Credit: ver.di

11.02.2022

Sascha Tietz: Es ist egal, welche Vergütungen bundesweit vorgegeben werden – der regionale Tarifvertrag gilt

Die Vergütung im niedersächsischen Azubi-Tarifvertrag liegen unter dem des Berufsbildungsgesetzes, deswegen wurde dieser von der Tarifkommission gekündigt. Aufgrund mangelnder Durchsetzungsfähigkeit liegen aber die Verhandlungen brach. Was es braucht, damit diese wieder aufgenommen werden können …

Im Interview mit Juliane Krammer

Herr Tietz, Sie sind verdi-Landesfachbereichsleiter und unterstützen ArbeitnehmerInnen bei Tarifverhandlungen in der Friseur-Branche. Für welche Bundesländer sind Sie verantwortlich?
Sascha Tietz:
Mein Verantwortungsbereich liegt in Niedersachsen und Bremen.

Wie ist der aktuelle Stand, wenn es um die Azubi-Löhne in Niedersachsen und Bremen geht?
ST:
Die Azubi-Vergütungen sind in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Einige Tarifverträge liegen unterhalb der Mindestausbildungsvergütung, die sich aus dem BBIG (Berufsbildungsgesetz, Anm. der Red.) ergibt. Dass BBIG ist die gesetzliche Grundlage für die Azubi-Mindestlöhne. Da könnte man prinzipiell sagen: Das ist gar kein Problem, Gesetz ist höher als ein Tarifvertrag - da gilt die gesetzliche Regelung. Das greift aber in dem Fall nicht, weil da eine sogenannte Öffnungsklausel drinnen steht. Die sagt sinngemäß: Diese Vergütungen sollen den Azubis gezahlt werden, es sei denn, es gibt einen Tarif-Vertrag, der etwas anderes regelt.

Ist es richtig, dass die Azubi-Tarifverträge in Niedersachsen aufgekündigt wurden?
ST: Ja, das ist richtig. In Niedersachsen und Bremen sind die Verhandlungen corona-bedingt zum Erliegen gekommen. Unser regionaler Tarif-Vertrag hat sich entsprechend nicht weiterentwickelt. Das BBIG hat aber jährlich steigende Vergütungen fortgeschrieben und erstere somit überholt. Zum Teil waren die Vergütungen niedriger und mit der Kündigung gilt nun die gesetzliche Regelung des BBIG.

Wie geht man weiter damit um, wenn eine Kündigung der Tarifverträge vorherrscht?
ST: Es gibt zunächst keinen Automatismus wie „Wir setzen uns sofort wieder an den Tisch“. Das ist eine grundsätzliche Frage: „Mit welcher Durchsetzungskraft können wir in Verhandlungen treten oder müssen wir am Ende alles nehmen, was uns vorgesetzt wird?“ Die ist jetzt leider nicht so stark ausgeprägt. Unsere Durchsetzungsfähigkeit bemessen wir im Wesentlichen damit, wie viele Mitglieder wir in einem Bereich haben. Klar ist, wir werden an dieser Stelle nachschärfen müssen und arbeiten aber daran, in Verhandlungen auf Augenhöhe zu kommen.
In anderen Bundesländern stellt sich dies durchaus anders dar.

Der grundsätzliche Ablauf in der Tarifkommission, wenn es um Kündigungen, Verhandlungen etc. geht, ist aber bundesweit der gleiche?
ST:
Genau, allein schon, weil die gesetzlichen Rahmenregelungen so sind. Das hat mit dem Tarifvertragsgesetz und dem Grundgesetz, auf das wir uns stützen, zu tun.

Vielen Dank für den Einblick und das Gespräch!

Du willst wissen, was die Tarifkommision ist und wie ein neuer Tarif-Vertrag zustande kommt? Lies alles ►hier nach!

Lena Kühn ist engagierte Friseurin und Mitglied int er Tarifkommission. ► Hier geht's zum Interview!