Für Marianne Millet sind Friseure Fachspezialisten mit Tiefgang | Foto: Markus Wache

10.09.2020

Marianne Millet meint: Friseure zeigen zu wenig den Fachspezialisten

Marianne Millet ist Wiener Friseurin und Salonunternehmerin mit leidenschaftlichem Hang zur Beratung. Bei überblondierten KundInnen sagt sie gern auch mal NEIN zur neuen Farbe und setzt auf Aufklärung und Pflegeoffensive zur Sensibilisierung. Möglicherweise hat sie dafür ein neues Beratungs-Tool gefunden...

Im Interview mit Katja Ottiger

Marianne, du testest gerade, wie ich als Kundin, als Friseurin den Salon Lab Analyzer. Käme der für euch in Frage?
Marianne Millet: Auf jeden Fall! So ein Angebot wertet den Salon auf. Gerade das Digitale kann ein Friseurgeschäft auf ein neues Beratungslevel heben.

Was kann ein solches Service kosten?
MM:
Zirka 30 Euro werden von Schwarzkopf empfohlen, inklusive einer Fibre Clinix  Behandlung, je nach Zeit- und Längenaufwand. Das muss aber jeder Salon für sich entscheiden.

Wer ist die ideale Kundschaft dafür?
MM: Anbieten würde ich es jedem, aber es setzt natürlich voraus, dass es die richtigen Kunden sind. Ich brauche es keinem Pixie-Cut-Kunden anbieten, aber Blond- und Langhaarkundinnen sind prädestiniert dafür. Die wollen schöne Haare bis in die Spitzen, gerade jetzt nach dem Sommer. Ich habe schon Kundinnen vor meinen Augen, auf die ich mich besonders freue (lacht).

„… besonders bei jungen, überblondierten Mädchen, die immer blonder werden möchten,  möchte ich gern NEIN! schreien.“

Aha? Welche Kundinnen denn?
MM:
Gerade die jungen, überblondierten Mädchen, die immer mehr möchten und bei denen ich als Friseurin gern NEIN! schreien möchte. Es sensibilisiert die Menschen, ihren wahren Haarzustand und die Schädigungen zu sehen. Wir alle kennen doch diese Kundin, die darüber schweigt, was sie im Vorfeld alles mit ihrem Haar wirklich angestellt hat und im schlimmsten Fall den Friseur für ihre ruinierten Haare verantwortlich macht. Anhand dessen kann ich z.B. argumentieren, erst einmal eine Farbbehandlung oder Blondierung auszusetzen.

Ich habe den SalonLab Analyzer ausprobieren dürfen (► Das Innere meiner Haarstruktur scannen - auf Reise ins SalonLab) und war schon schockiert, mit einer durchschnittlichen Haarstruktur konfrontiert zu werden, obwohl ich mein Blond pflege. Da schrecke ich doch vor der nächsten Farbe zurück.

MM: Musst du ja nicht. Dann macht man erst einmal ein mehrwöchiges Pflegeprogramm und arbeitet mit Tönungen. Deshalb verliere ich ja keine Kundin. Im Gegenteil.

Wie glaubst du, wie werdet ihr das Gerät im Salon umsetzen? Was überzeugt dich am Ehesten?
MM:
Nun, das Rad ist ja schon erfunden worden. Aber es ist ein Tool, das die Beratung ergänzt. Als Friseurin gehe ich mit meinen Kunden fachlich gern in die Tiefe, sie lieben es, jemanden mit Fachkompetenz hinter sich zu wissen, der weiß, was er tut und warum. Es taugt mir sehr, dass mich das SalonLab unterstützen kann, Vorgänge visualisiert erklären zu können. Friseure sollten sich viel öfter als Fachspezialisten präsentieren. Und es kann helfen, Haare nachhaltig zu verbessern, weil mit den Produkten in der Tiefe gearbeitet werden kann und nicht nur an der äußeren Kosmetik.

„Heute ist alles spezialisiert, auch die Friseurprodukte.“

Das kurbelt den Produkteverkauf an?
MM:
Ich vergleiche das gern mit der Hautpflege. Fast jede Frau schminkt sich, gibt eine Reinigung oder ein Gesichtswasser drauf, hat eine Tages- und eine Nachtcreme, eine Augencreme, Lippenpflege. Da gibt es fünf Sachen. Beim Friseur muss eine Maske reichen? Nein! Jede Maske hat eine bestimmte Wirkung - heute ist alles spezialisiert, eben auch die Friseurprodukte. Denn manchmal benötige ich etwas leichtes, manchmal etwas tiefergehendes.

Wer sind denn die richtigen Mitarbeiter dafür?
MM: Ich glaube, dass das gerade den Jungen Spaß machen wird, hier darf man auch die Lehrlinge nicht ausschließen. Was aber die Grundvoraussetzung sein sollte, ist ein gutes fachliches Grundwissen. Denn die App fordert mich heraus, ich muss gut argumentieren können! Die Kunden von heute sind wahnsinnig gut informiert und wenn ich über Haarstruktur und Kopfhaut spreche, dann sollte ich auch alles darüber wissen.

Marianne Millet, Millet Friseure Wien | Foto: Markus Wache

Die Kopfhaut ist bei vielen noch in einer Nische.
MM:
Stimmt. Bietet aber die Möglichkeit, sich als Profi zu zeigen. Häufig sind ja z. B. Männer vom sogenannten Spannungshaarausfall betroffen, oft haben ja gerade „Managerkunden“, die im Kopf nicht zur Ruhe kommen, eine harte Kopfhaut, die kannst du auf dem Kopf nicht bewegen, weil es im Bindegewebe so viele Verklebungen gibt - das geht schon ins Medizinische hinein. Da braucht es Shiatsu-, Druck- oder Entspannungsmassagen. Dazu bräuchte man einen eigenen Raum und das muss sich rechnen. Die Leute sind bereit, bei einer Rückenmassage für eine halbe Stunde 50 Euro zu zahlen, aber eine 20 Minuten Massage beim Friseur muss inkludiert sein?

Also mehr Zeit für die Beratung, eine neue Basis?
MM: Beratung ist generell sehr komprimiert. Die übliche Beratung läuft doch unter 3 bis 4 Minuten ab. In dieser Zeit muss ich erfahren: Was hat die Kundin? Was will die Kundin? Was schlage ich vor? Als Friseurin muss ich da alles raufiltern. Mehr Zeit für die Beratung ist gut!

Über Millet Friseure:

  • Inhaber: Marianne und Peter Millet
  • 1 Salon in Wien, seit 1999
  • 5 Mitarbeiter, 4 Lehrlinge