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07.04.2023

Soforthilfe - oder das Recht des Stärkeren?

Aktuell kämpfen zahlreiche Unternehmer mit Rückzahlungsaufforderungen! Ein Schlag ins Gesicht all jener, die den Worten der Politiker Glauben schenkten. Rene Krombholz zeigt die Probleme auf und appelliert …

Ein Kommentar von Rene Krombholz

SOFORT HILFE?

„Wir lassen niemanden im Stich!“, so lautet der letzte Satz zum Abschluss der Ampel-Koalitionsgespräche. Er betrifft die, durch die Energiewende entstehenden, zusätzlichen Kosten und soll die Hausbesitzer beruhigen. Dieser Satz geht Ende März 2023 durch die Medien.

„So wie damals beim ersten Lockdown!“, kommentiert Friseurmeister Rene Krombholz diese Worte, die bei ihm widersprüchliche Gefühle auslösen. Krombholz ist Initiator der Wertegemeinschaft im Friseurhandwerk „Der faire Salon“ und ist, so wie die meisten der rund 200 Mitgliedsalons, verärgert über die Politik.  Ebenfalls Ende März, aber 2020, äußerte sich Bundeskanzler Scholz ähnlich, als man die Corona-Soforthilfe auf den Weg brachte: „Diese Soforthilfen sind kein Darlehen, werden gewährt, wo nötig und sind nicht rückzahlbar!“ Inzwischen, drei Jahre später, müssen so gut wie alle Empfänger diese Hilfen zurückzahlen. Dieses, obwohl hier rechtmäßig einiges im Argen liegt und das Land NRW alle bisher vorliegenden Klagen gegen die Rückzahlungen bereits verloren hat.
 

Credit: Alois Müller

Der Reihe nach:
Bereits in den Monaten Januar, Februar, März, zeichneten sich im Friseurhandwerk deutliche Umsatzeinbrüche ab. „Der Januar ist ein ohnehin etwas ruhiger Monat, das machte uns noch keine Sorgen. Aber mit jeder Meldung über die stetig steigenden Infektionszahlen in den Medien, sanken zeitgleich die Kundenbesuche“, so Krombholz.

Bei einem monatlichen Kostenblock von rund 12.500 € wurde es im März bedenklich. Es fehlten bereits 2200,-€  Euro, um die Kosten des ersten Quartals zu decken, am 23. März 2020 wurde der erste Lockdown verkündet, vorerst also keine weiteren Einkünfte.
Als dann die Soforthilfe angekündigt wurde, beantragten sehr viele Unternehmen diese Unterstützung, so auch Krombholz. 

Zum Zeitpunkt der Antragstellung gab es so gut wie keine Regelungen, auf was zu achten sei. Lediglich der Hinweis: Gelder für private Lebenshaltungskosten oder Versicherungen des Unternehmers dürfen nicht beantragt werden. Es muss ein Liquiditätsengpass vorliegen. Aber den hatten wir ja bereits!“, so Krombholz. Die Auszahlung in Höhe von 9000 € erfolgte zeitnah und half erst einmal weiter.

Der erste Corona-Lockdown endete nach sieben Wochen am 4. Mai 2020.
Den monatlichen Ausgaben in Höhe von 12.500 € standen im April  80 € (Verkauf) Einnahme entgegen. So wie vom Land NRW gewünscht, beantragte Krombholz für den privaten Lebensunterhalt das ALG II und erhielt einmalig 860 €.

Die Personalkosten für die Betriebe konnten in diesen Monaten über Kurzarbeit reduziert werden.

„Für zwei Arbeitsplätze konnte ich jedoch kein Kurzarbeitergeld beantragen, weil es in bestimmten Fällen nicht vorgesehen ist. Wegen der Verlautbarung, diese Kosten können im Nachhinein angerechnet werden, erhielt ich diese Arbeitsplätze und finanzierte die Löhne, statt mich von Mitarbeitern zu trennen“ ärgert sich Krombholz heute noch. „Das Land NRW änderte die Kriterien für die Soforthilfe 16 Mal – schließlich konnte ich von über 2.000 €  Lohnkosten ganze 80 € (nämlich die Einnahme aus April) in Anrechnung bringen“.

Ohnehin ist diese notwendige Rückmeldung zur Überprüfung des Liquiditätsengpasses sehr fragwürdig. Immer bei der Abrechnung enthalten ist der Monat Mai, der erste Monat nach dem Lockdown mit einem überdurchschnittlichen Umsatz. Von real vier verlustreichen Monaten dürfen nur zwei angerechnet werden, etliche Kosten sind nicht anrechenbar. Ergibt dieser Zeitraum auch nur 1.- € Gewinn für das Unternehmen, ist die Soforthilfe zurückzuzahlen.

„In der Zeit von Januar bis Ende Mai 2020 (also mit dem umsatzstarken Monat nach Wiederöffnung)  haben wir betrieblich 8000 € verloren. Zudem habe ich, so wie alle anderen auch, den privaten Lebensunterhalt irgendwie finanzieren müssen (abzüglich 800 € ALG zwei).
Trotzdem erkennt das Abrechnungsformular des Landes NRW keinerlei Engpass bei meinen Finanzen und die Soforthilfe ist in voller Höhe zurückzuzahlen“ erklärt der Unternehmer.  

Das Abrechnungsverfahren der NRW Soforthilfe wurde schon recht früh hinterfragt und viel diskutiert. Es gründete sich eine Interessengemeinschaft (ig-nrw-soforthilfe.de), die zur Klage der erhaltenen Schlussbescheide (zur Rückzahlung verpflichtend) riet.
Klagen kosten Geld, welches zu dem Zeitpunkt nach dem Lockdown, in den meisten Unternehmen fehlte. Einige Unternehmen wagten diesen Schritt und gewannen vor den Gerichten ihren Prozess, unterstützt durch die Interessengemeinschaft und deren Anwälte.

Ein Schlussbescheid ist ein rechtskräftiger Verwaltungsbescheid, gegen den (fristgemäß) Einspruch erhoben werden kann. Der Einspruch wird geprüft und kann (kein muss) positiv entschieden werden.
Auf Anraten der IG-Soforthilfe erhielt das Land NRW aus allen Berufszweigen etwa Zwanzigtausend dieser Einsprüche, die bei einem positiven Entscheid den Weg zur Klage (diese Frist zur Klage war verstrichen) wieder frei gemacht hätten.

Eine Möglichkeit, die dem Land ermöglicht hätte, Fehler und Schäden zum Nachteil der Zigtausend Soforthilfeempfänger wieder auszugleichen. Selbst das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte, in der vom Land geforderten Berufungsverhandlung, die Fehlerhaftigkeit und das als unwiderrufbar.
NRW verteilt stattdessen Ohrfeigen, beruft sich auf die verstrichene Klagefrist und entscheidet die Einsprüche negativ. Das war es!

„In unserer Wertegemeinschaft sprechen wir uns für einen respektvollen Umgang aus - wenn wir einen Fehler gemacht haben, dann versuchen wir das wieder geradezubiegen. Das gehört für uns zu einem respektvollen Umgang dazu“.
„Das Land NRW sieht dieses wohl anders und verteilt Ohrfeigen, nimmt das vermeintliche Recht des Stärkeren für sich in Anspruch.  Ein Trauerspiel für unsere Demokratie. Über Politikverdrossenheit braucht sich dann niemand mehr zu wundern“ sagt der Initiator von „Der faire Salon“

Indes laufen die Bemühungen der IG-Soforthilfe hinter den Kulissen weiter. Es gibt wohl noch etliche Punkte die rechtmäßig nicht einwandfrei sind. Vielleicht gibt es ja noch eine Chance für die Betroffenen ….. 

Wünschenswert wäre es, besonders im Friseurhandwerk, denn viel Salons kämpfen ums Überleben. Verdrängungswettbewerb, höhere Kosten durch Energie und Wareneinsatz, steigende Lohnkosten durch den Fachkräftemangel bedingt und durch die Pandemie die Rücklagen aufgezerrt – dazu diese unberechtigte Rückzahlung ...

Friseurunternehmer und Initiator von „Der faire Salon!“ fordert die Politik auf umzudenken und den Betroffenen und Geschädigten entgegenzukommen. Da muss merklich mehr passieren als das Angebot einer Ratenzahlung.

„Meinem persönlichen Empfinden nach, ist das, was hier passiert, eine willkürliche Rechtsbeugung. Wenn die Politik mit solchen Entscheidungen vorangeht, dürfen wir uns nicht wundern, wenn hier in diesem Land bald nur noch das Recht des Stärkeren zählt!“