-Verordnung nach dem Arbeitsschutzgesetz vorgegeben, dass Arbeitgeber*innen in einem betrieblichen Hygienekonzept, erforderliche Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz festzulegen und umzusetzen hat.

Hot-Spot-Regelungen, Maskenpflicht für Kund*innen und Hausrecht

Trotz Regelungen sind strengere Maßnahmen in Regionen mit einem gefährlichen Infektionsgeschehen – einem Hotspot – möglich. Aktuell zählen Hamburg sowie Mecklenburg-Vorpommern zu den Regionen mit verlängerten Schutzmaßnahmen. Die aktuelle Übersicht zu den Regelungen gibt es >>> hier.

Ob eine Maskenpflicht für Kund*innen gilt, unterliegt regionalen Entscheidungen und Auflagen sowie der Entscheidung als Saloninhaber*in – dem sogenannten Hausrecht

Doris Ortlieb vom Landesinnungsverband der Friseure Bayern hat in einem Interview die Situation folgend erklärt: „Die Bayerische Staatsregierung hat es einfach gemacht. Sie stellt dem Kunden und dem Friseur frei, ob der Kunde Maske tragen muss“. Deswegen müsse Kund*in für sich selbst entscheiden, ob Maske oder nicht.

Hausrecht: Der Friseur-Unternehmer kann das Hausrecht ausüben und die Kunden verpflichten, Maske zu tragen. Doris Ortlieb schildert die Situation in Bayern: „Die Tendenz geht dahin, an die Kunden zu appellieren, eine Maske zu tragen oder im Rahmen vom Hausrecht, (…) eine Maskenpflicht vorzuschreiben. Es ist im Moment eine gewisse Vorsicht zu spüren.“

Unternehmer*innen haben ihre Eigenverantwortung zurück

Ein gesunder Menschenverstand, die Befolgung der Landesverordnung sowie die Berücksichtigung der Bedürfnisse des Teams sowie des Salongeschehens sollen helfen, die beste Lösung für den eigenen Friseurbetrieb, sowie das -Geschäft zu finden.

Noah Wild hat in seinem Blog noahwild.de folgenden Leitfaden für die Erstellung eines Hygiene-Konzepts für den Salon vorgeschlagen:

  • Was schreibt das Bundesland, in dem mein Salon ist, vor?  ► Corona Maßnahmen ab April nach Bundesland
  • Mit Arbeitsschutz-Verordnung vom BM für Soziales und Arbeit auseinandersetzen
  • Mit BGW Branchen-Standard auseinandersetzen
  • Anhand dieser Informationen eine eigene Gefährdungsbeurteilung und daraus folgend ein Hygiene-Konzept für den Salon erstellen, umsetzen und auch kontrollieren.

Unternehmer*innen sind selbstständig und haben nach über zwei Jahren Pandemie mit Verordnungen und Regelungen ihre Selbstständigkeit sowie Entscheidungsfreiheit (Hotspot-Regionen ausgenommen) für ihren Salon wieder zurück.

Worst Case:

Rein rechtlich müssen im Salon aktuell keine Masken mehr getragen werden. Sollte sich ein Mitarbeiter*in jedoch nachweislich im Salon mit Covid19 infizieren, daran schwer erkranken und dies als Berufskrankheit der BGW melden, dann kann die BGW die anfallenden Kosten für Ausfall und Behandlung regressieren.