Credit: Alois Müller

12.06.2013

Sind wir nicht alle Pfuscher?

Sind es wirklich die Pfuscher, die unsere Branche oder gar deren Image schädigen? Sündenböcke sind immer leicht zu finden, aber eine einseitige Sichtweise ist gefährlich, denn wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!

Sind es wirklich die Pfuscher, die unsere Branche oder gar deren Image schädigen? Sündenböcke sind immer leicht zu finden, aber eine einseitige Sichtweise ist gefährlich, denn wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!

Immer wieder werde ich zu Branchen-Diskussionen herangezogen oder in Gesprächen mit Friseuren auf das Thema Pfusch angesprochen. Die Pfuscher in der eigenen Branche sind die ganz bösen, schaden der Wirtschaft, dem Image und definitiv dem eigenen Geschäft. Am meisten klagen Friseurunternehmer, die Probleme haben. Aus Erfahrung weiß ich, dass die Probleme meist wo ganz anders liegen, nämlich in der Führung oder Umsetzung, aber dies wäre ein anderes Thema … zurück zum Pfusch.

Beispiel Fotografie …
Ob ein Pressefoto, ein Bild auf Facebook oder Fotos der Mitarbeiter für die Homepage, … da denke ich häufig: „Hauptsache ein Foto, die Qualität scheint sekundär.“ Was ich da manchmal entdecke, haarsträubend unprofessionell. Na klar, Fotografen kosten, wie ein Friseur eben, dahinter steckt ebenso eine umfangreiche Ausbildung mit Meisterprüfung. Dennoch wird dann die Schwester der Rezeptionistin herangezogen, die so tolle Fotos macht. Kann sein, meist ist es nicht so … unterbelichtet, unscharf, … eine hochwertige Kamera macht noch lange keinen Professionellen aus dem Knipser … auf privat gemachte Fotos für den professionellen Einsatz zu setzen ist PFUSCH

Beispiel Grafik
„Also mein Sohn ist so gut am Computer, den lassen wir das machen“ … so sieht es in den meisten Fällen auch aus, selbstgebastelte Logos, Werbesujets ohne grafisches Konzept, Typo-Wirr-warr usw.
Eine Grafikerstunde kostet Geld, meist liegt diese zwischen 40 – 80 €, wie bei einer Friseurin, einem Handwerker etc. Diesen Wert sehen die meisten Friseure nicht und lassen von Pseudoprofis basteln, oder von festangestellten Grafikern in deren Freizeit, das ist PFUSCH

Beispiel Webdesign
Eine gute Webseite kostet viel! Hier ist es nicht nur die Gestaltung, die zählt, sondern und vor allem die technische Realisierung. Wie viele Friseure kenne ich, die nicht mehr richtig an ihre Webseite herankommen, die irgendwann einmal ein Student um ein paar € gemacht hat … Das war, ist und bleibt halt PFUSCH

Beispiel Renovierung
Neulich erklärte mir ein Friseur die Problematik gute Mitarbeiter zu finden, die nebenbei nicht pfuschen. Im nächsten Atemzug wurde mit erklärt, wie günstig der Salon renoviert wurde mit 3 Slowaken, die es für ein Drittel des Preises der angefragten österreichischen Betriebe gemacht haben. Sorry, aber großer PFUSCH

Beispiel Putzfrau
Na, was soll man da sagen … ok, es ist kein Ausbildungsberuf und der Graubereich ist hier groß wie nirgends, aber da gibt es viel PFUSCH

Greifen wir uns an die eigene Nase, bevor wir Pfuscher verurteilen und suchen wir lieber nach dem wahren Kern des Problems.

Viele Menschen haben eine falsche Vorstellung vom Wert einer Dienstleistung, liegt nicht hier das Problem? In unserer Geiz-ist Geil Mentalität in der wir alles haben wollen, lassen wir es zu, dass alles immer billiger wird, Qualität ist bei vielen Dingen bereits nebensächlich geworden. Wird in China produziert, ist es einfach. Findet die eigentliche Arbeitsleistung jedoch im eigenen Land statt, da wird es schon problematisch. Bei Friseuren wie bei Grafikern, Fotografen, Handwerkern, etc. sind die Kosten also unvermeidlich. Also an welche Solidarität appellieren wir eigentlich, wenn wir Pfuscher verdammen?

Nur Mechaniker und Installateure haben es geschafft sich auf hohem Preisniveau eine Existenz zu schaffen. Vielleicht weil Gefahr und Folgekosten zu hoch sind, sollte etwas nicht funktionieren verfällt die Waschmaschinengarantie oder das Auto fährt doch nicht, …

Die Frage, die wir uns wirklich stellen sollten, ist, wie wir unsere Dienstleistung wertiger präsentieren und auch umsetzen können, langfristig durch die ganze Branche hindurch. Dann können wir getrost faire Preise verlangen und in Folge höhere Gehälter anbieten. Hier würde dann endlich ein Teufelskreis unterbrochen.

Wir dürfen und sollten darüber reden, warum Preise sind wie sie sind und fest dahinter stehen.
In diesem Sinne ...

Ihre Raphaela Kirschnick