Credit: Lena Kühn

11.02.2022

"Es schockiert mich, wie viele ihren Senf abgeben, aber nichts für eine Veränderung tun"

Die 22-jährige „Kleinstadtfriseurin“ kämpft für Veränderung. Als Teil der Tarifkommission setzt sie sich für eine Verbesserung der Löhne ein. Sauer ist sie vor allem auf die Meinungsbildner der Friseur-Branche, die sich nur beschweren, aber keinen Einsatz für Verbesserung zeigen.

Im Interview mit Juliane Krammer

Lena, erzähl einmal, du bist Friseurin und sehr engagiert, Veränderung in die Branche zu bringen. Wie kam es dazu?
Lena Kühne:
Ich habe 2016 mit meiner Lehre begonnen und mochte den Job, dachte aber nicht, nach der Ausbildung Friseurin zu bleiben. Mit der Gesellenprüfung hat sich alles geändert: Die hatte ich mit Auszeichnung bestanden und damals durfte ich hautnah miterleben, wie negativ gegenüber Friseuren agiert wird: Ich wurde bei meiner Gesellenvergabe nicht geehrt.

Kannst du das näher erklären?
LK:
Als ein Anruf von der Kammer kam, ich hätte mich damit für den Landeswettbewerb qualifiziert, meinte die Kreishandwerkschaft daraufhin nur, dass das nicht sein kann, dass Friseure mit Auszeichnung bestehen. Dann dämmerte es mir: Die haben einfach die Sparte Friseur ausgelassen … Das hat mich angespornt:Ich habe mich dann zur Bundesmeisterschaft qualifiziert und auch gewonnen. Da war es mir klar: Handwerk ist viel mehr, als „ich mache das und  gehe nach Hause“.
Vor 1,2 Jahren habe ich mich dann bewusst dafür entschieden, dass ich versuchen möchte, das Image der Branche umzugestalten. Jetzt will ich was verändern.

Jetzt bist du in der Tarifkommission Mitglied …
LK:
Ja, ich mache mittlerweile viel ehrenamtlich … aber eines meiner Herzensprojekte ist die ► Tarifkommission. Da ich Arbeitnehmerin bin, nahm ich den Rat eines lieben Kollegen an und wurde zuerst stilles Mitglied bei verdi. Dann kam im Sommer der Brief: Eine neue Tarifkommission wird gewählt und ich dachte: „Das ist meine Chance“.

… und dann wurdest du gewählt?
LK: Vier Wochen nach meiner Bewerbung bekam ich die Info, dass ich Tarifkommissions-Mitglied sei. Warum? Weil sich leider so wenig Personen gemeldet haben, dass es gar nicht zu einer Wahl kam. Es hätte 8 Plätze gegeben. Vier Personen haben sich gemeldet, jedoch haben die anderen ihr Amt wieder niedergelegt.

Was machst du aktuell in der Tarifkommission?
LK:
Das erste Projekt an dem ich mitwirke, ist, die Tarif-Verträge der Azubis zu verbessern. Uns ist bewusst, dass der Tarifvertrag der Azubis um so viel schlechter dasteht, im Vergleich zum eigentlichen Handwerk (aktuelle Infos dazu ► hier) . Da die Entlohnung aber im Tarifvertrag geregelt ist, gilt dieser. Wir haben den Tarifvertrag für Azubis gekündigt und im nächsten Schritt werden wir mit der Innung in Diskussion treten. Unser gemeinsames Ziel: Es sollen wieder mehr Azubis zum Friseur-Handwerk finden. Bisher ist es noch nicht zur Verhandlung gekommen, weil uns Mitglieder fehlen. ► Sascha Tietz und ich kämpfen alleine für alle MitarbeiterInnen in Niedersachsen und Bremen.

"Unser größtes Problem sind die zu wenigen Mitglieder. Diese braucht es bei der Tarifkommission, damit wir handeln können."

Was kann man als Friseurin tun?
LK:
Unser größtes Problem sind die zu wenigen Mitglieder. Diese braucht es bei der Tarifkommission, damit wir handeln können.
Ich bin in so vielen Gruppen und Kreisen unterwegs: Alle können sich immer nur beschweren und sagen, es könnte sich was verbessern. Es ist so traurig. Wenn ich frage: „Bist du in der Gewerkschaft oder was machst du dafür?“, bekomme ich als Antwort: „Nein, das ist verschwendetes Geld.“ Aber wie sollen wir so etwas erreichen?

Ist die Mitgliedschaft mit Zeitaufwand verbunden? 
LK: Ich habe verstanden, dass nicht jeder seine Freizeit opfern kann und möchte. Als Mitglied ist ein kleiner Betrag zu zahlen, sonst muss man nichts machen. So würde unsere Durchsetzungskraft steigen und wir hätten mehr Möglichkeit, etwas zu erreichen.

Wie kann man unterstützen?
LK:
Ganz einfach: Gewerkschaftsmitglied werden. Man kann sich bei verdi melden oder gerne auch bei mir und ich helfe dabei.

Wie kann man deine Branchen-KollegInnen motivieren, dich hier zu unterstützen?
LK:
Wir kämpfen für eine ganze Branche und, dass alle fair bezahlt werden. Ich verdiene sehr gut, bin angestellt und meine Chefin weiß, was sie an mir hat. Ich muss nicht für mich kämpfen. Das ist nicht meine Motivation. Ich möchte anderen Friseuren zeigen, was möglich wäre. Ich hoffe einfach, dass sich so viele Leute wie möglich mitreißen lassen.

Gibt es noch etwas, dass du zum Thema los werden möchtest?
LK:
Ich bin total sauer, wenn ich auf der imSalon-Instagram Seite Kommentare lese, von Personen, die sich nur beschweren, aber selbst nichts machen. Es gibt Leute, die etwas bewegen könnten, weil sie eine große Masse erreichen. Die aber finden es bequemer, sich zu beschweren. Es schockiert mich, wie viele Leute ihren Senf zu einem Thema abgeben und nichts für eine Veränderung tun. Ich finde: Man sollte nur meckern, wenn man auch irgendwas tut, um die Situation zu ändern.

Vielen Dank für das Gespräch, Lena, und alles Gute für deine Zukunft!

Lena Kühn ist als Friseurin und Make Up Artist im Friseursalon HaarWerk in Westerstede tätig. Dort startete sie ihre Lehre 2016, die sie 2019 als Kammersiegerin absolvierte. 2019 Landessiegerin in Niedersachsen und Bundessiegerin in Deutschland. 2020 machte sie den Friseurmeister. Sie ist seit 2018 Mitglied im Modeteam für Niedersachsen. Seit 2021 engagiert sie sich als Mitglied im Prüfungsausschuss für die Gesellenprüfung sowie in der Tarifkommission bei Verdi.