Credit: Michael Klier

25.09.2017

Michael Klier, so sieht es aus bei Klier und Saxonia

Wirtschaftliche Herausforderungen, Negativpresse, Ausbildungsfeste und kein Verständnis für so einiges…

Das Gespräch führte Raphaela Kirschnick

imSalon: Auf Ihrer Visitenkarte steht ‚Geschäftsführer Saxonia Holding GmbH‘! Was sagen Sie, wenn Sie im Privaten gefragt werden, was sie machen?
Michael Klier: Dann sage ich, ich bin Friseur.

„Ich bin gelernter Friseur.“

Sie sind Friseur?
MK:
 Ja, ich bin gelernter Friseur. Ich habe erstmal eine Lehre gemacht und dann das Studium absolviert.

Auf Ihrer Visitenkarte befindet sich das Saxonia-Holding-Logo und nicht KLIER, fühlt sich das nicht komisch an? Immerhin ist KLIER Ihr Familienbetriebshintergrund.
MK:
 Ich finde das nicht irritierend, am Ende des Tages leben die Marken für sich und sind ja nicht weg. Ich bin Geschäftsführer einer Holding, in der alle Marken – auch Klier – zusammengefasst sind. Von daher nein, ich finde das sehr schön und brauche das auch nicht.

Sie touren gerade durch Deutschland und begrüßen alle Auszubildenden 2017 persönlich, Kompliment! Wie viele Auszubildende starten insgesamt?
MK:
 Das sind nach aktuellem Stand 900 im ersten Jahr. Insgesamt beschäftigen wir 1.600 Auszubildende in allen Ausbildungsjahren.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie derzeit in Deutschland? 
MK:
 In der Frisör Klier GmbH mit den Marken Frisör Klier und Styleboxx kommen wir auf über 5.300 Mitarbeiter, in der Hairgroup GmbH mit den Marken Essanelle Ihr Friseur, Super Cut und HairExpress sind es ca. 4.200.

Ich habe sehr viele männliche Auszubildende gesehen, ist das normal? 
MK:
 Ich bin in der Tat auch sehr überrascht, wie viele männliche Auszubildende wir dieses Jahr haben. Das hat sich schon im letzten Jahr abgezeichnet, und es bleibt spannend, wie sich das in den nächsten Jahren auf die Mitarbeiterstruktur auswirken wird. 

Die Friseur Branche ist eine gebeutelte Branche mit viel Negativpresse. Klier aufgrund seiner Größe und Flächendeckung hält da besonders häufig als Namen her, wie geht man damit um?
MK:
 Sie können da nur proaktiv unterwegs sein. Wir machen das derzeit mit unserer Azubioffensive. Das vornehmliche Signal, worum wir uns letztlich bemühen, ist, dass die Mitarbeiter stolz darauf sein können, was sie tagtäglich tun und sich bewusst sind, was die eigentlichen Werte sind.

„Man kann die Rechnung nur mit dem Kunden machen…“

Das hängt jedoch stark mit den Löhnen zusammen!
MK:
 Das wird ein langwieriger Prozess, die Situation zu verbessern. Es geht ja nicht nur um die Lohnseite, sondern man muss diese letztlich so entwickeln, dass sie auch vom Kunden mitgetragen wird. Wir müssen folglich gemeinsam daran arbeiten, dass der Kunde die handwerkliche Dienstleistung wertschätzt und entsprechend honoriert.

Sie haben sich in den letzten Jahren sehr stark für einen bundesweit einheitlichen und höheren Mindestlohn eingesetzt. Bereuen Sie das? Würden Sie heute etwas anders machen?
MK: 
Ich habe immer gesagt, dass wir eine bundesweite, einheitliche Lösung brauchen, diesen Schritt bereue ich in keiner Weise. 
Was ich bedaure, ist, dass der Weg seither nicht weiter beschritten wurde, um einheitliche Standards zu schaffen. Aber was ich aus dem Prozess gelernt habe ist, dass wir nicht vergessen dürfen, die Rechnung mit dem Kunden zu machen. Wir haben verschiedene Dinge ausprobiert und unsere Lehren daraus gezogen. Zum Beispiel mussten wir hier und da Preise korrigieren. Das hat mir für die Mitarbeiter leidgetan, dass der Kunde diese Entwicklung nicht mitgetragen hat.

Sehen Sie eine Schmerzgrenze beim Mindestlohn?
MK:
 Aus heutiger Sicht? 10 Euro kann man in der jüngeren Zukunft erreichen. Ich glaube, das ist die Schmerzgrenze. Die damit einhergehenden Preissteigerungen sind dem Kunden zuzumuten, mehr nicht.

Zahlen Sie einheitliche Löhne bundesweit? Oder halten Sie sich an die einzelnen Tarifverträge der Bundesländer? 
MK:
 Wir zahlen in allen Bundesländern mindestens den Mindestlohn, in den Bundesländern, die verbindliche Tarifabschlüsse haben, die über dem Mindestlohn liegen, zahlen wir entsprechend mehr. Bei der Ausbildungsvergütung haben wir im Unternehmen eine einheitliche Untergrenze eingeführt und in den Bundesländern, die Abschlüsse haben, die darüber liegen zahlen wir ebenfalls entsprechend mehr.

Könnte Klier/ Saxonia als Positivbeispiel vorangehen und bundesweit einheitliche Löhne zahlen? 
MK:
 Mit welchem Ziel? Was seitens Zentralverband als einheitliche Grenze kommuniziert wurde, setzen wir schon seit drei Jahren um. 

"Der Königsweg kann nur eine bundeseinheitliche Lösung sein..."

Also gibt es auch bei Ihnen ein Ost-/West Gefälle?
MK:
 Ja, beim Ausbildungstarif. In den alten Bundesländern gibt es zum Teil deutlich höhere Tarifabschlüsse. Da die Unterschiede zum Teil eklatant sind, haben wir eine hauseigene Untergrenze eingezogen. Die Folge ist, dass wir in den neuen Bundesländern zum Teil deutlich über dem dort gültigen Tarif zahlen. Demnach gibt es bei uns im 1. Jahr mindestens 300 Euro, im zweiten 325 Euro und im dritten 430 Euro. Das ist zwar immer noch weit entfernt von der Vergütung in NRW aber das Doppelte des gültigen Tarifs in Sachsen-Anhalt. Das haben wir vor drei Jahren umgesetzt und Sie merken ja, wie weit wir jetzt letzten Endes bei bundeseinheitlichen Tarifuntergrenzen in der Ausbildung sind. Die Abstrahlwirkung ist gleich Null. Ich bin immer gegen individuelle Veränderungen, die nicht alle betreffen. Das benachteiligt nur im Wettbewerb, führt aber nicht zu einer einheitlichen Abstrahlwirkung. Das ist nicht der Königsweg, der kann nur eine bundeseinheitliche Lösung sein.

Und dann werden auch einheitlich Preise angehoben?
MK:
 Zumindest hat dann jeder die gleichen Grundvoraussetzungen auf dem Papier, damit wird eine Grundlage geschaffen. 

„…ergänzen die Geschäftsführung durch externen Kompetenzen.“

Es gibt viele Gerüchte zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Seit einigen Monaten nun haben Sie einen neuen Chef, Jens Waldau. Dieser ist branchen- und familienfremd, was macht er anders? 
MK:
 Das ist ja kein Novum für das Unternehmen. Das sind Dinge, die vom Markt so nicht wahrgenommen wurden. Die Zwillingsbrüder Joachim und Hubertus Klier hatten seit jeher einen branchenfremden Mitgeschäftsführer, Rolf Göcking, und obwohl er niemals Gesellschafter war, hatte er immer den gleichen Stellenwert in diesem Dreiergespann. Als Rolf Göcking wie angekündigt in den Ruhestand ging, haben wir Mitte des Jahres die geregelte Stabsübergabe gemacht. Wir führen das fort, was wir schon immer hatten und ergänzen die Geschäftsführung durch externe Kompetenzen.

"...immer eine Quote zwischen 20 - 40 Prozent Verlustbetrieben..."

Klier stößt derzeit einige Standorte ab. Wird die Gruppe verkleinert?
MK:
 Auch das ist ein Prozess, der nicht neu ist. Es wäre ja toll, wenn alle Salons 100 Prozent profitabel wären. Egal wo Sie hinschauen, von Fielmann bis Deichmann, sie haben immer eine Quote zwischen 20 - 40 Prozent Verlustbetrieben, das hat jeder Filialist. Unter diesem Aspekt optimieren wir ständig unser Portfolio an Filialen. Momentan ist es vielleicht offenkundiger, weil eben die Expansionsmöglichkeiten nicht mehr da sind. Wenn Sie sich anschauen, was Sie heute noch an Shoppingzentren entwickeln können, gibt es jetzt schon in jeder Stadt zwei und jedes Dorf hat ein Fachmarktzentrum. Real, Kaufland neigen auch nicht dazu, zu expandieren, sondern sie investieren seit vielen Jahren zum ersten Mal in den Bestand, weil sie keine anderen Möglichkeiten mehr haben und somit sind auch unsere Expansionsmöglichkeiten begrenzt. Das ist das Zusammenspiel. Wir haben schon immer unser Filialportfolio überprüft und uns von unprofitablen Salons getrennt und werden auch weiterhin interessante Standorte anmieten.

Wie viele Salons gibt es zurzeit?
MK:
 Wir haben rund 800 Klier- und 650 Hairgroup-Salons.

Und davon abgegeben?
MK:
 Wir haben keine Filialen an Mitbewerber abgegeben, sondern lediglich Mietflächen an unsere Vermieter zurückgegeben. 

Gibt es weiße Flecken in Deutschland, wo Sie nicht gut vertreten sind?
MK:
 Nein! Gemessen an den interessanten Ballungsgebieten sind wir relativ gut aufgestellt und mit allen Marken flächendeckend gut vertreten.

Ist in Ihrer Strategie Expansion vorgesehen?
MK:
 Wir nehmen die Chancen an neuen Standorten, die sich uns bieten, wahr. Wir werden weiterhin alles daran setzen, unsere bestehenden Salons profitabel zu entwickeln und wenn es nicht möglich ist, werden wir uns auch von unprofitablen trennen. 

Wie sind den die Strategien in Bezug auf Abgrenzung Klier zur Hairgroup?
MK:
 Es ist uns weiterhin extrem wichtig, die unterschiedlichen Unternehmenskulturen, die wir haben, aufrechtzuerhalten und auch die einzelnen Markenkonzepte am Markt individuell zu entwickeln. Das war in der Vergangenheit so und das werden wir auch in der Zukunft tun. 

Was sind die größten Unterschiede zwischen der Marke Essanelle und Klier?
MK:
 Sie haben eine ähnliche Zielgruppe, relativ dicht beieinander. Aber wenn man sich die Marken von außen anschaut, sind sie unterschiedlich, haben unterschiedliche Farbwelten und Emotionen.

Gibt es Synergiebereiche?
MK:
 Im operativen Geschäft gibt es keine Synergien. Filialen kann man nicht zusammenlegen. Synergien gibt es in der Verwaltung, bei den Prozessen, darauf konzentrieren wir unsere Synergien. 

„Digitalisierung ist natürlich brisant…“

Zum Thema Cosmo – der Shopmarkt strauchelt im Moment. Konkurrenten haben große Probleme und schließen wieder. Wie sehen Sie die Zukunft von Shops?
MK:
 Die große Herausforderung dieses Marktes ist die Verknüpfung von online und offline. Dadurch, dass wir an vielen Standorten Dienstleistungen anbieten, sehen wir uns eigentlich gut gerüstet, da wir einen Mehrwert bieten können durch entsprechende Fachkompetenz vor Ort. Aber das Thema Digitalisierung ist natürlich brisant und auch eine Herausforderung der Shoppingcenterstandorte. Die haben sicherlich auch ihre Hausaufgaben zu tun. Aber ich bin mir sicher, dass dort Lösungen gefunden werden, um die Zukunftsfähigkeit von diesen Standorten zu gewährleisten. Ein klares Einhergehen von online und offline sehe ich zukünftig als essentiell. 

Wie ist die Umsatzverteilung online zu offline im Shopbereich?
MK:
 Im Shopbereich haben wir uns darauf spezialisiert, profitabel zu wirtschaften und das tun wir. Wir liegen momentan bei einem Umsatzanteil von 10 Prozent im Onlinegeschäft. Und konzentrieren uns weiter auf profitables Wachstum. 

Gibt es noch den „Friseur der kleinen Preise“?
MK:
 Nein, in Deutschland ist das Konzept komplett vom Markt! Die Salons heißen nun „Styleboxx“.

Weshalb war das Konzept nicht erfolgreich? 
MK:
 Zu Beginn war „Friseur der kleinen Preise“ der richtige Name für dieses Konzept. 
Aber dann konnten wir gegenüber dem Kunden das Versprechen nicht mehr halten, da wir die Preise anheben mussten. Als Mitbewerber von unten nachkamen und auch Haarschnitte für 6 Euro anboten, hat die preisliche Positionierung nicht mehr gepasst. Außerdem hatte das Konzept für die Mitarbeiter einen schlechten Beigeschmack. Man wollte ja mit dem Namen nicht sagen ihr seid klein oder weniger wert. Der Name muss für Mitarbeiter auch eine Plattform sein, sich mit dem Salon zu identifizieren. 

Wie ist für Sie als größter Friseurunternehmer Deutschlands die Zusammenarbeit mit dem ZV?
MK:
 Wir haben einige Zeit sehr intensiv miteinander zusammengearbeitet, aber die Zusammenarbeit gestaltet sich auf Bundesebene inzwischen schwierig. 

Weshalb?
MK:
 Wir haben die Problematik, dass die Schnelligkeit, die bei der Einführung des Mindestlohns an den Tag gelegt werden konnte, nicht bei allen Themen vorherrschend ist. Und da zerreiben sie sich als Unternehmer, wenn sie das nicht hauptberuflich machen wollen, sehr schnell. 

Wie stehen Sie zur aktuellen ver.di Protestaktion „besser abschneiden“?
MK:
 Da doktert man nur auf einer Seite, nämlich der Kostenseite. Das wird aber nichts bringen, wenn ich nicht auf der Nutzenseite auch etwas bewegen kann. Dann erreichen wir nur, dass wir die recht dünne Marge im Friseurbereich weiter schmälern, weil der Friseurunternehmer Schwierigkeiten haben wird, seine Preise zu entwickeln. 

„Kein einheitlicher Manteltarifvertrag! Da fehlt mir jegliches Verständnis…“

ver.di sagt 2.000 Friseurauszubildende seien bereits Gewerkschaftsmitglied. Ist das bei Ihnen ein Thema? 
MK:
 Nein, gar nicht. Wir haben das immer wieder mal, dass wir einen Brief von ver.di bekommen, in dem die Vertretung für ein Mitglied angezeigt wird. Es ist das gute Recht eines jeden Mitarbeiters, sich über die Gewerkschaft vertreten zu lassen. Wenigstens erfolgt dann eine sachliche Auseinandersetzung.
Etwas, das wir häufig mitbekommen, ist, dass es für Mitarbeiter extrem schwierig ist, durch die Tarifsituation überhaupt durchzublicken. Und da kommt man wieder zu dem Punkt – was sind meine Rechte? Es ist alles schier undurchsichtig. Und das ist auch das, was ich immer wieder kritisiere – es gibt keine einheitlichen Standards in der Friseurbranche, die das Zusammenarbeiten in irgendeiner Weise harmonisieren. Und da kann ich den Zentralverband und auch die Landesverbände in keiner Weise verstehen. Warum kann man sich nicht auf einen einheitlichen Manteltarifvertrag oder Entgelttarifvertrag einigen, der Lohngruppen, Arbeitszeiten und dergleichen regelt? Aber da sind zu viele Landesverbände, zu viele Kräfte, die von ihrem Standpunkt nicht abweichen wollen. Da fehlt mir jegliches Verständnis!

Der Fall mit dem syrischen Barber, wie ist das dann letztendlich ausgegangen?
MK:
 Unsere zuständigen Mitarbeiter haben da einen hervorragenden Job gemacht und ganz offen, schnell und transparent darauf reagiert. Das war ein Hype, der hat sich aufgebaut und nach drei Tagen war das Thema dann schon wieder vom Tisch. Es tut mir wahnsinnig leid für die Mitarbeiterin, die den missverständlichen Aushang gemacht hat, der aus ihrer Sicht eigentlich klar, aber aus Kundensicht völlig frei in der Interpretation war. Und es tut mir sehr leid für den syrischen Mitarbeiter, der in den sozialen Netzwerken übelsten Anfeindungen ausgesetzt wurde. Für so etwas habe ich kein Verständnis.

Er war als Barber tätig? Wie groß ist der Herrenanteil bei Ihnen?
MK:
 Nach Zahlen haben die Herren einen Anteil von ca. 60 Prozent, nach Umsatzvolumen von 40 Prozent.

Ungewöhnlich hoch, gibt’s Pläne in Richtung Barbershop?
MK: 
Nein, es ist wichtig den Herren individuell anzusprechen. Das ist eine generelle Aufgabe der Markenschärfung, aber ein Barbershop ist nicht in Planung. Eine konkrete Herrenansprache schon.

Gibt es Themenbereiche, die Sie stärker abdecken wollen? 
MK: 
Wir befinden uns gerade in einem Prozess, in welchem wir die Markenstrategie für die einzelnen Marken überdenken. Zum Ergebnis kann ich momentan noch nichts sagen. 

Wer ist ihr größter Industriepartner?
MK:
 Für die Klier GmbH ist das Wella. Für die Hairgroup GmbH ist es L’Oréal

Der Wechsel Ihres Cousins Christian Klier zu ‚Klinck‘ hat für viel Verwunderung gesorgt. Können Sie etwas zu den Hintergründen sagen?
MK:
 Nein, das ist seine private Entscheidung.

Herr Klier, vielen Dank für Ihre Zeit und noch eine schöne Weiterreise durch Deutschland