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04.02.2021

Friseure ziehen vor Gericht – Klagewelle rollt durch Deutschland

Eine Klagewelle ins Rollen gebracht, um wichtige Präzedenzfälle zu schaffen, haben 10 Salonunternehmer mit starker Unterstützung von Wild Beauty…

Die einen lassen das Licht an, die anderen schreiben Briefe an die Politik,  Wild Beauty  hat sich für den juristischen Weg entschieden und startet den Kampf von innen heraus.

„Was nützt es dem Friseur?“ haben sich Noah und Mira Wild, Geschäftsführung der Wild Beauty GmbH gefragt. Denn auch im Seeheimer Unternehmen sieht man die existenziellen Herausforderungen, vor denen Saloninhaber aktuell stehen: Theoretische Hilfen kommen faktisch und praktisch nicht schnell und umfassend genug bei den Betrieben an. Ebenfalls gehört der aktuell florierenden Schwarzarbeit  Einhalt geboten. Friseurarbeit gehört in den Salon, mit bewährten Hygiene-Konzepten und fundierter Gefährdungsbeurteilung, die durch die BGW Ende Dezember 2020 nochmals präzisiert und aktualisiert wurde. Friseure haben es verdient, fair und verlässlich behandelt zu werden. Dafür gibt es im Rechtsstaat die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen und so politische Entscheidungen unabhängig gerichtlich überprüfen zu lassen. Genau dabei unterstützt Wild Beauty GmbH ihre Salonpartner – im Interesse der gesamten Friseurbranche!

Die Klagewelle

Es laufen mittlerweile Gerichtsverfahren in 10 Bundesländern: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen.

Da jedes Bundeslang seine eigene Corona-Verordnung erlassen hat, sind Klagen in jedem einzelnen Bundesland notwendig. Die klagenden Friseure haben deshalb Eilanträge bei den zuständigen Verwaltungsgerichten eingereicht, um gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die erneute Schließung der Friseursalons rechtlich einwandfrei ist.

Die Friseure erhalten für diese Klagen finanzielle und beratende Unterstützung von der Wild Beauty GmbH (Paul Mitchell, Kemon, Stagecolor),

„Wir tragen die Politik einer konsequenten Bekämpfung des Covid-19-Virus aus voller Überzeugung mit“, sagen Noah Wild und Mira Wild, Geschäftsführer der Wild Beauty GmbH. „Allerdings halten wir eine weitere Schließung der Friseursalons für überzogen, da sich das Virus erwiesenermaßen nicht über Friseursalons verbreitet. Die kontrollierte Öffnung der Friseursalons im Sommer und Herbst 2020 mit strengen Auflagen für Sicherheit, Abstand und Hygiene hatte sich bewährt. Wir sollten zu einer Öffnung der Friseursalons unter Auflagen zurückkehren.“ Als die Friseure unter strengen Auflagen arbeiten durften, haben die Friseursalons in Deutschland im vergangenen Jahr bei rund 700.000 Kundenkontakten pro Tag insgesamt nur 7 Corona-Infektionen an die Berufsgenossenschaft gemeldet, die positiv getestet wurden.

Die Grundlage

Die Schließung der Friseursalons stellt einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) und des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz) der Friseure dar. Der Gesetzgeber rechtfertigt dies damit, dass so das Leben und die körperliche Unversehrtheit Dritter geschützt würden. Offenbar betrachtet der Gesetzgeber Friseurbetriebe als Infektionsschwerpunkt, was sie erwiesenermaßen nicht sind.

Staatliche Hilfe fehlt

Isabelle Krauss, Saloninhaberin aus Baden-Württemberg, hat Zukunftsängste: „Es gibt Salons, die bereits aufgeben müssen bzw. nicht wieder öffnen werden.“ Besonders problematisch findet sie, dass für Dezember 2020 nahezu kein Salon staatliche Hilfe erhalten wird: „Wie unsere Kollegen haben auch wir vor der Schließung teilweise 16 Stunden pro Tag gearbeitet, haben Kunden vorgezogen, um noch etwas Umsatz zu erwirtschaften. Das Ergebnis: Den ‚benötigten‘ Rückgang von mehr als 30 % des Umsatzes zum Vorjahr haben wir nicht erreicht – und bekommen jetzt keinen Cent.“ 

Plötzlich HartzIV

André Ambergaus Thüringen, führt seinen Salon bereits in vierter Generation: „Ich bin seit über 20 Jahren selbstständig – und das mit Erfolg.“ Wer bei André im Friseurstuhl sitzen will, muss Geduld haben: „Wir haben immer gut zu tun und Wartezeiten von vier bis sechs Wochen.“ Dass er jahrelang gut gewirtschaftet hat, hilft ihm jetzt nicht mehr: „Am 18. Januar habe ich Hartz IV beantragt. Meine Eltern, die unseren Familienbetrieb einst führten, müssen das nun miterleben. Am meisten frustriert mich, dass ich nicht mehr selbstständig über meine Lebens- und Arbeitssituation entscheiden kann. Ich bin ausgeliefert.“

Nachwuchsmangel

Chris Exner aus Berlin beklagt „Übung macht den Meister‘ hat man früher einmal gesagt. Geübt werden darf bei uns schon lange nicht mehr!“ Die erzwungenen Salonschließungen verschlimmern den omnipräsenten Nachwuchsmangel. Exner hat vier Auszubildende in seinem Betrieb, deren Zukunft ungewiss ist: „Die duale Ausbildung lebt vom theoretischen Lernen und praktischen Umsetzen. Wenn wir unsere Mitarbeiter nicht praktisch schulen dürfen, verlieren wir eine komplette Generation Nachwuchsfriseure.“

Schwarzarbeit

Giuseppe Petrelli aus Hessen schüttelt nur den Kopf. Unklare Öffnungsperspektiven, die nicht über Anekdoten und Ankündigungen hinausgehen und auf die man sich nicht seriös verlassen kann, vor allem aber: Mitmenschen, die einem frisch und professionell geschnitten und gefärbt so begegnen, als gäbe es keinen Lockdown. Und zwar nicht nur auf der Straße, sondern auch im Fernsehen und in Zeitungen. 

„Im Verborgenen wird gefärbt, geschnitten und gestylt. Abstands- und Hygieneregeln? Fehlanzeige. Mit jedem weiteren Tag der Schließung fördert die Politik die Schwarzarbeit und das unkontrollierte Infektionsgeschehen in privaten Haushalten. Die einzig richtige Lösung muss heißen: kontrollierte Öffnung der Betriebe unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln. Dass wir die einhalten können, haben wir letztes Jahr glaubhaft bewiesen. Wir Friseure sind Hygienebotschafter.“ so Konstantin Schick.

Schattenwirtschaft

Guido Wirtz, Vorsitzender Innungsmeister des Landesverbands Friseure & Kosmetik Rheinland, kann das bestätigen: „Es wird auf die heimische Küche ausgewichen und dort gibt es in der Schattenwirtschaft weder Mindestabstände noch Masken oder Kontaktdaten-Dokumentation. Eine gut gemeinte Idee, die verheerende Folgen hat – und zwar nicht nur in Form von Wettbewerbsverzerrung und Steuerverlust, sondern vor allem im Hinblick auf den Schutz unserer Gesundheit und das Abflachen der Pandemie-Welle.“ Blickt man in sein Nachbarland Luxemburg, trifft es Guido ganz besonders hart: „Unsere Kunden wissen sich nicht zu helfen und pilgern reihenweise über die Grenze. Hier dürfen Salons arbeiten, das verführt natürlich. Ich kann nur hoffen, dass meine Kunden auf lange Sicht zu mir zurückkehren, sonst droht auch meinem Familienbetrieb der Existenzverlust.“

Schließnotwendigkeit hinterfragt

Christa Meier aus Bayern hat sich gemeinsam mit ihrer Tochter Kathrin, die bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) ehrenamtlich tätig ist, die Zahlen mit Stand 08. Januar 2021 genauer angesehen: „Für das Friseurhandwerk sprechen wir von 14 Meldungen einer vermuteten oder tatsächlichen SARS-CoV-2 Infektion, wovon 7 ein positives Testergebnis hatten. Setzt man diese Zahlen zu den Friseurbetrieben und Mitarbeitern in ganz Deutschland ins Verhältnis, ist das Fazit klar: unauffälliges Meldegeschehen für die Friseurbranche!“ 

Benachteiligung im Handwerk

Wolfgang Schwan aus dem Saarland „Uns gibt es nicht ‚zum Mitnehmen‘ und auch nicht per Fernwartung, wir sind Vollblut Handwerker. Natürlich können wir das eine oder andere Produkt online verkaufen oder einen Gutschein ausstellen. Aber das hält uns nicht über Wasser. Unser Beruf ist alternativlos.“ Vergleicht man die Situation mit anderen Betrieben, die in Deutschland unter das Dach des Deutschen Handwerks fallen, wird klar: Schließungen treffen vor allem die Friseure. Dabei sind sie für unsere Gesellschaft mindestens genauso essenziell wie die anderen Handwerksbetriebe – nicht nur für ein schönes Äußeres, sondern auch für ein ausgeglichenes Inneres.

Grundbedürfnisse

Andre Albers aus Bremerhaven fehlt der persönliche Austausch mit seinen Kunden: „Es geht nicht nur darum, dass Menschen in schwieriger Zeit ein letztes kleines Glück haben – schöne Haare. Menschen vereinsamen und werden gesellschaftlich allein gelassen. Wir Friseure sind ganz entscheidende Botschafter, die in sicherer Art und Weise nah an den Menschen arbeiten. Der Wunsch nach einem gepflegten Äußeren ist ein Grundbedürfnis, das wir nicht länger ignorieren dürfen.“ 

 

Liste der klagenden Friseure:

(Stand 03.02.2020 – regelmäßiges Update)

  • Baden-Württemberg
    Haarladen Isabelle Krauss - Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Mannheim
  • Bayern
    Hairstyling Bayerwald - Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, München
  • Berlin
    KlugeJunx - Verwaltungsgericht Berlin
  • Bremen
    hauptsache der friseur -  Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen
  • Hessen
    Schick Friseure und Giuseppe Petrelli - Hessischer Verwaltungsgerichtshof Kassel
  • Niedersachsen
    Hair Club Ramsloh - Oberverwaltungsgericht Lüneburg
  • Nordrhein-Westfalen
    Friseursalon Susanne Wurmbach - Oberverwaltungsgericht Münster
  • Rheinland-Pfalz
    Guidos Haarladen - Verwaltungsgericht Trier
  • Saarland
    Wolfgang Schwan Frisör - Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Saarlouis
  • Thüringen
    Arthur’s Friseure
    André Amberg Friseure und Barbiere - Thüringer Oberverwaltungsgericht, Weimar