28.05.2019

Nicht aus Zucker: Hanna Alt erfindet mit dem Haarrad die mobile Friseurin neu

Hanna Alt bringt ein altes Konzept in ein zeitgemäßes Format, radelt quer durch Südafrika oder auch einfach mal von Hamburg nach Istanbul. Wie eine Friseurin ihre beiden Leidenschaften Fahrrad & Haare kombiniert und sich damit ihr ganz persönliches „Haarrad“ schafft.

Im Gespräch mit Katriina Janhunen

 

Du bist seit 2016 in Hamburg mit deinem „Haarrad“ unterwegs. Warum nicht einfach im Salon stehen?
Hanna Alt:
Ich habe ganz normal im Salon gearbeitet, war aber sehr unglücklich und ich wusste nicht, woran das liegt – Friseurin war ja immer mein Traumberuf. Es war dieses Salonambiente: Man wird ständig abgelenkt, der Geruch, der Lärm, es ist einfach harte Arbeit, man steht und arbeitet den ganzen Tag für verhältnismäßig wenig Geld.

Das finde ich nicht gerechtfertigt und auch einfach unfair. Also habe ich überlegt, was ich machen kann. Mir hat es gefehlt, viel draußen zu sein und am Ende kam die Idee recht spontan.

Fehlt es da nicht manchmal an Infrastruktur?
HA:
Gutes Handwerk braucht nicht viel. Ein Haarschnitt kann ich überall machen, meine Reisen haben mich hier inspiriert – in Indien haben die nicht mal einen Stuhl, sondern sitzen nur auf einem Laken. Für einen guten Schnitt brauche ich keinen Salon.

Im Grunde eine mobile Friseurin, aber Haarrad klingt doch viel zeitgemäßer…
HA: Ja, das Fahrrad trifft den Zeitgeist. Mobile Friseure haben den Ruf, dass sie für alte und behinderte Menschen sind, die das Haus nicht verlassen können. Aber mobiler Friseur kann für alle Menschen da sein – die Leute, die mich buchen sind begeistert und dankbar, wenn ich zu ihnen komme. Es ist für alle entspannter und es gibt keine Wartezeiten. Gerade bei Familien mit Kindern ist das toll. Es ist wertschätzender, mehr 1:1. Ich bekomme auch das Feedback direkt zurück und die Kunden sind wirklich meine Kunden.

Muss man als mobile Friseurin mehr Initiative ergreifen? Du hast ja keine Laufkundschaft.
HA: Als ich angefangen habe, hatte ich keinen einzigen Kunden, ich musste mir das alles hart erarbeiten. Man hat ja keinen Standort, wo die Leute vorbeilaufen. Ich habe Flyer an Äpfel gebunden und am Markt verschenkt, ganz viele Visitenkarten verteilt, war jeden Tag unterwegs. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, welches Klientel mich bucht - das sind oft Leute, die selbst keine Lust auf das Salonambiente haben und viele bewusste Menschen, die die Idee gut finden.

Du schneidest, aber färbst nicht? Viele Friseure finanzieren sich gerade durch Farbdienstleistungen.
HA: Ich stehe einfach nicht dahinter, die Naturhaarfarbe finde ich immer am schönsten. Zum anderen ist es auch die Chemie, schon alleine den Geruch, man würde sich ja auch sonst keine Chemie auf die Haut auftragen. Und zum dritten sind es auch logistische Gründe – ich bräuchte eine riesen Farbpalette und das ist mit dem Rad schwierig zu transportieren.

Bevor du das Haarrad gegründet hast, warst du zwei Jahre auf einem Kreuzfahrtschiff. Die besten Erfahrungen aus der Zeit?
HA: Ich habe gemerkt, was ich nicht machen möchte. Ich habe extrem viel gelernt, über mich selbst und Menschen generell. Es war noch extremer als im Salon, weil man von 8-20 Uhr geöffnet hat, sieben Tage die Woche, sechs Monate am Stück und es geht zack-zack-zack, einer nach dem anderen. Die eigene Belastbarkeit wird auf die Probe gestellt. Es ist noch unpersönlicher, weil man nur Laufkunden hat. In der Zeit ist mir bewusst geworden, wie wichtig mir meine Stammkunden sind und merke auch jetzt, wie schön das ist.

Wenn ein Billigfriseur mit der Maschine kurz abraspelt, ist das für zehn Euro okay, aber für mich ist das kein Handwerk.

Du hast Unisexpreise – deine Gedanken zum, wie du ihn nennst, „Ungerechtigkeitskopfsalat“?
HA: Ich mache das erst seit kurzem, habe also noch nicht so viel Feedback. Höhere Preise wissen meine Kunden zu schätzen- ein Herrenschnitt und ein Damenschnitt dauert bei mir gleich lang. Wenn ein Billigfriseur mit der Maschine kurz abraspelt, ist das für zehn Euro okay.

Andere Stimmen regen sich über Billigfriseure eher auf….
HA: Ich reg mich auch über Billigfriseure auf. Dass die Mitarbeiter schlecht entlohnt werden, passiert aber auch bei hochpreisigen Salons. Das macht mich sauer, weil das Handwerk eine sehr geringe Wertschätzung hat und Billigfriseure machen das nicht besser. Wenn man die Haare schnell schneidet, ist es gerechtfertigt, dass das weniger kostet, aber für mich ist so ein Haareschneiden kein Handwerk.

Wirst du manchmal konfrontiert mit dem Klischee „Mobile Friseurin = Schwarzarbeit“?
HA: Das erkläre ich schon immer wieder, hauptsächlich Leuten, die noch nicht meine Kunden sind. Ich mache das hauptberuflich und lebe davon. Ich habe einen Geldbeutel dabei und werde noch Paypal einrichten und einen EC Kartenleser zulegen.

Auf deiner Webseite liest man „Friseurin gesucht“? Gibt es das Haarrad etwa bald als Franchise?!
HA:
Die Nachfrage wird immer mehr und um das alleine bewältigen zu können, darf ich keine Werbung mehr machen. Ich fände es schön, einen Partner zu haben, damit man sich absprechen kann, wenn ich nicht da bin und keine Anfragen absagen muss…