Über 120 seiner MitarbeiterInnen bei "Scholz Haare" sind geschulte Corona-Tester | Credit: Andonis Vassiliadis

21.05.2021

Oliver Scholz: Wir haben lieber Verzögerungen als weniger Kunden

Oliver Scholz setzt auf digital statt Zettelwirtschaft. Seine Teststrategie ist es, Mitarbeiter, Azubis und Kunden selbst zu testen, die Daten per App zu erfassen und damit ein 24 Stunden gültiges Testergebnis zu ermöglichen. Dafür hat er über 120 Mitarbeiter einschulen lassen …

Im Gespräch mit Katja Ottiger
 

Herr Scholz, estartet haben Sie mit einem Testzentrum für Mitarbeiter. Wie darf ich mir das vorstellen?
Oliver Scholz:
Wir wollten ein zentrales Testzentrum, ähnlich der Bürgersteststraße von Ralf Steinhoff errichten, haben uns aber für die Zusammenarbeit mit einer Apotheke entschieden, die bereits 8 Teststellen hatte. Wir wurden Teststelle 9, mit dem Vorteil, dass unsere Mitarbeiter ihre kostenfreien Bürgertests gleich im Salon in Anspruch nehmen konnten, durchgeführt von einer Kollegin der Apotheke. Mit dieser Lösung hatten wir den Service, erste Test-Erfahrungen und keine zusätzlichen Kosten.

Alle Mitarbeiter haben das Testen mitgetragen?
OS:
Mitarbeitertests sind in Baden-Württemberg nicht verpflichtend, aber unsere Mitarbeiter haben das zum Großteil angenommen.

„Interner Testzwang? Wir wollten nicht noch einen Nebenkriegsschauplatz.“

Manche lassen sich testen, andere nicht - entsteht da kein Rudelzwang?
OS:
Wir haben keinen Druck ausgeübt. Mit den Einschränkungen, die wir alle haben, dem Arbeiten mit der Maske ect., wollten wir mit „internem Testzwang“ nicht noch einen Nebenkriegsschauplatz eröffnen. Stattdessen haben wir in unseren WhatsApp Gruppen erstaunlich solidarische Diskussionen geführt und immer wieder die Freiwilligkeit betont.

125 Ihrer Mitarbeiter sind geschult und dürfen Antigen-Schnelltests durchführen?
OS: Ja, sie alle haben eine 20-minütige Online-Schulung beim DRK mit anschließender Praxisunterweisung in einem regionalen Krankenhaus gemacht, Kostenpunkt 49 Euro pro Person. Diese Mitarbeiter dürfen Schnelltests auch im privaten Umfeld durchführen. Die Ergebnisse erfassen sie in der Cosima-App. Jeder hat dafür ein Dokument des Landratsamtes unterschreiben müssen, da bei falschen Angaben strafrechtliche Verfolgung droht.

In Ihren Salons können sich Kunden zum Selbstkostenpreis testen lassen. Wie läuft das ab?
OS: Möchten unsere Kunden das Testangebot wahrnehmen, wird im digitalen Buchungssystem ein 20 Minuten Zeitfenster zusätzlich eingeplant. Das funktioniert alles in allem sehr gut. Sicher kam es anfangs zu auch Verspätungen, aber wir haben lieber Verzögerungen, als weniger Kunden. Das negative Testergebnis wird per Cosima-App erfasst und den Kunden per Bestätigung aufs Handy geschickt.

„Ohne die App gilt der Test nur für den Aufenthalt im Salon.“

Die Cosima App ist eine regionale App im Rems Murr Kreis. Was kann die?
OS:
Hier können sich geschulte Unternehmen als Tester eintragen lassen und KundInnen die Durchführung von Schnelltests für den Eintritt ins Geschäft anbieten. Das Testergebnis wird in der App erfasst und garantiert eine 24 Stunden Gültigkeit für jede weitere Lokalität. Ohne die Erfassung in der App gilt das Testergebnis nur für den Aufenthalt im Salon.

Entwickelt wurde die App vom Landratsamt?
OS:
Ja, und die Tatsache, dass ein Landratsamt so etwas auf die Beine stellt, ist beeindruckend. Wenn die Testphase der Cosima App vorüber ist, können auch andere Landkreise diese App verwenden.

Was unterscheidet diese von der Luca-App?
OS: Anders als bei der Luca App führt die Cosmia-App den Teststatus mit auf und dient nicht nur ausschließlich der Kontaktnachverfolgung im Falle einer Covid-Erkrankung, das ist ein großer Vorteil. Sie erleichtert auch den Zutritt zu Lokalen und anderen Geschäften. (Anm: seit 21.05. hat die ►Luca-App eine neue Funktion und kann künftig auch Testergebnisse speichern).

Kunden Ihres Salons müssen die App herunterladen?
OS:
Nicht unbedingt. Nicht jeder möchte eine weitere personenbezogene App auf seinem Smartphone, wenn er eventuell schon die Corona Warn-App oder die Luca App hat. Manchen reicht das Ergebnis für den Moment des Aufenthalts in unserem Salon.

Wie kommt das Testangebot bei Ihren Kunden an? OS: Überraschend gut! In Zahlen ausgedrückt haben wir an einem kleineren Standort eine Wahrnehmung der Selbsttests von 32, an anderen von 45 Prozent. Da wird uns großes Vertrauen entgegengebracht. Nach den ersten 10 Tagen hatten wir über 800 Tests durchgeführt!

Welche Tests sind das? Wie regeln Sie die Kosten?
OS:
Von unserem Apotheker beziehen wir einen bedienerfreundlichen Test, der in Nase und Rachen, aber auch als Lutschtest angewendet werden kann - gerade für Kinder ist das gut. Diese Tests sind mit einem Einkaufspreis von 5 Euro brutto teurer. Von Herrn Conzen(Fa. Glynt, Anm.) beziehen wir günstigere Nasentests. Die Kosten geben wir an die Kunden weiter, für Mitarbeiter sind die Tests entgeltfrei.

Der Friseur als Gesundheitsdienstleister – eine Imagepolitur?
OS:
Es wird einige geben, die das „naserümpfend“ betrachten, ich denke vor allem an medizinisches Personal. Was mich wirklich überrascht, ist, dass sich Kunden lieber bei uns, als in einem Zentrum testen lassen und das weitertragen. Ich weiß, dass wir dadurch Kunden zurückgewonnen haben.
Ein Beispiel: Wir hatten einen Anruf von einem Steuerberater, der auch einen Termin zum Testen wollte. Unmittelbar nach dem Salonbesuch wollte er zum Flughafen und den Test gleich fürs Fliegen verwenden. Die Rücksprache beim Gesundheitsamt bestätigte uns, dass das möglich ist.

„Positiv getestet – wir verweisen auf das Gesundheitsamt.“

Unter den 800 Tests, gab es einen positiven. Wie haben Sie gehandelt?
OS:
Das positive Ergebnis hatten wir bei einer Neukundin. Dieser Test wurde in einem unserer Salons mit Seiteneingang und separatem Raum durchgeführt. Die Kundin war sehr erstaunt, denn sie war komplett symptomfrei. Für solchen einen Fall haben wir ein Schreiben vorbereitet, das über das weitere Verhalten aufklärt. Wir bieten einen zweiten Test zur Kontrolle an und verweisen darauf, sich beim Gesundheitsamt zu melden und sich sofort in häusliche Quarantäne zu begeben. Wir haben die Kundin zwei Tage später nochmals angerufen. Sie hatte einen PCR Test machen lassen, der ebenfalls positiv war und ihr anfänglicher Schrecken war in Besonnenheit umgeschlagen.

Wo in Ihren Salons wird getestet?
OS:
Wir haben mit dem Apotheker eine Begehung unserer Salons durchgeführt. In den Shoppingzentren wird direkt vor dem Geschäft getestet, in anderen Standorten in separaten Räumlichkeiten oder vor der Tür - hier haben wir in der Regel eine überdachte Variante. Nach dem Testen verlassen die Kunden die Zone und warten außerhalb auf ihr Ergebnis.

Empfehlen Sie die Selbsttestungen im Salon weiter?
OS:
In jedem Fall, lohnt es sich, darüber nachzudenken, unabhängig von der Geschäftsgröße. Selbst, wenn ich mit mobilen Service nichts am Hut habe, wäre das gerade für diese ein wunderbares Mittel für sicheres Arbeiten. Mit schwäbischer Zurückhaltung kann ich sagen, dass es eine höhere Akzeptanz für Testungen bei den Frauen, als bei den Männern gibt. Wir gewinnen bei den Frauen, verlieren etwas bei den Männern.
 

Über "Scholz Haare":

  • 20 Salons in Baden-Württemberg und Berlin
  • 180 Mitarbeiter, inkl. Azubis und Lizenznehmer
  • 1 Akademie Weinstadt
  • https://www.scholz-haare.de