Credit: Zentralverband für das deutsche Friseurhandwerk

30.05.2017

Christian Kaiser mischt aus Bayern mit

Mia san Mia? Bundesweites Agieren ist wichtig, dennoch setzen die Bayern einige Meilensteine...

Fakten

Friseur seit 1989

  • Inhaber Salon Hair Kaiser 
  • www.hairkaiser.de 
  • 3 MitarbeiterInnen
  • Bayerischer Landesinnungsmeister seit 2014
  • im Vorstand der Arbeitgebervereinigung des Handwerks Bayern und des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks
  • Mitglied Ausschuss Wirtschaft und Soziales im ZV

imSalon: Herzlichen Glückwunsch zur LIM-Wiederwahl und auch zur Wahl in den Vorstand des Unternehmerverbandes des bayerischen Handwerks sowie des Zentralverbandes! 
Was hat Sie zur Verbandsarbeit gebracht und wann?

Christian Kaiser: 1998 konnte ich im Rahmen des Meistervorbereitungskurses erstmals die Themenvielfalt der Innungsarbeit kennenlernen. Als ich gegen Ende des Lehrgangs sowie nach der Meisterprüfung persönlich angesprochen wurde, aktiv mitwirken zu können, war es für mir eine Ehre und zugleich eine Selbstverständlichkeit mich persönlich einzubringen. Der ständige kollegiale Austausch zu verschiedenen Themen ist für mich ein absoluter Mehrwert einer Verbandszugehörigkeit.

"...künftige Lohnentwicklung bleibt Dauerthema..."

Welches sind derzeit die heißesten Themen in der bayerischen Innungsarbeit?
CK: Der gesetzliche Mindestlohn, mögliche Lohnuntergrenzen und künftige Lohnentwicklung im Friseurhandwerk sind und bleiben Dauerthema. Wir diskutieren in Bayern viel darüber und ergreifen Initiative. Die Friseurlehrlinge in Bayern erhalten aufgrund unseres Vorstoßes mehr Geld, nachdem die zuständige Gewerkschaft keinen Tarifvertrag für Bayern aushandeln will. Zum 1. August werden die Ausbildungsvergütungen für die Friseurazubis in Bayern um rund 3 % erhöht. 
Weitere Schwerpunkte sind der Fachkräftemangel und der Rückgang der Auszubildendenzahlen vorgegeben. 

Wie sehen denn die aktuellen bayrischen Statistiken aus?
CK: Der Blick in die Ausbildungsstatistik zeigt, dass unsere Arbeit als Verband ankommt. Aktuell erlernen 3.783 junge Menschen in Bayern das Friseurhandwerk, das sind 0,4 Prozent mehr als vor einem Jahr. Im ersten Ausbildungsjahr ist sogar ein Anstieg von 5,4 Prozent zu verzeichnen. Die Nachwuchswerbung der Friseurinnungen und ihrer Mitgliedsbetriebe trägt Früchte. 

Wie viele Salons gibt es aktuell in Bayern? 
CK: Knapp 14.500 Betriebe sind derzeit in Bayern in die Handwerksrolle eingetragen. Umsatzsteuerpflichtig sind allerdings nur rund 8.500 Friseurunternehmen.

Davon sind aber nur 3.800 aktive Innungsmitglieder. Kämpft Bayern auch mit Mitgliederschwund?
CK: Diese Zahl ist durch die teilweise nicht aufgeführten Filialbetriebe und die jeweilige Beschäftigungsstärke der Betriebe zu relativieren. Aber ja, auch in Bayern verlieren wir Mitglieder. Im vergangenen Jahr war es ein Nettorückgang um 18 Betriebe und jeder noch so geringe Verlust schmerzt mich. Bedauerlicherweise erkennen viele Kleinstunternehmen nicht die Notwendigkeit einer berufspolitischen Verbandsarbeit, auch wenn sie regelmäßig davon profitieren. 

Wie profitieren diese denn? 
CK: Gerade im Mai sparten mal wieder alle Betriebe bei der Beitragszahlung zur Berufsgenossenschaft, was auf eine erfolgreiche Verbandsarbeit zurückzuführen ist. Bei vielen Betrieben entspricht die Einsparung beispielsweise dem Jahresbeitrag zur Innung. 

Im Kreise des Ausschuss Wirtschaft und Soziales (v. l. n. r. Christian Kaiser, Dirk Reisacher, Thomas Kemmerich, Michael Hunger, Joachim M. Weckel, Mike Engels, Guido Wirtz)

Es gibt immer wieder negative Kommentare zur Innungsarbeit, wie gehen Sie damit um?
CK: Konstruktive Kritik ist für eine moderne Verbandsarbeit unverzichtbar. Wir nehmen die Anregungen unserer Mitglieder sehr ernst und diskutieren sie. Es ist normal, dass berufspolitische Entscheidungen und Maßnahmen Befürworter und Kritiker finden. Naturgemäß fällt es auch oftmals leichter, zu kritisieren, als Lob auszusprechen. Im Verband ist es uns wichtig zuzuhören und zu kommunizieren. 

Und wie läuft das ab?
CK:Deswegen ist der bayerische Verband auch in den wichtigsten sozialen Netzwerken aktiv und auf zahlreichen Social-Media-Kanälen für Anfragen erreichbar. Nach Twitter und Facebook kann man mit dem LIV via Messenger, WhatsApp, Threema, Telegram, Google Allo und Signal chatten. So haben wir unser Ohr an der Basis. 

Wie wird dann weiter mit Kritiken umgegangen?
CK: Grundsätzlich fließen alle Kommentare in die Verbandsarbeit ein, um der verpflichtenden Basisdemokratie gerecht zu werden. Die meisten Arbeitsaufträge und Entscheidungen der Verbandsarbeit beruhen letztendlich auf einer Mehrheitsentscheidung der Mitglieder.

"Eine Änderung im Ausbildungsrahmenplan kann leicht bis zu drei Jahre dauern"

Wie möchten Sie überzeugen?
CK: Mein Ziel ist es, unsere Arbeit mit dem Blick auf das Ganze nachvollziehbar an die Basis zu kommunizieren. Das ist nicht immer einfach. Viele unserer Themen beruhen auf komplexen Prozessen, die auch oftmals noch gesetzlichen und rechtlichen Auflagen unterliegen. Beispielsweise eine Änderung im Ausbildungsrahmenplan kann leicht bis zu drei Jahre dauern, bis sie im Bundesanzeiger als genehmigt veröffentlich wird. 

3% + für Auszubildende im Friseurhandwerk! Ein Anfang? Wie sehen Sie die Zukunft der Friseurlöhne? 
CK Die beschlossene Anpassung der Ausbildungsvergütung für bayerische Lehrlinge ist kein Anfang, sondern das Ergebnis einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Dem folgt eine Steigerung im Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer. Primäres Ziel ist der angemessene Lohnabstand einer gelernten Arbeitskraft im Lohngitter zum gesetzlichen Mindestlohn, ebenso wie die Stärkung des vereinbarten Leistungslohns. 

"...eine bundesweite gemeinsame Festlegung einer Lohnuntergrenze wünschen..."

Da gibt es bundesweit ja unterschiedlichste Diskussionen!
CK Für die Bundesebene würde ich mir im ersten Schritt eine gemeinsame Festlegung einer Lohnuntergrenze jenseits des gesetzlichen Mindestlohns sowie die Gestaltung von Mindestarbeitsbedingungen im Friseurhandwerk wünschen.

Bayern hebt sich in der Bundespolitik immer wieder ab, ist das auch bei der Verbandsarbeit so?

CK Es wäre bedauerlich, wenn aus dem zweitgrößten Bundesland nicht viele Themen angeregt würden. Immerhin sind hierzulande mehr Personen in die Entscheidungsprozesse eingebunden oder von den Entwicklungen direkt betroffen. Für den bayerischen Verband kann ich in jedem Fall stolz feststellen, dass viele Aufgaben konstruktiv diskutiert und dann mit deutlichen Mehrheitsentscheidungen umgesetzt werden.

Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit dem Zentralverband? Was funktioniert gut, was könnte besser laufen?
CK Die bayerische Zusammenarbeit mit dem Zentralverband ist intensiv. Wir sind der zweitgrößte Mitgliedsverband und Beitragszahler im Zentralverband. Bei der Mitgliederversammlung in Mainz wurde ich wieder in den Vorstand und neu in den Wirtschaftsausschuss gewählt. Mein Stellvertreter in Bayern, Rudolf Reisbeck, wurde im Amt des Vizepräsidenten bestätigt. Die bayerischen Delegierten sind in allen Ausschüssen des Zentralverbandes vertreten. Wir sind Teil des Zentralverbandes und als solcher mitverantwortlich für die Entscheidungen und die Arbeit auf Bundesebene. Natürlich würden wir gerne noch öfter unsere Ideen und Vorschläge verwirklicht sehen. Aber in einer auf demokratischen Entscheidungen basierenden Organisation muss man eben immer erst Mehrheiten finden. 
Bei einigen Themen würde ich mir einen noch größeren Konsens unter den Verbänden wünschen. Nur gemeinsam können wir die Dinge voranbringen.

"Duale Ausbildung ... darf nicht kurzfristigen Markttrends geopfert werden"

Duale Ausbildung versus private Ausbildungsprogramme: Was wünschen Sie sich für die Branche?
CK Die duale Ausbildung und der Gesellenbrief müssen als Kernausbildung geschützt werden. Auch dürfen Ausbildungsinhalte und Mindestanforderungen nicht kurzfristigen Markttrends geopfert werden. 

Die Breite der dualen Ausbildung garantiert Flexibilität und bildet die Basis für die berufliche Weiterentwicklung. Das Berufsbildungsgesetz und die Prüfungsordnungen bieten zahlreiche Möglichkeiten für die unterschiedlichsten Zielgruppen. Am Ende muss der gesetzlich anerkannte Gesellenbrief stehen, der wiederum Grundvoraussetzung für zahlreiche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ist.

"Mit der inflationären Entwicklung von Berufstiteln gefährden wir den Meistervorbehalt"

Also unterstützen Sie die Absage an L’Oréals Beautyschool, La Biostethiques Hair&Beauty Assistant Programm? 
CK Ja, auch ich erteile solchen Programmen eine Absage. Ein kurzfristiges oder temporär eingeschränktes wirtschaftliches Interesse der Zulieferindustrie an Ausbildungsmodellen darf eine Grundausbildung nicht gefährden. Als Fachverband müssen wir auch die Handwerksordnung und die Berufsehre schützen. Mit der inflationären Entwicklung von Berufstiteln und Bildungsabschlüssen gefährden wir nur den Meistervorbehalt und die öffentliche Anerkennung unseres Berufsbildes. 

Aber Alternativen sind gefragt. Bei Salzburg revolutioniert die Modeschule Hallein mit einem sehr imageträchtigen Projekt den Ausbildungssektor. Das sollte doch auch in Deutschland funktionieren?
CK Um mehr leistungsfähige und -bereite Jugendliche für unseren schönen Beruf zu gewinnen, ist es wichtig, Perspektiven aufzuzeigen. Dabei geht es neben Verdienst auch um Aufstiegsmöglichkeiten. In Deutschland wird dem zum Beispiel mit der Einführung des Berufsabiturs Rechnung getragen. Für das Friseurhandwerk hat der Zentralverband den Bachelorstudiengang "Beauty Management" entwickelt. Hochschulzugangsberechtigte können hier innerhalb von viereinhalb Jahren nicht nur den Gesellen- und Meistertitel erlangen, sondern sich auch in Visagistik fortbilden und ein betriebswirtschaftliches Studium absolvieren, das mit dem Bachelor abschließt. 

Was macht der Unternehmerverband des bayerischen Handwerks (UBH)? Welche Vorteile bringt Ihr Vorstandsposten dem Friseurhandwerk?
In dieser Organisation der handwerklichen Spitzenverbände werden insbesondere überregionale und landespolitische Themen diskutiert. In gemeinsamen Sitzungen mit Vertretern der bayerischen Ministerien werden Anliegen des Handwerks direkt an die Verwaltungs- und Regierungsspitze weitergetragen. Der bayerische Landesinnungsverband hat auf diesem Weg in der Vergangenheit zahlreiche Themen vorantreiben können. Es ist wichtig, dass sich das Friseurhandwerk als leistungs- und beschäftigungsstarke Branche äußert. 

Gibt es konkrete Projekte? 
Derzeit stehen unsererseits Projekte wie die Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge, die akute Problematik der EU-Dienstleistungsrichtlinie mit ihrem Kampf gegen den Meistervorbehalt und die Qualitätssicherung der Ausbildung im Hinblick auf die Flüchtlingsproblematik ganz oben auf der Agenda. 

Die Messelandschaft in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark geschrumpft. Lediglich die Haare Nürnberg bildet einen Gegenpol zur TOP HAIR Messe in Düsseldorf? Wird die Messe heuer stattfinden? 
Die HAARE 2017 findet am 22. und 23. Oktober auf dem Nürnberger Messegelände statt. Der Zentralverband führt dort die Deutsche Meisterschaft durch, wir richten die Bayerische Meisterschaft aus und mit den International Barber Awards haben wir nun bereits im dritten Jahr eine neue, erfolgreiche Meisterschaft, veranstaltet von 1o1 Barbers, am Start. Im Eintrittspreis von 33 Euro bzw. 28 Euro bei Gruppenrabatt ist aber nicht nur der Besuch der Fachausstellung und der Meisterschaften enthalten, sondern auch das vielfältige Weiterbildungsprogramm mit Shows, Workshops und Vorträgen. Und weil uns als Verband die Motivation des Berufsnachwuchses ganz besonders am Herzen liegt, zahlen Azubis für das komplette Programm im Gruppentarif nur 9 Euro. Die HAARE ist der große Branchentreffpunkt im Herbst, den kein Friseur verpassen sollte.

"Nur noch eine große Messe im Norden Deutschlands halte ich für unzureichend"

Welches ist die größere Herausforderung? Aussteller zu motivieren oder Besucher?
Wenn die Friseure von der HAARE überzeugt sind, dann klappt es wie am Schnürchen - Kommunikation ist alles. Die HAARE in Nürnberg war und ist eine Veranstaltung des Landesinnungsverbandes und der NürnbergMesse, die sich über ein kontinuierliches Wachstum erfreut. Nur noch eine große Messe im Norden Deutschlands halte ich für unzureichend. Mit unseren Konzepten von Bildungsangeboten, fachlichen Bühnenshows, Nachwuchsförderung und Wettbewerben für das Spitzenniveau sprechen wir eine breite Zielgruppe insbesondere aus Bayern und den benachbarten Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Sachsen sowie vermehrt auch aus den Nachbarländern Tschechien und Österreich an.

Gibt es Pläne für ein neues Messekonzept? 
"Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein", sagt das Sprichwort. In diesem Jahr gibt es mehr Fläche durch den Umzug in eine andere Halle und eine neue Hallenaufteilung. Außerdem bauen wir das Weiterbildungsangebot kontinuierlich aus. Besonders freut es mich, dass wir auch bereits für 2018 die Zusage haben, Austragungsort der Deutschen Meisterschaft zu sein. Für die HAARE in Nürnberg gilt: Das einzig Beständige ist der Wandel – und das seit nunmehr 27 Jahren.

Wie viel Zeit verbringen Sie eigentlich noch in Ihrem Salon?
An rund zwei bis drei Tagen in der Woche stehe ich noch tatkräftig an meinem Friseurstuhl und erfreue mich an unserem abwechslungsreichen, kreativen Handwerk.

Ihre Website ist sehr modern, wie wichtig ist für Sie das Internet?
Das Internet ist aus der heutigen Zeit doch nicht mehr wegzudenken, aus einer erfolgreichen Verbandsarbeit nicht wegzudenken. Der Friseurberuf ist ein kommunikativer Beruf und junge Zielgruppen bevorzugen digitale Werkzeuge. Der Ausspruch eines US-Studenten spricht Bände: „Wenn die Nachricht wichtig für mich ist, wird sie einen Weg zu mir finden.“ Die Folge ist ein fundamentaler Neuansatz von Kommunikation für den Friseursalon. Als einziger Friseurverband haben wir ein Buch zu Social Media im Friseurhandwerk herausgebracht und veranstalten regelmäßig Seminare zu diesem Thema. 

Vielen Dank Herr Kaiser für das ausführliche Gespräch!