30.03.2020

Fatih Erbay: "Ich fühle mich vom Staat total verarscht"

Die Politiker reden von Millionen und sofortiger Hilfe, nur das Kleingedruckte wird verschwiegen. Als Inhaber eines erfolgreichen Salons fühlt sich Fatih Erbay bestraft, für sein Team setzt er auf 50% Kurzarbeit…

Im Telefon-Interview mit Raphaela Kirschnick

Fatih, wie geht’s Dir denn mit der aktuellen Situation?
Fatih Erbay: Ich bin wütend. Nicht wegen der Corona Situation, sondern wie damit von Regierungsseite umgegangen wird. Am meisten ärgert mich, dass Politiker groß von Hilfe sprechen, aber Vieles verschleiern. Nur ohne Durchblick bleibt es hart.

Hast Du Dich bereits mit Unterstützungen auseinandergesetzt?
FE: Seit Mittwoch ist in Baden-Württemberg die Soforthilfe heraus. Sieben Seiten muss man dafür ausfüllen, ohne Jura- oder BWL-Studium ist man da verloren. Und dann kommt das Kleingedruckte. Reiner Umsatzausfall alleine, reicht nicht aus, um Soforthilfe zu erhalten. Da fühle ich mich im Stich gelassen und verarscht.

Was meinst Du damit?
FE: Bei den Politikern klingt alles immer toll, die stellen sich vorne hin und reden von Milliarden und betonen: „Jetzt bekommt JEDER eine tolle Hilfe“. Im Kleingedruckten stehen dann die Ausnahmen. Das ist doch falsche Information!

Hast Du einen Antrag gestellt?
FE: Ja, ich habe den Antrag gemeinsam mit meinem Steuerberater ausgefüllt. Ich bin gespannt, wie lange es dauern wird, bis wir etwas hören. Ich weiß nicht, ob ich einen Zuschuss erhalte.

Warum zweifelst Du?
FE: Weißt Du, am meisten ärgert mich, dass ich einen gutgehenden Salon und tolle Mitarbeiter habe, immer spare und jetzt dafür bestraft werden soll. Bevor ich unterstützt werde, soll ich die Rücklagen aufbrauchen, die ich für Mitarbeiterweiterbildung, Prämien und Renovierung auf Seite gelegt habe. Aber faule Salons oder jene, die alles Geld für sich längst herausgenommen haben und Schwarzarbeiter werden belohnt und gefördert.

Wo siehst Du Lücken?
FE: Es wird schleppend kommuniziert. Weder Steuerberater noch Anwalt können mir alle Fragen beantworten, weil ständig etwas geändert wird. Was passiert denn mit der Soforthilfe? Muss die versteuert werden? Das konnte mir noch keiner beantworten, da fühle ich mich hilflos. Unternehmen, die wissen, wie ein Unternehmen funktioniert, die durchdenken das. Aber es gibt einige, die das überhaupt nicht hinterfragen. Ich glaube, da fallen noch einige auf die Nase. 

Wie hast Du Dein Team geregelt?
FE: Meine Mitarbeiter habe ich zu 50% Kurzarbeit angemeldet. Mein Team unterstützt mich und hat Verständnis. Ich habe keine Angst, jemanden zu verlieren, wir haben einen sehr engen, offenen und ehrlichen Umgang miteinander und ich habe von Anfang an mit offenen Karten gespielt.

50% Kurzarbeit?
Ich gehe davon aus, dass wir, gleich nach möglicher Öffnung, sehr viel Arbeit haben werden. Wahrscheinlich werden wir dann in Schicht arbeiten. Aktuell trainieren wir viel an Trainingsköpfen und produzieren Tutorials.

Wie macht Ihr das?
FE: Wir treffen uns zu zweit im Salon, halten alle Regeln, wie z.B. Abstand, ein. Einer arbeitet, einer filmt. Wir haben gerade einige Flecht-Step-by-Step-Tutorials gemacht für Stylisten und Kunden. Diese sind frei zugänglich. Wir tun das für die Welt da draußen.

Ist Liquidität für Dich Thema?
FE: Liquidität ist aktuell noch kein Thema, ca. sechs Wochen kann ich überbrücken, aber dann bin ich auch fertig.

Wie gehen Eure Kunden damit um?
FE: Ich bekomme sehr viele E-Mails und unterstützende Worte, unsere Kunden warten auf uns. Allerdings habe ich ganz schön viele Anfragen, ob wir mal eben zu den Kunden nach Hause kommen können. Das finde ich ganz furchtbar und unterstütze das auch nicht. Mich haben Stammkunden angerufen und mir gesagt, dass sie bereits Angebote von anderen Friseuren hätten und haben mich fast erpresst, so im Sinne von „Wenn du nicht kommst, dann nehme ich den Anderen!“ Da bin ich echt im Schock.

Verkauft Ihr Gutscheine? Versendet Ihr Produkte?
FE: Gutscheine ja, das läuft gut. Wir haben auch Anfragen zu Produkten bekommen, die versenden wir dann. Aber auch da wissen wir alle nicht, wie es abgerechnet wird und ob man dann bestraft wird, weil man Umsatz gemacht hat? Wieder so eine ungeklärte Frage.

Dein Wunsch?
Vom Land Baden-Württemberg wünsche ich mir, dass es eine bessere Aufklärung und Kommunikation gibt und das rasch. Wir brauchen auch in der Coronakrise einen Alltag, den mag ich finden. Solidarität ist zur Zeit sehr wichtig und diese wird danach weiterbleiben. Das hätte ich vorher nicht gedacht, das ist aber gut.
Mir geht es gut, ich bin gesund und meine Familie auch, das ist das Wichtigste.

Lieber Fatih, so soll es bleiben, danke Dir für Deinen Einblick und weiterhin alles Gute.