Credit: Andonis Vassilades

30.10.2018

Studie: Warum das Handwerk unattraktiv ist - eine Abwärtsspirale

Dass es immer weniger Azubis gibt, spüren wir alle am eigenen Leibe. Eine Studie des BIBB (Bundesinstitut für Berufsbildung) analysiert jetzt, was das Handwerk attraktiv macht.

Die Studie ist sehr spannend - umso sonderbarer die Zusammenfassung, die vom ZV kam. Der sieht die Lösung der Probleme in Wortklauberei.

"Die Autoren schlagen in diesem Kontext vor, Studienwohnheime in Bildungswohnheime umzubenennen und diese auch für Auszubildende zu öffnen. Zudem sprechen sie sich für die Einführung eines Azubi-Tickets äquivalent zum Semesterticket für Studierende aus." (Presseaussendung ZV)

Super Idee. Eine ganze Reihe 15jähriger Realschüler wird ihre Ausbildung abbrechen, weil sie schon immer Zuhause ausziehen und in einem BILDUNGSWOHNHEIM wohnen wollten. "Dann werde ich FRISEUR" - die einzig logische Konsequenz!

Aber Spass beiseite. Symbolische Umbenennungsaktionen sind nett und Azubitickets müssen selbstverständlich sein. Die Studie bietet aber auch ernsthaftere Lösungsansätze.

Attraktivitätsprobleme im Handwerk

Die Wahl für ein Handwerk wird vom eigenen Wissensstand und vom familiären Umfeld beinflusst.

Das heisst, je mehr man über einen Beruf weiss, desto attraktiver findet man ihn. Das bringt aber alles nichts, wenn Eltern und Freunde den Beruf nicht gut finden. Gibt es im sozialen Umfeld Menschen mit Handwerksberufen, steigt die Attraktivität wieder. Je weniger Anknüpfungspunkte es zum Handwerk gibt, desto weniger wird ein Handwerk überhaupt in Erwägung gezogen - dadurch informiert man sich weniger.

Die Abwärtsspirale vorprogrammiert, über diese Hürde kommt auch ein spannendes Handwerk kaum drüber.

Das ist ein echtes Problem - durch den Trend zur Akademisierung wird das Handwerk im sozialen Umfeld immer weniger, Eltern haben hohe Bildungserwartungen an ihre Kinder, Handwerksberufe verlieren an Ansehen.

Das Handwerk muss also bei Jugendlichen mit höheren Schulabschlüssen attraktiver werden.

Das ist den Jugendlichen wichtig

  • das vermutete soziale Ansehen eines Berufs
  • Aufstiegsschancen
  • Abwechslungsreichtum
  • Kreativitätspotential

Aber hallo! Das sind drei von vier Punkten, bei denen Friseure aber sowas von gut abschneiden! Wir müssen uns darauf konzentrieren, genau diese Punkte zu kommunizieren!

Gut gebildete Botschafterinnen

Ein toller Vorschlag in der Studie ist, gut gebildete Azubis und Jungfriseure als Botschafterinnen vorzuschicken. Diese können aus eigener Erfahrung berichten und wirken authentisch. Eine andere Idee ist es, in höheren Schulen ein Fach einzuführen, das Handwerk und Gestalterisches lehrt. Der Fächerkanon ist extrem symbolisch und steht dafür, was in der Bildung wichtig ist und was nicht.

Eltern rekrutieren

Wie oft hören wir, dass die Eltern erfolgreicher Friseure anfangs enttäuscht waren und sie sich gegen diese Umstände erstmal durchsetzen mussten.

Wir müssen nicht die Jugendlichen überzeugen, sondern auch ihre Eltern! Seien wir uns ehrlich - das ist echt schwierig. Allerdings sagt die Studie auch, dass Eltern beruflichen Erfolg immer noch von Verdienstmöglichkeiten abhängig machen. Hier kann man ansetzen.

Aber okay, muss ja alles nicht sein. Benennen wir einfach ein Wohnheim um und hoffen, dass die Sache damit erledigt ist.