Credit: Andonis Vassiliades

05.12.2018

Digital Selfmarkting und Minimalwissen? Follow Achim Rothenbühler!

„Das Schlimmste ist, einfach weiter zu machen wie bisher!“  O-Ton Achim Rothenbühler. Wir haben den J.7 Front-Tausendsassa überraschend in Stuttgart besucht. Entstanden ist ein spontanes Gespräch über digitales Selfmarketing & Mitarbeitersuche, über brancheninternes Minimalwissen und handwerksgerechte Schulungen.

Im Gespräch mit Katja Ottiger


imSalon: Du bist vernetzt auf allen (digitalen) Kanälen, denkst hier immer wieder weiter und hältst u.a. Vorträge zu diesem Thema. Leidenschaft?
Achim Rothenbühler:
Verzweiflung! Weil es darum geht wachzurütteln. Denn wenn ich noch beim NEIN zu digital bin, brauch ich mit was anderem nicht anzufangen. Ich mache das nicht, weil ich Spaß an Digital habe und den ganzen Tag gern am Handy hänge, sondern aus dem Bewusstsein heraus, zu MÜSSEN. Es ist eine Chance meine Arbeit zu promoten und an junge Kunden und vor allem Mitarbeiter ranzukommen.

Also auch du musstest Social Media affin werden?
AR:
Ja und ich habe jetzt fast 9000 Follower. Wir als J.7 mit den Filialen und school zusammen um die 20.000. Wir haben Onlineterminierung, eine Schulungs-APP, setzen auf Videokonferenzen mit den Franchisepartnern. Auf die Friseurmasse gesehen, stehen wir ganz gut da.

"Social Media muss ein fester Bestandteil im Unternehmen sein, so wie Buchhaltung oder Lehrlingsausbildung!"


Sehen viele noch nicht die Notwendigkeit?
AR:
Ich verstehe alle Social Meida - Gegenargumente, aber Social Media muss ein fester Bestandteil im Unternehmen sein, so wie Buchhaltung oder Lehrlingsausbildung! Denn die Wahrheit ist, wir können uns sonst bald nicht mehr miteinander unterhalten!

Was empfiehlst du?
Konzentriert sein. Beobachten. Neues ausprobieren. Das Schlimmste ist, einfach weiter zu machen wie bisher. 

Was erwartest du?
AR:
Tolle Images von unserem Job! Wir alle können das aus unserer Tasche leisten. Wir haben eine visuelle Branche! Schöne Looks, tolle Kollegen, supercoole Saloneinrichtungen - wir haben so viele Sachen zum Posten! Nur, unsere Branche findet im Internet praktisch nicht statt, da kommt zu wenig bei der Flut der Friseure. Wir müssen immer bedenken, die junge Generation tickt digital.

 

Also los und junge Follower generieren!
AR:
Image und Präsenz bekommst du im Netz. Wir haben eine Verknappung junger Leute und um die findet ein Wettbewerb statt. Wir müssen junge Leute davon abhalten, im Supermarkt an der Kasse zu sitzen oder Zahnarztassistentin zu werden! Denn Friseur IST eine coole Alternative!

Wie lernt man denn Instagrammen?
AR:
Learning by doing. Wenn du 100 Follower hast, machst du nix kaputt. Einfach viel ausprobieren durch Tun! Persönliches ist wichtig! Auf ein Kollektionsbild bekomme ich 300 Likes, wenn ich eines von mir persönlich poste, 600! Alles ist experimentell und überraschend. Wer heute nicht auf Digital setzt, ist in zwei Jahren tot!

Und wie handhabt ihr das J.7 intern?
AR:
Facebook macht jeder selbst, das ist lokal. Eine Instagram Seite verkörpert Image, hier legen wir alles zusammen, das bringt mehr Traffic. Denn die Macht der Follower wird oft unterschätzt. Es könnte sein, dass sich neben dir einer zu einem Spezialisten hochkatapultiert und du merkst das viel zu spät. Egal wer im Unternehmen Social Media macht - bei mir sind es z.B. die Lehrlinge im 3. Lehrjahr – das muss fest einplant werden! Posten ist das eine, vielen reicht es zweimal die Woche. Das andere ist das Pflegen, das Antworten auf Kommentare. Das muss 7 Tage die Woche funktionieren!

Und wenn die Kundenstruktur das nicht hergibt?
AR:
Naja, wenn du Platzhirsch bist und deine 70-jährigen Kunden hast - die kommen noch, das geht schon. Aber es geht nicht darum mit deinen Kunden alt zu werden, sondern um junge Kunden und um Personal! Wenn du dich digital gut präsentierst, stolpern auch Mitarbeiter über dich.
Das gilt für alle Branchen. Nehmen wir Mercedes! Alles online! Die haben keine Kataloge mehr! Mercedes!!! Für mich eine konservative Marke ist momentan eine der digitalsten am deutschen Automarkt! Wenn die ihre Prospekte einstampfen, muss einem das zu denken geben! Unser diesjähriges Print-Seminarprospekt war auch das letzte, dass wir gemacht haben. Ab jetzt nur noch online! Ehrlich: Hochglanzprospekte, die nehm ich und werf sie in die Tonne.

Viele setzen auf beides!
AR:
Irgendwann musst du dich entscheiden, sonst geht dir das Geld aus! Da geht es auch den großen Firmen nicht anders: Du hast halt nur ein Budget! Und digital ist NICHT umsonst! Die Personen dahinter, die Technik …. das alles kostet!

Wie siehst du künftig den Seminarbereich?
AR:
Sind wir ehrlich, das was jetzt gerade stattfindet, dieses komplette Ignorieren von Schulungen, dieser Boykott. Wenn du dir die Zahlen anschaust – brutal! Bei vielen ist das Geld knapp und ich finde es krass, welche Maßnahmen die Kollegen ergreifen. Weiterbildung gucken die sich auf you tube an!? Ich sehe das als Irrsinn. Du kannst als Unternehmer nicht nicht schulen!

Aber vielen reicht you tube.
AR:
Viele leben mit Minimalwissen und wollen 40 Jahre durchs Berufsleben gehen?! Das macht keinen Spaß und ist eine Fehlentwicklung. You tube als Chance besser zu lernen und als Zusatzwissen zum abrufen - ja! Mit ausreichend Berufserfahrung kannst du ein Tutorial umwandeln. Aber wir reden hier von Handwerk! Da musst du alle Facetten schulen. Und du musst 1000 Kunden gemacht haben und mit ihnen deine Fehler, dann hattest du jeden Haartypus schon mal in der Hand. Erst dann bist du gewappnet!

Wie siehst du digitales Lernen, Webinare z.B.?
AR:
Webinare sind noch nicht so richtig da, werden sich aber nicht vermeiden lassen. Nur, hier müssen wir aufpassen, was da an Wissen alles weitergegeben wird - für nichts!
Aber nehmen wir mal Heiko Schneider´s Online Business Kongress! Der macht es richtig! Die Tickets kosteten zum Teil 180 Euro! Es muss allen klar sein, dass wir unser Wissen nicht gratis rausgeben dürfen. Digital kostet!

Du sagst es! Weiterbilden kostet. Ein Totschlagargument für viele.
AR:
Ja, aber ich gehe an die Sache immer gern anders heran und frage: Was braucht ein Friseur, damit er komplett das Handwerk beherrscht? Schulungen! Wir selbst haben im Schulungsbereich nicht einen Cent eingespart! Wir bauen unseren Wasserkopf ab, optimieren Filialen und mein Auto ist auch kleiner geworden. Bei Weiterbildung sparen, halte ich für den Todesstoß. Ich weiß, wir alle haben die gleichen Probleme: keine Mitarbeiter, steigende Kosten. Das bringt uns alle in Zugzwang und wir alle bräuchten einen schnellen Ruck von 20 % Preiserhöhung. Aber: Unser ganzes Kapital ist unser Mitarbeiter, an dem kannst du nicht sparen!

Achim, vielen Dank für deine spontanen Gedankensprünge. Ein Vergnügen!
AR:
Gern! Achja und an alle, die es lesen: Ich freue mich über Follower!

Achja, und wir uns auch ;-)